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7460 Börsenblatt d. Dtschn. Buchhanvel. Nichtamtlicher Teil. ^ 142, 23. Juni 1910. Lithographien. Diesem »Lats-Io^us rrnZorme« gebt eine Dar stellung der Geschichte der Firma voran, deren Ursprung bis ans Ende des achtzehnten Jahrhunderts zurückreicht und die heute noch in hoher Blüte steht. Nach eigenen Angaben ihres jetzigen Besitzers, des Stadtschöffen Francois Dufour, produziert die Anstalt jährlich außer den 2*/, Millionen Gebetbüchern, die ebenfalls ihre Spezialität bilden, 100 Millionen Papierbogen (Bilderbogen und sogen. Phantasiepapiere) und 8 Millionen Kartenspiele. (Es dürfte den Leser interessieren, daß Turnhout seit langer Zeit ein bedeutender, vielleicht der bedeutendste Platz für die Herstellung der Spielkarten ist.) Der Firma Brepols zunächst an Bedeutung kommt die Firma Glenisson L van Genechten, ebenfalls in Turnhout (später Glenisson L Fils und Ant. van Genechten), die die Bestände der Firma Wellens, Delhuvenne L Cie. (1834 1844) übernommen hat; ihr Katalog umfaßt außer den 93 Nummern der letztgenannten Firma 214 weitere Nummern; schließlich ist noch die Firma Beersmans- Pleek zu erwähnen, die von 1870—1902 109 Bilderbogen verlegte, deren Stöcke jedoch zum größten Teil von andern Verlegern über nommen wurden. Außer den im vorstehenden aufgeführten, sämtlich in Turnhout etablierten Firmen gab es in Belgien noch den bedeutenden Bilderbogenverlag von Hemelaers-van Houten in der Brüsseler Vorstadt Schaerbeek; dieser hat im ganzen 161 Bilder verlegt, von denen 94 in Belgien graviert, während die Stöcke zu den übrigen 67 Bogen um 1870 in Holland gekauft worden sind. Die Stöcke wurden bei der Auflösung der Firma im Jahre 1894 verbrannt. Die in der dritten Abteilung des Werkes gegebene Übersicht über die Bilderbogenindustrie in den andern belgischen Städten (speziell Antwerpen, Gent und Lüttich) und den anderen Ländern ist für uns der weitaus genießbarste Teil, wiewohl die Illustrationen nun spärlicher werden. Die ermüdende bibliographische Aufzählung ist weggelassen, und die Darstellung liest sich trotz der vielen Namen und Daten angenehmer und flotter. Wir erfahren zum erstenmal Näheres über die Bedeutung dieser Industrie in den einzelnen Städten Hollands. Rotterdam, Amsterdam, Breda, Deventer waren zu verschiedenen Zeiten die Hauptverlagsorte der jetzt stark im Niedergang befindlichen »prentjsZckrolrksu«. Auch die Neuruppiner und Münchener Bilderbogen waren, mit holländischem Text versehen, in den Niederlanden eine Zeitlang sehr beliebt, daneben importierten auch Mainzer, Stuttgarter, Weißenburger, Metzer Verleger und die großen französischen Firmen in Epinal und Pont-L-Mousson ihre mit nicht immer korrekten Übersetzungen versehenen Erzeugnisse. In Frankreich haben wir die Blütezeit der Bilderbogenindustrie am Ende des achtzehnten und zum Beginn des neunzehnten Jahr hunderts; die politischen Ereignisse mögen hierzu ihren Teil bei getragen haben. Wenn auch das Vogesenstädtchen Epinal stets das weitaus bedeutendste Zentrum für diese Industrie gewesen ist und diese Stellung noch jetzt behauptet, so kommen doch noch eine große Anzahl anderer französischer Städte in Betracht: im Osten Metz, Nancy, Pont-L-Mousson, Montbsliard, Belfort; im Zentrum und im Westen: Chartres (seit Ende des 17. Jahr hunderts), Orleans (seit Beginn des 18. Jahrhunderts), Nantes, le Mans, Rennes, Caen, Paris; im Süden Toulouse und Avignon; im Norden Amiens, Beauvais, Cambrai, Lille. Je nach der geographischen Lage wiegen gewisse Richtungen mit Bezug auf die dargestellten Themata vor: im Westen und Süden religiöse und monarchische Bilder, namentlich zur Zeit der Restauration, im Norden Schwänke und Zunftdarstellungen, im Osten liberale und bonapartistische Bilder, in Paris und im Zentrum Geschichte, Religion, Sagen. Die ältesten Darstellungen haben vorzugsweise folgende Gegenstände: Den ewigen Juden, den wir schon zu Anfang des 17. Jahrhunderts auf vielen Bilder bogen finden, die Kredituhr (»Kredit ist gestorben, die schlechten Zahler haben ihn getötet«), die Schule der Ehe (lleolo ä68 Ns.i-^8), den Liebesbaum, die Wundermüble (nach Art unserer Jung brunnendarstellungen), die Barke des Charon (von den Toten tänzen inspiriert), Nächtliche Erinnerungen zweier Eheleute des 17. Jahrhunderts, die drei Wege der Ewigkeit usw. Die Autoren geben von jedem dieser Gegenstände eine Illustrations- Probe und reproduzieren dann zu weiterer Veranschaulichung den Katalog der Bilderbogenserien der Firma Lecrene-Labbey in Rouen aus den Jahren 1812—13, deren Inventar als typisch gelten darf. Die dem Abschnitt beigegebene Bibliographie um faßt 19 Titel, darunter jedoch nur 6 selbständige Bücher. Dem nun folgenden, uns insbesonde e interessierenden Abschnitt über Deutschland sind 28 Seiten gewidmet. Die Autoren stellen zunächst den fast vollständigen Mangel an Fachliteratur fest; sie kennen nur eine kleine Monographie über die »Neuruppiner« und einige Aufsätze in der Zeitschrift des Vereins für Volkskunde. Die hauptsächlichsten Themata liefern der Soldatenstand, die Bauern, die Juden, die Schneider; mehr als in andern Ländern ist die Satire ausgeprägt. Die zehn Gebote Gottes, die verkehrte Welt, die sieben Schwaben, der Kinderfresser, der Hahnrei, der Pan- toffelheld, die Modetorheiten, die Lebensstufen und Jahreszeiten, die fünf Sinne sind ebenfalls beliebte Stoffe, daneben nehmen in späterer Zeit die belehrenden Stoffe, in erster Linie solche aus der Tierkunde, Erdkunde und Geschichte, an Bedeutung zu. — Die Bilderbogen der Briefmaler richteten sich anfänglich nur an die Erwachsenen; erst im achtzehnten Jahrhundert begegnen wir solchen für Kinder. Die bayrischen Städte Augsburg und Nürn berg, die bekanntlich jahrhundertelang Zentren des deutschen Buchgewerbes gewesen sind, waren bis zum Ausgang des achtzehnten Jahrhunderts auch die Hauptplätze der Bilderbogen fabrikation. Die Autoren nennen uns eine erhebliche Anzahl von Stechern, Buchdruckern, Papierfabrikanten, die daran be teiligt waren, darunter als die bedeutendsten die Augsburger Stecher Joh. Christoph Weigel (1654—1725), Albrecht Schmid (»Formchneider und Briefmahler«) aus der Mitte des acht zehnten Jahrhunderts, ferner die Augsburger Jeremias Wolfs Martin Engelbrecht, Joh. Martin Will. Zu den hervorragendsten' Nürnberger Verlegern gehören die Firma Joh. Andreas Endter' die schon 1689 existierte und noch 1830 neue Bilderbogenserien herausgab, ferner Joh. Georg Thurner (ca. 1760), I. P. Wolf, sel. Erben, Friedr. Campe, Renner L Schuster (später Ranaer L Co., G. N. Renners Erbe, I. C Nenner). In Münchner hat die Firma Braun L Schneider den Bilderbogen der größten Ver vollkommnung entgegengeführt. In der elsässischen Stadt Weißenburg befindet sich noch heute eine der hervorragendsten Bilderbogenanstalten, die von F. C. Wentzel im Jahre 1830 ge- gründet wurde. Sie hat für den Anschauungsunterricht Be deutendes geleistet und beschäftigte bereits um 1870 20 litho- graphische Pressen. Sie ist seit 1908 im Besitz von R. Ackermann. In Mainz hat die noch heute hochangesehene Druckerei von Joseph Scholz bis um 1830 die Bilderbogenherstellung in großem Umfang betrieben. Im letzten Jahrhundert dagegen haben die norddeutschen Städte den Süden weit überholt; in Halle lernen wir die Firma D. F. Gerlach kennen, in Magdeburg haben die Firmen John L Moser (»Neue Magdeburger Bilderbogen«) und Robrahn L Cie. Hunderttausende von Bilderbogen in die Welt hinausgesandt. Die Neuruppiner Bilderbogen sind wie die »Münchener« zu bekannt, als daß wir hier näher darauf einzu gehen brauchten. In ähnlicher Weise werden, wenn auch wesentlich kürzer, noch folgende Länder behandelt: Italien, Spanien, Rußland, Schweden, Österreich und die Schweiz (letztere beiden allerdings mit nur knapp einer Seite, da es an entsprechenden Vorarbeiten gänzlich fehlt). Ein Nachtrag, ein Verzeichnis der Illustrationen, nach Ländern und Städten geordnet, in dem die von den Original stöcken abgezogenen Bilder besonders gekennzeichnet sind, sowie eine Reihe von alphabetischen Registern nach dem Inhalt, den Titeln der besprochenen Illustrationen und den Druckorten, und vor allem ein ausführliches Verzeichnis sämtlicher Zeichner, Stecher und Verleger, die in dem Werke Vorkommen (rund 1000 Namen), beschließen die umfangreiche kulturgeschichtlich außerordentlich interessante Monographie, deren sorgfältige typo graphische Ausstattung den Stempel der geschätzten Antwerpener Kunstanstalt J.-E. Buschmann nicht verleugnen kann. Kleine Mitteilungen. Zeitungsjubiläum. — Das »Karlsbader Badeblatt« steht Heuer im sünszigsten Jahre seines Erscheinens und hat aus diesem Anlasse eine Sonderausgabe veranstaltet. Das stattliche Hest enthält einen Aussatz über den Werdegang des Blattes von Alsred Doroschkin, eine instruktive Arbeit »über die Kurmittel und Heilanzeigen von Karlsbad« aus der Feder des Stadtarztes v Fr. Kugler, einen mit vielen Illustrationen geschmückten