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ISO, 16. August 1927. Redaktionell« Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Die drei nächsten Räume (147—14S) dienen den wechselnden Ausstellungen »uz den graphischen Sammlungen des Museums, die neben HanLzeichnungen, Stichen. Holzschnitten, Radierungen und Lithographien (namentlich deutscher Meister) ein reiches Material an kulturhistorischen Blättern, Siädtcanslchten, Porträts und Volks trachten enthalten. Die Ausstellungen werden immer nach einheit lichen Gesichtspunkten gestaltet. In den letzten Jahren waren u. a. ausgestellt: deutsche Ornamentstiche des 15, bis 18. Jahrhunderts; die Landsch'aftsdarstcllung der deutschen Graphik des IS. bis 18. Jahrhunderts; Hans Sachs und seine Zeit; Llnienkunst der deutschen Romantik usw. Daß die Buchkunst und Graphik des IS. und 20. Jahrhunderts fehlen, erklärt sich aus der ganzen Anlage des Ger manischen Museums, das ja der Vergangenheit und ihren künstle rischen und kulturhistorisch wichtigen Äußerungen gewidmet ist. Von diesen Räumen aus müssen wir nun einen ziemlich schwie rigen Gang machen, um nach einem Zimmer zu kommen, das für den Buchgewerblcr vdn größtem Interesse ist. Es wird deshalb nicht so leicht zu finden sein, weil infolge der vielen kleinen Anbauten, die Direktor Esscnwcin, der Nachfolger des Freiherrn v. Ausseß. nach und nach um den alten Kern des Karthäuserklosters herumlegte, der Grundriß des Museums außerordentlich verzwickt, man möchte fast sagen unübersichtlich geworden ist. Unsere Mühe wird aber reichlich belohnt werden, wenn wir endlich den Raum 86 erreichen. Er dient der Darstellung des Mobeldruckes. wobei als Untergruppen der Zeug druck. der Holzschnitt und di« Back- bzw. Kuchenmodel formiert wur den. In der Mitte dieses Saales sind Druckpressen ausgestellt, die eine für Steindruck (1793), die ander« für den Buchdruck, die auch noch aus der Zeit vor der maschinellen Ausgestaltung des Druckes herrührt. Den wichtigsten Bestandteil des Raumes bildet in der rückwärtigen Fensterwandecke die Zeugdruckstube. -Sie ist ein Ge schenk der Familie G. Ebert. Ansbach. Als Reliquie aus einer längst vergangenen Zelt war sie in deren Fabrik fast ein Jahrhun dert lang gepflegt und gewartet worden, bis sich die Eigentümer dazu entschlossen, sie als ein kulturgeschichtlich bedeutsames Dokument, und zwar wohl als das einzige noch vorhanden«, der Allgemeinheit zugänglich zu machen.« So kam sie denn mit ihren alten Druck- tlschen, mit Spann- und Aufwickelvorrichtung, den Stippkästen sür die Farbe, dem Geräte für den Druck und Len Holzhämmern zum Auf trägen der Farbe auf den Stoff und mit ihrem reichen Vorrat an Modeln hierher. Die Technik an sich ist ja uralt, sicherlich so alt wie die Weberei selbst und soll von den Indern erfunden worden sein, die schon frühzeitig in der Herstellung von Stoffen Meister gewesen sind. Die hier ausgestellte Zeugdruckfabrlk diente vor allem der Be friedigung der Bedürfnisse der umwohnenden Landleute. Diese brachten ihre selbstgewebten Stoffe in die Stadt, trafen ihre Wahl nach den ihnen vorgelegten Mustern und holten die fertig bedruckten Stoffe nach einiger Zeit wieder ab. Man unterschied drei Verfah ren: das Olbruckverfahren (verwendbar für alle Stoffe), das Wachs- druckvcrfahren (verwendbar nur für reine Baumwolle ober reines Leinen) und das Dampsdruckverfahren (nur für reinwollene wert vollere kräftige und schwer« Stoffe). Welch wunderbar« Wirkungen damit erzielt wurden, sehen wir an den ausgestellten Proben, von denen ich hier nur einige, ganz besonders reizvolle nennen kann: ein Fasten- oder Hungertuch (um 1470), ein Kissenüberzug mit höfi schen Schäferszenen (18. Jahrhundert) und ein hessisches Hungertuch aus dem 17. Jahrhundert. Auffallend ist der starke Kontrast zwischen dem Wenig an der Darstellung oder dem Ornament in älterer Zeit und dem Viel in späterer Zeit. — Nicht minder interessant ist die Sammlung der Originalholzstöcke. Schon früh fing das Germanische Nationalmuseum an, solche zu sammeln. Durch zahlreiche Schen kungen ist diese Sammlung jetzt wohl die größte, die wir in Deutsch land überhaupt besitzen, es sollen nicht viel an 3000 fehlen. Natür lich konnten nur einige Proben mit Abdrücken ausgestellt werden, die aber einen guten Überblick über die Holzfchn-lttkunft vom 15. bis 18. Jahrhundert ermöglichen. Der älteste Holzschnitt ist eine um 144l> zu datierende Kreuzigung, der späteste ein Zug der 18SS eröff- neten ersten Eisenbahn Nürnberg—Fürth. Dt« Originalholzstöcke find zum Teil recht gut erhalten, sodaß sie selbst heute noch nach Jahr hunderten zum Abdruck benutzt werben können. Neuerdings brachte das Museum selbst einige Stöcke des 15. und IS. Jahrhunderts ln einer kleinen Liebhaberpublikation zum Abdruck, und einzelne alte Hvlzstöcke sind auch in den Veröffentlichungen des -Verlags der Münchner Drucke» in München benutzt worden. Der -Katalog der tm Germanischen Museum vorhandenen zum Abdruck bestimmten Holzstöcke- ist leider vergriffen, dagegen ist der Atlas dazu noch zum Preise von 5.— Mark zu haben. Zusammenfassend darf gesagt wer- dm, daß diese Sammlung uns nicht nur einen Einblick ln die Technik und Kunst des Holzschnittes der verschiedenen Jahrhunderte tun läßt, sondern auch kulturgeschichtlich hochinteressant ist. Im gleichen Raum 1008 ist dann noch ein« Reihe von Backmodeln ausgestellt, sowohl solche aus glasiertem und unglasiertem Ton als auch solche in Holz ge schnitzte des 18. und 18. Jahrhunderts. Daß sich auch ln anderen Räumen des Museums hier »ud da den Buchhändler und Buchgewerblcr interessierende Stücke finden, sei der Vollständigkeit halber mit erwähnt, so z. B, Siegelstempel vom 12, bis lg, Jahrhundert lRaum 48), Kalender, Landkarten (102), Gesellen- und LehrlingSdriefe, Hanbwerksordnungen und Mei sterbücher (101), dt« Entwicklung der Noten u. a. Alles das, was bisher ausgezählt und angedeutet wurde, sind nur verschwindend kleine Proben jener umfangreichen Sammlungen, die ln einem besonderen Gebäude in der Unteren Grasergasse unter gebracht find. Es sind dies das Kupferstichkabinett. die Bibliothek und das Archiv des Germanischen Museums. Sie sind zwar dem all gemeinen Besuche weniger zugänglich, werden aber dem Interes senten in liberalster Weise geösfnet. Das K up s e rst i chk a bi n e tt besteht aus zwei völlig getrenn ten graphischen Sammlungen, derjenigen der Stadt und der eigent lichen Museumssammlung. Die «rstere birgt vor allem Nürnberger Material: Kupserstiche, Holzschnitte, Handzeichnungen, von Dürer, den Klelnmeisiern und aus den folgenden Jahrhunderten. Die Mu seumssammlung umfaßt zwei Teile, ein« Sammlung von Kunstblät tern und «ine solche von graphischen Erzeugnissen, bei denen der Kunstwert mehr zurücktritt und die kulturgeschichtliche Bedeutung im Vordergrund« steht. Dazu kommt dann noch ein gleichfalls nach Hunderitausenden von Blättern zählendes Bilderrepertorium, Nur die hervorragendsten Zweige der Museumssammlung kann ich hier andeuten: Holzschnitte und Kupferstiche aus der Frllhzeit dieser Künste, Inkunabeln des Steindrucks, historisch« Blätter, Exlibris, Blsmarckkarikaiuren und vieles andere. Fast alle dies« Sammlungen stehen in Deutschland unübertroffen da. Über die reichen Bestände der Bibliothek, die sich allmäh lich zu einer ganzen Gruppe von Bibliotheken und Kupserstichsamm- lungen ausgewachsen hat. auch nur andeutungsweise zu schreiben, würde viele Seiten aussülleu. Nur ganz weniges sei hier ausgezählt: zahlreiche kostbare Miniaturhandschristen, Tausende von Drucken des 15, und-18, Jahrhunderts, unter denen sich z, B. sämtliche 13 vor- lulherische deutsche Bibelausgaben befinden, Volkslieder-Einzeldrucke, selten« Liedersammlungen, Flugschriften. heraldische Kunstwerke, Wappeubriefc und dergleichen. Zum Schluß sei noch vielleicht ber kostbarste Schatz der Bibliothek genannt: Richard Wagners eigen händig geschriebene Partitur der »Meistersinger von Nürnberg- aus- Köulg Ludwig II- Besitz (ein Geschenk des Prinzrcgcnten Luit pold von Bayern). Daß das Archiv ebenso reichhaltig ist. versteht sich von selbst. Es enthält heute Uber 15 000 Pergamsnturkunden, unter denen die früheste eine-Kaiserurkunde von Ludwig dem Kind aus dem Jahre 808 ist, dazu zahlreiche Papierurkunden. Akten und Urkunbenbiicher, wie denn insbesondere auch ber Entwicklung der Papiererzeugung frühzeitig nachgegangen und ihre Geschichte von charakteristischen Denkmälern und Proben aufziizeigen versucht worden ist. Von besonderer Bedeutung sind zahlreiche Kaiserirrkunden', Akten von Kulmbach, Rcgensburg, Schweinfurt u, a,, Tausende von namentlich kulturhistorisch Interessanten Briefen vom 15, bis 18, Jahrhundert und Aittographen, Alles in allem: Für den Buchhändler, Buchgewerblcr und Bücherfreund ist es wohl ber Mühe wert, das Germanische Muselnn zu besuchen. Er wird außerordentlich bereichert von ihm zurllck- kehren. Aus den Kantatetagen des Jahres 1853. Bei Studien in den Akten des Germanischen National- mufeums in Nürnberg kam mir ein Schreiben aus dem Früh jahr 1853 zu Gesicht, bas wegen der darin enthaltenen interessanten Schilderungen und der Äußerungen damals führender Persönlich keiten des deutschen Buchhandels gerade in den Spalten des Börsen blattes wohl veröffentlicht zu werden verdient. Die in diesen Tagen, am 17. und 18. August, stattfindende Feier des sllnfundsicbzigsährigen Bestehens des Museums dielet dazu einen besonders willkommenen Anlaß, da der erwähnte Brles die Ausnahme seiner ersten Be ziehungen zum deutschen Buchhandel betrisst. Nachdem das Museum nämlich aus der Versammlung deutscher Geschichis- und Altertumssorscher, die vom 16,—18, August 18S2 unter dem Vorsitz des damaligen Prinzen und späteren Königs Jo hann von Sachsen In Dresden, im Lokal des Sächsischen KunstvcreinS, stattsand, seine osfizielle Gründung erfahren halte, war der erste Vorstand Hans Freiherr von und zu Ausseß unermüdlich bestrebt, seiner nach jahrzehntelangen Bemühungen endlich in» Leben gelretc-