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ISO, 16. August 1927. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchr,-nd«1. Bereits Ziffer 1 erregt Bedenken. Wo ist die Grenzscheid« zwischen kritischen und polemischen Arbeiten, und vollends was bedeutet der Ausdruck -Analyse-? Dieses Wort schlicht aus, daß es sich um die wortgetreue Entlehnung handelt; es scheint vielmehr «ine Inhaltsangabe zu bedeuten, etwa im Sinne des 8 11 Abs. 1 Satz 3 L.U.G., wonach der Urheber, solange nicht der wesentliche Inhalt dieses Werkes öffentlich mitgeteilt ist, ausschließlich zu einer solchen Mitteilung befugt ist. Andern falls geht aber der Ausdruck »Analyse» nach deutschem Sprach gebrauch über eine Inhaltsangabe hinaus, verlangt ein eigenes Nachgraben und Zergliedern des Werkes, um daraus das Wesentliche herauszusinden, setzt also ein eigenes selbständiges Schassen voraus, sodaß diese Tätigkeit nicht als eine Entleh nung (im weitesten Sinne) zu verstehen ist. Andererseits aber ist zu fordern, daß es sich bei dem Werke, in das das Zitat aus genommen werden soll, um eine selbständige Arbeit handelt, da nur diese und nicht schon eine Bearbeitung eines anderen Werkes die Benutzung eines anderen Werkes rechtfertigt. Noch weniger kann die Beckmesserei der Ziffer 2 gefallen, wo also >di« Zulässigkeit der Benutzung rein ellenmäßig abge messen wird, ein Standpunkt, den bekanntlich der srühere Preußische Sachverständigen-Verein eingenommen hat, der aber von der deutschen Gesetzgebung überwunden ist. Es wird also nach dem Vorschlag der Association von einem Zufall abhängen, welche Aufnahme gestattet ist, nämlich davon, wie der Druck in der Originalausgabe angeordnet ist. Ob übrigens ein Kunst werk in eine Chrestomathie, Anthologie oder ein Unterrichtswerk ausgenommen werden darf, ist nicht gesagt, da die Entlehnungs grenze sich auf Text bzw. Notenseiten bezieht. Dies« Bestim mungen müssen fallen, Es muß genügen, sestzusetzen, daß ein zelne Arbeiten von geringem Umfange oder einzelne Gedichte oder kleinere Teile eines Werkes bzw. einzelne Nachbildungen von Kunstwerken in solche Werk« ausgenommen werden. In Ziffer 3 sind Werke der Malerei gänzlich übersehen wor den. Auch erscheint es recht unpraktisch, hier zu den Begriffen von -Veröffentlichung- und »Erscheinen» (Art. 4 Abs 3 R.B.Ue.) noch «inen neuen, dazu ziemlich farblosen Begriff einzusühren. Wenn hier statt der kritischen und polemischen Arbeiten (wie in Ziffer 1) nur die kritischen erwähnt werden, dürfte das Wohl auch bei Ziffer 1 am Platze sein. Ganz abzulehnen ist aber der Hinweis auf rin Autoren honorar für Wiedergaben seiner Werke nach Ziffer 3 und 4. Höchstens könnte man für Medergaben in Chrestomathien und Anthologien di« Zustimmung des lebenden Urhebers fordern. Zu b. Werke der Kinematographie (Art. 14). Für bas Kinematographenrecht lag ein ausführliches Referat vor, das entgegen den vielfach in der belgischen und französischen Wissen schaft ausgesprochenen Ansichten und im Einklang mit der deut schen Wissenschaft zu dem Ergebnis kam, daß ein Film, dem eine immaterielle Kombinationsidee nicht zugrunde liegt, nicht schutzfrei ist, sondern als Werk der Photographie geschützt ist. Dagegen wurden die weiteren Ergebnisse dieses Referats, daß am Film ein Gesamturheberrecht bestehe, und zwar des a-uteur initial, des sesnarisls und des rssUsateur, von der deutschen Lrn- desgruppe als unklar und praktisch unhaltbar bekämpft und dank dieser Opposition abgelehnt. Die neu« Fassung bringt diese Rechtsnorm zum Ausdruck, sie läßt die Frage, wer der geistige Schöpfer des Films ist, offen, überläßt deren Lösung somit der Rechtsprechung oder Ge setzgebung der Einzelländer. Zu 6. Während der Berner Vorschlag die rückwirkende Kraft auf alle Werke ausgedehnt wissen will, für die die Ur- heberrechtssrist noch nicht abgelaufen war, auch wenn ältere und kürzere Schutzfristen bereits abgelaufen waren, wollte der Be schluß von Lugano diese Retroaktivität nur für die Schutzfrist gelten lassen, sodaß es also unklar ist, ob ein Werk, für das, weil bisher vom Urheberrechtsschutz nicht erfaßt (so z. B, in einigen Ländern das Kunstgcwerbe), eine Schutzfrist überhaupt nicht lausen konnte, jetzt geschützt wird. Der klare Wortlaut des Berner Büros ist also dem Vor schläge der Association vorzuziehen. Da es nach beiden Vor schlägen jedem Verbandsstoate gestattet ist, abweichende Bestim mungen zu treffen, sind die Vorschläge von keiner erheblichen praktischen Bedeutung. Zu 7. Der Fortfall aller Vorbehalte (Deutschland ist eins der wenigen Länder, die keinen Vorbehalt bei der Ratifikation der R.B.Ue. gemacht haben) ist der Wunsch aller an der Ent wicklung des internationalen Urhcberrechtsschutzes Interessierten. Das Germanische Nationalmuseum in Nürn» berg. Seine Bedeutung sür Buch- und Druckgewerbe. Von Kr, W, PolIin - Aschersleben. Ami 17. und 18. August seiert das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg das Fest seines 78jährigen Bestehens. Da dürfte -S angebracht sein, einmal auf das hinzuweisen, was es für all« am Buche Mid am Druck Interessierten birgt. Die Fülle dieses Mate rials ist geradezu unübersehbar. Wenn man sich allerdings nach dem Amtlichen Führer richten würde, so wäre ein Besuch kaum lohnend: denn auf seinen WO Seiten wird unser Gebiet mit 8 Zeiten abgetan: »Die Säle 148—148 sind der Darstellung der Entwicklung der Schrift und des Druckes gewidmet. Auch werden hier Schretbkunststück«, wertvoll! alte Buchelndände und wechselnde Ausstellungen aus den Beständen der Vereinigten Graphischen Sammlungen des Museums und der Stadt Nürnberg gezeigt». Das sind ungefähr soviel Zeilen, wie man sie auch einer Truhe, einem- Zinngefäß, einem Kachelofen und dergleichen gewidmet hat. Und doch ist das Material unseres Gebietes so groß, daß eine eingehende Besichtigung dieses Teiles der Sammlungen Wochen er fordern würde. Für den Buchhändler und den Buchgewerbler ist der Hinweis wichtig, daß erst die allerletzten Säle des Museums sür sie in Betracht kommen, wenn sie Fachstudien treiben wollen, Mau benutzt den Haupteingang am Kornmarkt, durchschreitet die Ehren halle und geht sofort die Haupttreppe hinaus durch die Räume 133, 134 und 144 und kommt dann in die Zimmer, die der Schrift, dem Druck und dem Buche Vorbehalten sind, Raum 148 ist hauptsächlich der Schrift gewidmet. Wer Schrift und Schristentwicklung studieren will, findet hier ein großes will kommenes Material. Die ausgelegten Urkunden beginnen mit einem Vertrage vom Jahre 886. dem sich eine Reihe von höchst wichtigen Schriftstücken anschließt. u. a. auch deutsche Kaiserurkunden, zahl reiche Schriftproben des Mittelalters sowie Schreibproben des IS. Jahrhunderts (Originale von Melanchthon, Wallenstein, Gustav Adolf, Dürer, Neudör-sfer u. v, a,>. Dann folgt eine Anzahl von kostbare» allen Handschriften, Man weiß nicht, was man daran mehr bewundern soll, di« Pracht der Ausstattung oder den Fleiß des Schreibers, die Leuchtkraft der Farben oder die zierliche Schrift, Glücklicherweise liegt über di« Bestände dieser Sammlung ein aus führlicher Katalog vor. Wir erfahren daraus, baß die Anlage der Miniaturensammlung in die ersten Jahre des Bestehens des Germa nischen Museums zurllckgeht. Auf den Nürnberger Pergamentmärk ten hat Krh, v, Ausseß manches schöne Pergamentblatt erstanden. Diese Sammeltätigkeit ist bis heute fortgesetzt worben, und so bietet die Sammlung «inen ausgezeichneten Überblick über die Entwick lungsgeschichte der mittelalterlichen Miniaturmalerei In Deutschland, Krb, v. Ausseß erkannte aber auch, daß neben dem Inhalt der Handschriften und alten Drucke, bi« von ihm so zahlreich gesammelt wurden, auch der Einband für eine Sammlung von größtem Werte sein kann. Das wurde von manchen Bibliothekaren der damaligen Zeit nicht erkannt. Er legte den Grundstock zur Sammlung der Buch einbände, über die auch ein ausführlicher Katalog vorliegt, der aber leider zurzeit vergriffen ist. In Raum 14S finden wir eine Reihe von Bucheinbänden, die eine säst lückenlose Übersicht über ihre Ent wicklung geben. Besonders bemerkenswert ist ein kleines in Wildleder gebundenes Brevier, dessen Einband eine Art Beutel- bildet, der dazu diente, das Buch am Gürtel zu befestigen. Solche Buchbeutel sind ziemlich selten. — Aus das Nutzere des Buches folgt das Inner«. Wir sehen Frühdrucke aus der Ossizin Fust und Schösser, Mainz, die Schedetsche Weltchronik, Das Leben der Heiligen (bet Koberger ln Nürnberg 1488 gedruckt), eine 1824 in Nürnberg gedruckte Luther bibel mit Holzschnitten von Schön und Springinklee, den »Teuer» dauk» u. v. a. 1097