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Redaktioneller Teil. .Ä 43, 22. Februar 1915. Freude bereiiel werden konnte, als durch ein Danteblatt, so stell ten sich neben den Berufenen und von Dantes Geist Inspirierten auch manche Unberufene ein. Daß Ludwig Richter, der doch nichts Infernalisches an sich hatte, vertreten ist, mag hingehen, andere sind schlimmer! aber das Gute ist doch bei weitem über wiegend, so daß sich dem Kenner ein hoher Genuß bietet. Hier bei sei eines vor einigen Jahren verstorbenen Mannes gedacht, den ich durch diese Sammlung kennen lernte und mit dem ich mich in der Schätzung der künstlerischen Seite der »vivina Oom- meckia« begegnete. Ein längeres Dante-Gespräch in seinem kunst sinnigen Dresdner Heim ist mir noch in angenehmster Erinnerung. Er hatte einen Teil der Schätze, die in der Sammlung des ge lehrten Königs ruhen, in seinem, im Buchhandel jetzt vergriffe nen Bilderwerk »Dante in der deutschen Kunst« gehoben. Es war der italienische Vizekonsul in Dresden, Baron Locella, dem hier ein bescheidener Kranz der Erinnerung niedergelegt sei. Die höchste Anziehungskraft übt doch immer wieder die Kö nigliche Galerie mit ihren unermeßlichen Schätzen aus; ihrer Betrachtung einige ruhige Stunden widmen zu können, ist ein Genuß, der durch keinen anderen in Dresden ausgewogen wird. Auch hier ist einiges Neues zu berichten. Mit gutem Erfolg hat die Direktion seit mehreren Jahren eine Neuordnung eingeleitet, durch die ganz überraschende Wirkungen erzielt worden sind. In dem Kuppelsaale 8, neben dem die schmale Treppe zur moder nen Galerie im zweiten Stockwerk hinaufführt, sind nur sechs von den nach Raffaels Kartons in England gefertigten Teppichen be lassen, die den Raum unter der hohen Glaskuppel in künstlerischer Weise abschließen. An den Wänden aber hängen ganz hervor ragende, sorgfältig ausgewählte Werke der italienischen Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts von Lima da Conegliano, Palina Vecchio, Tizian u. a., so daß sich der Besucher an die Tribuna in den Uffizien erinnert fühlt. Durch die hohe Glaskuppel, die wohl bis zu ihrer Spitze dem Raume eine Höhe von 15 bis 20 Metern gibt, fällt das Licht gedämpft herein und bringt diese farbensatten Meisterwerke zu schönster Wirkung. Bei keinem aber tritt diese Wirkung mit solcher Kraft hervor, wie bei Gior- giones Schlummernder Venus, die, nach des Dichters Worten, »züchtig, schamhaft, ohne Hülle, in der Schönheit Götterfülle« zu leben und zu atmen scheint. Man hat dem herrlichen Bilde mit Recht die vornehmste — man kann Wohl mit Rücksicht auf Tizians »Zinsgroschen« und Mantegnas »Heilige Familie« sagen eine heilige Umgebung geschaffen und hierdurch die Keusch heit dieses in vollkommener Nacktheit ruhenden Weibes hervorgehoben, da es wie kaum ein anderes ein hoher Lied auf die Schönheit des weiblichen Körpers ist. Niemals ist es mir so klar geworden, wie hier, wo jeder niedrige Gedanke aus geschlossen ist, was es mit der Sittlichkeit in der Kunst auf sich hat und wie sehr es darauf ankommt, ob man ein würdig auf gestelltes Original im Museum oder eine auch noch so gute Re produktion vor sich hat. — Auch über die von streng wissenschaft lichen Grundsätzen geleitete Neuordnung der deutschen Meister, die manchem Werk erst zu seiner rechten Bedeutung verhilft, wäre manches in lobendem Sinne zu sagen. Weniger günstig schneidet die moderne Sammlung ab, in der eine Ordnung bisher aus Mangel an Raum nicht möglich war, doch wird dem Übelstaude hoffentlich durch den, bereits in diesen Tagen als Notstandsarbeit begonnenen Erweiterungsbau der Galerie abgeholfen werden. In einem Saale sind die Neuerwerbungen der letzten Jahre ver einigt, von denen das Porträt des Freiherrn von Berger als eins der besten Stücke der Kunst Max Liebermanns hervorgchoben sei. Daneben bilden drei Porträts des hauptsächlich in Dresden tätig gewesenen Ferdinand von Rayski einen wertvollen Zuwachs. Von den beiden Werken Hans von Maröes' ist das Selbstporträt in japanischem Mantel zu nennen, unter den übrigen Erwerbun gen fällt ein großes, allzu großes und stellenweise mattes Still leben von Schuch auf, eine Schenkung des Dresdner Museums- vercins, der bei dieser Erwerbung nicht besonders gut berate» lvar. Während des Krieges birgt die Galerie einen Schatz, der hierher geflüchtet und, teilweise ausgestellt, an zwei Tagen der Woche dem Publikum zugänglich ist. Es sind etwa 30 Gemälde und eine Anzahl kostbarer deutscher und altniederländischer 222 Wandteppiche aus der Sammlung des Fürsten Czartoryski in Krakau, der im Heere unserer Verbündeten gegen Rußland kämpft. Zur Warnung mag das Schicksal des Ossolinski-Mufeums in Lemberg gedient haben, aus dem die Russen in diesem Kriege 1034 Gemälde, 24 000 Radierungen und 5000 kostbare Handschrif ten nach Petersburg entführt haben sollen (laut einer in der Neuen Freien Presse bereits im Dezember gegebenen aussühr- j lichen Mitteilung). Es ist hier nicht der Ort, auf den Inhalt der Czartoryski-Sammlung im einzelnen einzugehen, die zwar viel Gutes enthält, wie z. B. die Landschaft mit dem barmherzigen Samariter von Rembrandt, ferner zwei Porträts von Bartholo mäus van der Helft u. a., die aber im allgemeinen mit den Schät zen der Galerie nicht zu vergleichen ist. Nur ein Bild ragt ganz erheblich in der Qualität hervor, das Bildnis eines jungen Man nes, gemalt von Raffael etwa im Jahre 1516. Die Schönheit dieses Werke, sowohl in der Darstellung des Sujets wie in der koloristischen Behandlung, ist so bezwingend, daß dieses Bild allein eine Reise nach Dresden verlohnt. Das Porträt wurde von dem großen Kunstmäcen, dem Fürsten Adam Czartoryski, im Jahre 1807 in Venedig erworben. In dem Skizzenbuch, das van Dyck in den Jahren 1621—27 in Italien anlegte und in dem sich auch eine Zeichnung nach Tizians sogenannter »Himmlischer und irdischer Liebe« befindet (publiziert von Lionel Cust, Lon don, 1902), ist auch dieses Bild in seiner charakteristischen An ordnung zu erkennen. Eine große Literatur existiert hierüber, wie es bei einem Werke von solcher Qualität nicht zu verwun dern ist, die zum Teil in dem Bande »Raffael« von Georg Gronau in den »Klassikern der Kunst«, 4. Auflage, Seite 240, angeführt ist. Früher glaubte man ein Selbstporträt Raffaels darin sehen zu können (vgl. den Kupferstich des Pontius), dann wieder schrieb man es wegen der Ähnlichkeit in der Anordnung mit der »Doro thea« im Berliner Kaiser Friedrich-Museum dem Sebastians del Piombo zu. Wer es auch gemalt hat, er hat in dieser edlen ju gendlichen Erscheinung mit dem langherabwallenden Haar, dem lebensfrischen Inkarnat des Halses und Brustansatzes, dem keck nach hinten geschobenen Barett, dem über die Schulter gelegten Leopardensell, an dem die vomehme linke Hand beschäftigt ist, während der rechte Arm auf einem Tische aufliegt, ein unver gängliches Meisterwerk geschaffen. Von wechselnden Ausstellungen sah ich nur die des Sächsi schen Kunstvereins (Brühlsche Terrasse) und der Galerie Arnold (Schloßstratze). Beide hatten dem Geist der Zeit Rechnung ge tragen, indem sie ausschließlich Werke sächsischer und besonders Dresdner Künstler zum Verkauf stellten. Sehr erheblich dürfte freilich bei den sparsamen Zeitläuften der Erfolg nicht sein, dar um ist es eine erfreuliche Beihilfe, daß das Sächsische Ministerium eine Anzahl Werke zur Unterstützung der Künstler angckauft hat. Nur sollte sie diese (gegen deren Qualität ich jedoch hiermit nichts gesagt haben will) nicht als Geschenke für Museen, sondern zur Ausschmückung staatlicher Gebäude verwenden. Manches hat mich im einzelnen interessiert, worüber ich aus Raummangel hier nicht berichten kann; nur eines Bildhauers will ich gedenken, dessen Werke ich in der Galerie Arnold sah und der am 20. September, mit dem Eisernen Kreuz geschmückt, den Heldentod fürs Vater land starb. Es ist Oskar Döll, früher ein Schüler von Ignatius Taschner in Breslau, dann von Georg Wrba in Dresden, der durch mehrere vortreffliche und eigenartig stilisierte Arbeiten (so ein Kriegerdenkmal für Dippoldiswalde) zu großen Hoffnungen berechtigte, die nun mit ihm zu Grabe getragen sind. Dies legt uns eine auch von Prof. Ehrcnberg (Münster) kürzlich in der Frankfurter Zeitung ausgesprochene Mahnung nahe, mit unseren künstlerischen Talenten nicht allzu verschwenderisch umzugehen, sonst könnte gerade diese Seite des Krieges als Zerstörers unserer Kunst Verluste bringen, deren Schwere gar nicht zu berechnen ist. Ruft der Tod auf blutigem Gefilde manchen Künstler heute aus der Bahn, so mutz uns mit dem kürzlich erfolgten Ableben Justus Brinckmanns in Hamburg der Gedanke versöhnen, daß sein Lebenswerk abgeschlossen vor uns liegt, zu dem er 1877 in der Begründung des Hamburger Museums für Kunst und Ge werbe den Grundstein gelegt hat. Ich muß mir die Würdigung dieses an Erfolgen reichen Lebens für einen der nächsten Auf sätze Vorbehalten und verweise heute nur auf das schöne litera-