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54, 8. März 1910. Nichtamtlicher Teil. dem Werke selbst die größtmögliche Verbreitung zu verschaffen; sie nahmen daher oft junge Studenten oder Literaten in ihren Dienst, die diese Werke zu den bloßen Druck- und Papierkosten verkauften Das war der Weg, auf dem sich der russische Buch handel allmählich zu seiner gegenwärtigen hohen Stellung ent wickelt hat. »Obwohl die Mehrzahl meiner Kunden Bauern, kleine Beamte und Lehrer waren«, führte Herr Narodny weiter aus, »so führte ich doch nur Bücher von höherem literarischem Rang- Ich verkaufte zumeist Biographien, Dramen, Abhandlungen und bessere Romane, bezweifle aber, ob ich im Lauf eines Jahres auch nur zwanzig sensationelle Liebesgeschichten oder andere Boulevard-Geschichten verkaufen konnte«. Die beliebtesten russischen Bücher waren zu seiner Zeit die Novellen von Tschekoff, Turgenieff und Sschtschedrin, die Romane Dostojewskis, die Gedichte Puschkins und Lermontoffs, die Dramen Gogols und die philosophischen Abhandlungen Tolstois; von ausländischen Dramatikern waren Ibsen, Lessing, Hauptmann und Maeterlinck am meisten begehrt. Im übrigen gibt es wohl keine russische Provinzstadt, in deren Buchhandlung nicht die Werke von Goethe, Shakespeare, Schopenhauer, Victor Hugo, Poe, Emerson und anderen Größen der europäischen Literatur anzutreffen wären. Die russischen Bücher werden zumeist im Papierumschlag, also ungebunden, veröffentlicht. Der russische Leser liebt im allgemeinen den Verlegerband nicht, da er sich die Bücher lieber nach seinem persönlichen Geschmack binden läßt; Jugendbücher, Klassiker usw. lassen sich wohl gebunden verkaufen, Bücher un bekannter Verfasser aber nur schwer. Ein russischer Verleger glaubte einmal ein besonders gutes Geschäft machen zu können, indem er Mark Twains Werk außer im Papierumschlag auch in einem dem englischen Original nachgeahmten Einband heraus gab; nachher verkaufte er von der ungebundenen Ausgabe drei Auflagen, während ihm die gebundenen Exemplare auf dem Lager blieben. Auch Illustrationen in Werken der Erzählungsliteratur sind beim russischen Publikum im allgemeinen nicht beliebt, da es des Glaubens ist, daß nur ein phantasieloser Geist solcher Unter stützungsmittel bedürfe; doch sind Prachtausgaben mit künstlerisch wertvollen Illustrationen, Jugendbücher, Reisebeschreibungen, tech nische Werke und anderes dieser Art von dieser Abneigung selbst verständlich ausgenommen. Der russische Verleger zeigt seine Neuerscheinungen in der Regel nicht in Zeitschriften an. Er gibt vielmehr jährlich einen Katalog seiner Bücher heraus und schickt diesen den Sortimentern zu, denen die Hauptarbeit zur Verbreitung der Bücher zufällt; doch sind Besprechungen in Zeitungen und Zeitschriften, in litera rischen Gesellschaften u. s. w. natürlich auch in Rußland viel angewandte Mittel, um die Aufmerksamkeit des Publikums auf Bücher von besonderen Qualitäten hinzulenken. Immerhin liegt die Hauptarbeit und die Entscheidung über den Erfolg eines Buches beim Buchhändler. »Ein russischer Buchhändler«, so faßte Herr Narodny seine Erfahrungen zusammen, »ist ein hochgebildeter Mann, und es liegt bei ihm, ob er ein Buch verkauft oder unbeachtet läßt. Anzeigen, feindliche Besprechungen und ähnliche in diesem Lande (den Vereinigten Staaten) übliche Geschäftstricks würden keinem Buche Erfolg verschaffen können, wenn der Buchhändler es für literarisch wertlos hält.« Die russischen Buchhändler sind oft die unsichtbaren Finger der geheimen Bewegungen in Rußland und ihre Läden sind die geistigen Fenster, durch die die unterdrückten Russen einen Schein jener Freiheit und Gesittung bekommen, die bisher für sie ein Traum geblieben ist. (Nach: »?ubli8llsr8' zVssIrl^«) Ausstellung biblischer Wandbilder in München — In den Tagen vom 13. bis 16. März findet in den Sälen des Hotel »Union« in München die Ausstellung einer Bilder-Serie statt, die für Reproduktionen zur Herstellung biblischer Wandbilder als Unterrichtsmittel für den Religionsunterricht bestimmt sind. Die Bilder sind von Professor Gebhard Fugel, einem der hervorragendsten Vertreter moderner christlicher Kunst, in der Größe 60x80 ein polychrom in Gouache-Manier ausgeführt und umfassen 24 biblische Stoffe aus dem Alten und Neuen Testa ment. Der Verlag der Jos. Kösel'schen Buchhandlung in Kempten, in dessen Auftrag die Bilder hergestellt wurden, be absichtigt mit der Ausstellung dieser Kunstwerke neben der Be kanntmachung in Münchener Schul- und Buchhändlerkreisen auch Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 77. Jahrgang. die Vergebung der Reproduktionsrechte an diesen Bildern für das Ausland und hat zu diesem Zwecke renommierte Vertreter der ausländischen Buch- und Kunsthandlungen zur Besichtigung der Ausstellung eingeladen. * Zum Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb Bortrag. — Der Deutsche Verein für den Schutz des gewerblichen Eigen tums hält am 10. d M., abends 8 Uhr, im Saale der Nichtigkeits abteilung des Kaiserlichen Patentamts, Berlin 8W., Gitschiner- straße 97, eine Versammlung ab. Herr Justizrat vr. Fuld-Mainz wird einen Vortrag halten über: »Die Bedeutung des Wett bewerbsgesetzes für die Warenbenennung«. Der Zutritt ist frei. * Posener Provinzial - Buchhändler - Verband. — Die diesjährige ordentliche Hauptversammlung des Posener Pro- vinzial-Buchhändler-Verbandes findet am Sonntag den 13. März, 12»/, Uhr, in Posen im Restaurant »Kaiserkeller« (Raiffeisenhaus, Am Berliner Tor 20/21, unweit des Bahn hofs) statt. * Postscheckkonten. (Vgl. Nr. 50,62 d. Bl.) — Weiter gemeldete Postscheckkonten: Firma: Postscheckamt: Konto-Nr.: Bial L Freund Breslau 578 K. G. Th. Scheffer Leipzig 6100 * Das österreichische HaudlungSgehilsen-Gesetz. — Herr Friedrich Schiller (in Firma Moritz Perles, k. u. k. Hofbuch handlung in Wien) hat soeben im Verlag seines Hauses eine vorzügliche Ausgabe des Handlungsgehilfengesetzes vom 16. Januar 1910 erscheinen lassen. Das Gesetz tritt bekanntlich am l. Juli 1910 in Kraft und enthält für alle Handeltreibende wichtige und tief einschneidende Bestimmungen. Die von Herrn Schiller besorgte Ausgabe, die sich eine populäre Handausgabe für Dienst geber und Dienstnehmer nennt, ist durch Auszüge aus den Be merkungen der Regierung zu dem Entwurf des Gesetzes, aus dem Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses des Abge ordnetenhauses und aus dem Bericht der vereinigten volkswirt schaftlichen und juridischen Kommission des Herrenhauses er läutert. Die typographische Anordnung ist sehr gelungen und ge stattet eine schnelle, bequeme Übersicht. (Osterr.-Ungar Buchhändler-Correspondenz.) * Nationalbibliothek in Paris. — Im Amtsblatt ver öffentlicht der Administrator der Nationalbibliothek Henri Marcel seinen Bericht über den Stand und die Tätigkeit der National- Bibliothek in Paris im Jahre 1909. Darin ist u. a. einer wesentlichen Verbesserung Erwähnung getan. Im großen Arbeitssaale braucht man gegenwärtig nur noch höchstens 15 Minuten auf die Beschaffung der verlangten Bücher zu warten, was früher eine halbe Stunde und oft noch länger dauerte. — Die Abteilung der Drucksachen empfing aus dem Arbeitssaale 187 225 Gesuche und verlieh in Ausführung der selben nicht weniger als 576 353 Bücher. Unter den Erwerbungen der genannten Abteilung befanden sich ein Exemplar der vollstän digen Ausgabe der in London erschienenen Werke Oskar Wildes und »1.6 Nirousr äs la. IVloit« in Niederbretonisch, ein im Jahre 1575 im Kloster von St. Francois de Cuburien gedrucktes Unikum. — In der Abteilung der Manuskripte wurden 40 027 Gesuche em pfangen und 69 202 Handschriften ausgeliehen. Diese Abteilung 15. Jahrhundert; die »Ltatuts äs8 ?snitsnt>8 noir8 ä'^vi^non«, Hand schriften der schwarzen Pönitenziermönche in Avignon aus dem 16. und 16. Jahrhundert, und das »Oartulairs äs 1'univsr8its äs 1ouIou8e« aus dem 16. Jahrhundert. Zu den hervorragendsten Geschenken, die die Bibliothek erhielt, gehört die von dem Forschungsreisenden Pelliot aus Asien mitgebrachte, groß artige Sammlung chinesischer Bücher, die nicht weniger als 30 000 Bände umfaßt. Auch zehn Foliobände archäologischer Aufzeichnungen von Rohault de Fleury sind hier zu nennen. — Die Abteilung der Medaillen wurde um 477 Plaketten bereichert. Ein in Kairo lebender italienischer Münzsammler, namens Dattari, stiftete gelegentlich der Fünfzigjahrfeier der Schlachten von Magenta und Solferino 539 Münzen, worunter solche mit den Namen Alexanders des Großen und Konstantins 384