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2956 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 54, 8. März 1910. trächtigt, wenn andrerseits diese neue Mode zuweilen auch den Untersuchungen der Gerichtsbarkeit auf die Sprünge helfe. Was das Publikum betrifft, so wird es das in Rede stehende Verbot zweifellos billigen, denn wenn es auch der Tagespresse Dank weiß, daß diese ihm mit unglaublicher Schnelligkeit die neuesten Ereignisse gleich im Bilde vorführt, so beleidigt es doch sein stark entwickeltes Schönheitsgefühl, wenn die Presse über dieses löbliche Ziel hinausschießt und die moderne Sensationswnt so weit treibt, daß sie Abbildungen von Ermordeten, von Leichen oft in den abstoßendsten Stellungen und mit den scheußlichsten Verstümmelungen bringt. Hat doch erst kürzlich die Vorstellung von Rostands »Obantsoler« gezeigt, wie empfindlich das fran zösische Publikum in dieser Hinsicht ist, denn wenn es im vierten Akte, wo die Kröten erscheinen, pfiff, so geschah dies ausschließlich wegen deren allzu natürlicher Häßlichkeit. Die erwähnte Senatskommission sprach sich mit Einstimmigkeit gegen die Bestimmung des neuen Gesetzes aus, die ausnahms weise den mit der Untersuchung der Verbrechen betrauten Staats anwaltschaften gestatten will, die Genehmigung zur Veröffent lichung von Zeichnungen und Abbildungen in einer Zeitung ihrer Wahl zu erteilen. Sie wird demnächst die anderen Bestimmungen der Vorlage prüfen und die Meinung des Justizministers, sowie der Vorsitzenden der verschiedenen Vereine der Presse und des Vorsitzenden der Loeiste cks8 Zsv8 cks 1ettr68 (Schriftsteller verein) hören. ' Handelshochschule in Leipzig. — Mit ihrem Ostern d. I. beginnenden fünfundzwanzigsten Semester wird die Leipziger Handelshochschule ein neues Heim in der Ritterstraße Nr. 8/10 beziehen. Der Plan des neuen Gebäudes ist von Herrn Baurat Professor Schumacher entworfen worden. Das soeben erschienene Vorlesungsverzeichnis enthält eine und kaufmännischen Übungen, z. B.: Allgemeine und spezielle Volkswirtschaftslehre, Finanzwissenschaft, Handels- und Verkehrs politik, Allgemeine Versicherungslehre, Versicherungsmathematik, Handels-, Wechsel- und Seerecht, Allgemeine Rechtslehre (für das Verständnis der rechtlichen Seite des Studiums auf der Handelshochschule), Wirtschaftsgeographie, Chemische und Mecha- nische Technologie mit Exkursionen, Buchführung, Fabrikbuch haltung, Handelsbetriebslehre, Verkehrswesen, Korrespondenz und Kontorarbeiten, kaufmännische und politische Arithmetik und Musterkontor. Sprachkurse, mit besonderer Berücksichtigung der Handelskorrespondenz, finden in Französisch, Englisch, Spanisch, Italienisch und Russisch statt. Für angehende Handelslehrer sind außer den reichhaltigen pädagogischen Vorlesungen der Universität noch besondere Übungen in einem Handelslehrerseminar vor gesehen. Die erste Immatrikulation ist auf den 23. April festgesetzt. Nähere Auskunft kann man von dem Studiendirektor Hofrat Professor Ray dt, Leipzig, Schulstraße 1, jederzeit erhalten. » Rofegger-Ttiftnng. (Vgl. 1909 Nr. 235, 238; 1910 Nr. 40 d. Bl.) — Im sehr befriedigenden Anschluß an frühere Mitteilungen in diesem Blatte darf hier die Tatsache verzeichnet werden, daß das Ziel des Roseggerschen Aufrufs zur Sammlung für den Deutschen Schulverein in Wien erreicht ist. Nachdem schon im Oktober v. I. die erste Million Kronen beisammen war, ist jetzt auch die zweite Million erreicht und sogar über schritten. Diesen unerwarteten Erfolg seines Aufrufs, für dessen Er reichung er fünf Jahre in Aussicht genommen hatte, begrüßt P. K. Rosegger mit folgender Zuschrift an die »Grazer Tages post«: »Vor elf Monaten habe ich die Anregung gegeben, es möchte durch tausend gegenseitig bedingte Zeichnungen von je 2000 Kronen eine Summe von zwei Millionen Kronen gesammelt werden für einen Schutzfonds zur Gründung und Erhaltung deutscher Schulen an den Sprachgrenzen, nicht zum Angriff auf Nachbarvölker, nur zum Schutze unseres eigenen Volkes. Zu meiner Freude hat sofort die Hauptleitung des Deutschen Schulvereins in Wien diese Anregung aufgegriffen, um im Verein mit mir und in meinem Sinne die Aktion durchzuführen. Nun ist die Arbeit vollbracht, der tausendste Baustein ist gezeichnet. Soweit betrachte ich meine Arbeit für gelöst und überlasse das Werk mit seiner weiteren Arbeit und Verantwortlichkeit dem in nationalen Nöten unseres Volkes wohlerfahrenen Deutschen Schulverein, an den man sich von jetzt ab in allem, was diese Sammlung betrifft, direkt wenden möge. Der Deutsche Schul verein wird die gezeichneten Beiträge einziehen und sie nach unserer Vereinbarung im Sinne der Spender verwalten und verwenden. Bei der Hauptversammlung des Deutschen Schulvereins zu Pfingsten dieses Jahres in Graz werden die sich darauf beziehenden Rechenschaften gelegt und Beschlüsse gefaßt werden. Unser Ziel ist nicht bloß erreicht, sondern überschritten. Mit dem Erfolg ist die Opferfreudigkeit noch gewachsen, und ich bin der Zuversicht, die vom Deutschen Schulverein flott fortgeführte Sammlung wird weit in die dritte Million hineingehen. Ich bedarf endlich wieder der Ruhe und Selbstfindung für meinen Beruf. Sehr leichten Herzens nehme ich von den Millionen Abschied. Doch tief bewegt drängt es mich, allen und jedem Mitwirkenden zu danken für die gemeinsame Opfer willigkeit, durch die dieses nationale Werk zustande gekommen ist. Graz, den 3. März 1910. Peter Rosegger.« *Dle Banknotenfälschungen des Oberfaktors Grünenthal. — Nach dem am Freitag erschienenen Rechenschaftsbericht der Reichsbank für das Jahr 1909 mußten für nachträglich entdeckte Banknotenfälschungen des durch Selbstmord aus dem Leben ge schiedenen ehemaligen Oberfaktors in der Reichsdruckerei Grünenthal wieder,258000 vom Gewinn abgesetzt werden. Im Jahre 1908 waren aus gleichem Anlo^ 316000 als Verlust gebucht worden. * Kunstgewerbemuseum in Berlin. Gcfangbücher-Aus- stellung. — Die Bibliothek des Kunstgewerbemuseums in Berlin, Prinz Albrecht-Straße 7 a, stellt in ihrem Lesesaal für die Konfir mationszeit im März Gesangbücher mit künstlerischer Aus stattung in billigen und teuren Leinen- und Lederbänden nebst einschlägigen dekorativen Arbeiten von Otto Hupp aus. Freier Eintritt wochentags von 10—10 Uhr. * Ausstellung französischer Kunst in Berlin. — Die Aus stellung von Werken französischer Kunst des achtzehnten Jahr hunderts im Gebäude der Kgl. Akademie der Künste in Berlin ist am Sonntag den 6. März geschlossen worden. Die Stellung des russischen Buchhändlers — Herr Iwan Narodny, ein angesehener russischer Buchhändler und Verleger, der soeben Nordamerika bereist, hat im New Yorker »loäepenäent« einen Aufsatz über den russischen Buchhandel und seine Vertreter in gesellschaftlicher und geschäftlicher Beziehung veröffentlicht, dessen wichtigste Ausführungen auch für deutsche Buchhandelskreise Interesse bieten dürften. Ein russischer Buchhändler, so äußerte sich Herr Narodny, ist in seiner Stadt eine hochgeachtete Persönlichkeit. Ärzte, Geist liche, Anwälte, Lehrer und sonstige Beamte stehen unter dem gesellschaftlichen Rang eines Buchhändlers. Das Wort eines Buchhändlers über eine Frage der Kunst oder Literatur gilt für ein Evangelium, und er ist die letzte Autorität, an die man sich zur endgültigen Entscheidung einer solchen Frage wendet. Er ist der eigentliche Führer des geistigen Lebens in seiner Stadt. Das kommt daher, weil der russische Buchhändler in der Regel nicht bloß Geschäftsmann, sondern auch ein literarischer Sachverständiger ist, dessen Urteil in literarischen und künstlerischen Fragen hoch über dem Durchschnitt steht. Er spricht meistens zwei, häufig aber auch drei Sprachen und ist vielfach ein ehemaliger Studierter, der aus irgendeinem Grunde die priesterliche oder eine sonstige gelehrte Laufbahn nicht ein- schlagen wollte. Das beruht auf der Art und Weise, wie sich über haupt der russische Buchhandel entwickelt hat. Zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts, wo die russische Literatur eigentlich erst entstand, wurden die meisten russischen Literaturerzeug nisse nicht von Verlegern, sondern von reichen Freunden und Gönnern der Verfasser veröffentlicht, die, nachdem sie dem Urheber eines Werkes ein reichliches Honorar gezahlt hatten, den weiteren Absatz der Bücher übernahmen, nicht in der Absicht^ daraus ein gewinnbringendes Geschäft zu machen, sondern um