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1K7, 20. Juli 1912. Nichtamtlicher Teil. vvricnbiatt f. d. Dtschn. vuchtzandel. 8605 Buchhandels, die durch kein Gesetz geschützt ist, widerspiegclt. Man sucht das übel nach und nach auszurotten, und wenn man dies mit Beharrlichkeit verfolgt, wird man Wohl früher oder später das Ziel auch erreichen. Ein Schritt weiter zur Besserung der Lage des Buchhandels wurde dieser Tage in Mailand getan. Man forderte nämlich den Gcmeinderat aus, den Verkauf von Büchern aus den Straßen ab- zustellen. Willigt der Gemeinderat ein, so wird das Beispiel Mailands gewiß von den anderen Städten nachgcahmt, und die Schmarotzer des regulären Buchhandels werden dadurch nach und nach zurückgedrängt. Der italienische Bund der Volksbibliotheken hat vor kur zem dem Unterrichtsministerium eine Eingabe zugehen lassen, in der für die Gründung einer Schule der Bibliothekare plai- diert wird. Der Bund meint, daß diese am besten durch einen angemessenen, in den Normalschulen erteilten Unterricht er reicht werde. Man verlangt in der Eingabe nicht etwa den Unterricht in der Paläographie und dem Bibliothekswesen im strengen Sinne des Wortes, sondern einzig und allein, daß die Schüler zu Volksbibliothekaren praktisch herangebildet werden. Zn diesem Zwecke wird die Errichtung dreier Kurse borge schlagen. Der erste soll das interne Leben einer Volksbiblio- thck zum Gegenstände haben, namentlich Katalogisieren, Buch haltung, statistische Arbeiten, Einbände, Psychologie der Leser und bibliographische Nachschlagewerke betressen. Der zweite Kursus soll 12 Lektionen umfassen und von drei verschiedenen Lehrern erteilt werden, die folgende Gegenstände vorzutragen hätten: Literatur ^ experimentelle Wissenschaften und Philo sophie, soweit diese Bezeichnung auf die in einer Volksbiblio thek aufzunehmcnden Bücher Anwendung finden kann. Im großen und ganzen müßte sich der zweite Kursus auf die Namen der Autoren, die Erklärung der Charaktere und des Inhalts dieser Werke selbst beschränken, während der dritte Kursus das praktische Leben der Volksbibliothek umfassen und in der Orts bibliothek selbst einige Tage hindurch abgehalten werden soll. Dieses Programm, wie es dem Unterrichtsministerum zur Verallgemeinerung vorgeschlagen worden ist, wurde im letzt- verflossenen Jahre in Mailand mit befriedigendem Erfolge erprobt. In Mailand hat auch der Bund der Volksbibliotheken, der soeben seinen Bericht über die drei ersten Jahre seiner Tätigkeit veröffentlicht, seinen Sitz. Aus dem Bericht entnehme ich folgende Angaben. Am l. Mai d. I. bildeten 759 Volks- bibliothcken den genannten Bund, und es ist hierbei bemerkens wert, daß das selbst von uns Italienern in kultureller Hin sicht so oft verleumdete Sizilien betreffs der Anzahl seiner Volksbibliotheken — den zweiten Platz einnimmt, überlegen ist ihm die Lombardei mit 194, während Sizilien lll Volks bibliotheken aufweist. Im ersten Vereinsjahr gründete der Bund 221 Volksbibliotheken, im zweiten stieg deren Anzahl ans 371, und im dritten mutzte er — wie gesagt — 759 Volks- bibliothcken mit dem notigen Material versorgen. Gekauft und verteilt wurden im letzten Vereinsjahr 63 428 Bücher, deren Wert ordinär 116088 Lire betrug, die aber durch den von den verschiedenen Verlegern gewährten Rabatt nur L. 76 597.98 netto kosteten. Es sind also, in runder Ziffer, beinahe 40 Mille Lire, die der Sortimenter nicht gesehen hat. Wenn man die Sache jedoch objektiv ausfaßt, so muß man erkennen, daß ein Volksbibliotheken-Bund außerhalb des Tätigkeitsbereiches des Sortimenters liegt und daß später die Bibliothek-Mitglieder in ihrer erwachten Lese- und Wißbegierde doch ab und zu, zwecks Bildung einer eigenen Hausbibliothek, auch die Sortimenter aufsuchen werden. So muß das Aufblühen des Volksbibliothcken < Bundes mit Freuden begrüßt werden, da durch seine Ausdehnung und Wirksamkeit der Prozentsatz der Analphabeten — speziell auf dem Lande— sich verringern Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 79. Jahrgang. wird. Der genannte Bund beabsichtigt auch, kleine Volks- jchriften zu verlegen, speziell solche, die Vorträge an den bei uns zahlreich gestifteten sogenannten Volks-Universitäten zum Gegenstände haben. Die italienischen Buchhandlungsgehilsen organisieren sich. Das Beispiel hat die Reichshauptstadt gegeben. Dank den Spenden der Inhaber der verschiedenen Buchhandlungen Roms wurde ein Gründungsfonds von einigen Tausend Lire gesammelt, der dem dortigen Gehilfen-Verein die Möglichkeit bieten soll, seinen Zwecken der Wohltätigkeit und Altersver sorgung gerecht zu werden. Der Vorstand gibt ein Monats blatt, »Aldus« benannt, heraus, das über die Entwicklung des Vereins berichtet. Verleger und Mitglieder spendeten auch eine Anzahl Bände zur Gründung einer Vereinsbiblio thek. Möge den mutigen Begründern ein frohes Geschick be schicken sein, denn es war hohe Zeit, daß die Gehilfen unseres Standes sich zur Wahrung ihrer Interessen zusammentun. Endlich wird sich die Post entschließen, auch bei uns das Gewicht der Briese von 15 auf 20 8 festzusetzen, ohne die gegenwärtig geltende Portotaxe zu erhöhen. Der Buch- und Gesamthandel wird daraus gewiß Nutzen ziehen, zumal diese Gewichtsnorm binnen kurzem auch für den interna tionalen Briefverkehr eingeführt werden soll. Es haben so wieso viele Staaten im internen Briefberkehr seit langer Zeit das Gewicht auf 20 p festgesetzt. Man sagt, daß die Verlaut barung der betreffenden Verordnung im Post-Ministerium be reits beschlossen sei. Das Ministerium beabsichtigt aber gleichzeitig die Porto gebühr für Drucksachen zu erhöhen. Offen gesagt hatten wir, den anderen Staaten gegenüber, die niedrigste Taxe für Druck sachen, denn — im internen Verkehr — zahlen wir 2 Ems. für 50 x. Nach Durchberatung und Annahme des Entwurfes seitens der Kammer, werden wir 5 Cms. für je 50 8 zahlen. Tie Erhöhung betrifft aber nur Drucksachen im engeren Sinne, d. h. Zeitschriften und Postkarten, die von Privaten versandt werden. Bücher sind von der Portoerhöhung ausgeschlossen. Allerdings müssen die Ausführungsbestimmungcn zu dem be treffenden Gesetze recht klar sein, da sonst unsere Postbeamten unter dem allgemeinen Schlagwort »stampo« (wie es im Gesetzentwurf heißt) auch die Bücher — die doch, streng ge nommen, auch Drucksachen sind — mit der höheren Gebühr belegen. Eine Neuerung besteht in der Einführung des sogenannten Depeschenbrieses. Dieser wird bei denjenigen Telegraphen ämtern angenommen, die Nachtdienst haben, kann nur von 9 Uhr abends bis Mitternacht aufgegeben werden und wird am nächsten Morgen mit der ersten Post dem Adressaten zugestellt. Die Gebühr wird auf 2 Cms. für das Wort sestgestellt. Italien behauptet das Feld der drahtlosen Fernschrift durch die Erfindung der Radioteleikonographie, durch die Zeich nungen, topographische Skizzen und Schriften im allgemeinen auf große Entfernungen ohne Draht übermittelt werden können. Der Erfinder, F. De Bernocchi, ein Turineser, leitete die Versuche, die zu diesem Zwecke zwischen Mailand und Turin angestellt wurden und befriedigend ausfielen. Man wird mit der Zeit Inkunabeln und Handschriften durch die drahtlose Telegraphie von einer Stadt zur anderen repro duzieren können, ohne sie aus der Bibliothek zu entfernen. Unser Musikalienhandel hat in dem jüngst dahingeschie denen Comm. Giulio Ricordi einen schweren Verlust erlitten. Der Tod ereilte ihn plötzlich im Alter von 72 Jahren, als er, obwohl etwas kränklich, noch für das Gedeihen seiner Verlags hauses unermüdlich arbeitete. Bei ihm find fast sämtliche 1122