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^ 45, 24. Februar 1908. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel 2223 Um die Stuttgarter Verleger sammelte sich ein Kreis angesehener Schriftsteller, deren Mittelpunkt Cotta und sein Morgenblatt war. Durch den mit den fünfziger Jahren einsetzenden Verlag illustrierter Zeitschriften erhielt Stuttgart erhöhtes Interesse für den Buchhandel und die Schriftsteller, das dann noch durch die Herausgabe populärwissenschaft licher Werke wesentlich verstärkt wurde und namentlich auch den für den Buchhandel tätigen Nebengewerben ansehnlichen Vorteil brachte. Dann folgte eine Flut von billigen Volks ausgaben unsrer Klassiker und als strikter Gegensatz dazu eine Reihe von illustrierten Prachtwerken, bei denen wiederum Firmen wie Cotta, Hallberger, Kröner, Ebner L Seubert, Göschen, Neff, Steinkopf und Metzler die Führung über nahmen. Die Eigentümlichkeit, die den Stuttgarter Buch handel schon in früheren Epochen auszeichnete, daß kauf männischer Unternehmungsgeist und nichtbuchhändlerisches Kapital sich zu dem spekulativen Gewerbe des Verlags hingezogen fühlten, findet auch zu Ende des neunzehnten Jahrhunderts ihren Ausdruck in der Gründung einer Reihe von Aktiengesellschaften, unter denen bekanntlich die Union und die Deutsche Vertagsanstalt hier wie überhaupt im deutschen Buchhandel an erster Stelle stehen. Hand in Hand mit dieser Entwicklung Stuttgarts zur Zentrale des süddeutschen Buchhandels ging als notwendiger Bestandteil seiner inneren Organisation die Ausgestaltung des buchhändlerischen Kommissionsgeschäfts, das nach und nach an die Stelle der seither üblichen Messen trat und gerade deswegen zu langwährenden Konkurrenzstreiten mit Leipzig, ebenso mit Frankfurt a. M., Nürnberg und Augsburg führte. Mehr als dreißig Jahre dauerte der Kampf, bis die Vorherrschaft Stuttgarts endlich ge sichert war. -Eine kleinliche Politik der Sonderinter essen, ein verknöchertes, zähes Festhalten an ererbten notorischen Mißbräuchen, eine Voreingenommenheit und Ängstlichkeit gegenüber Reformen, die zwar das Wohl der Allgemeinheit förderten, aber zugleich auch den Einfluß ein zelner Gruppen stärken konnten, hielten den natürlichen Lauf der Dinge unendlich lange Zeit hintan.» Es würde natür lich zu weit führen, auf die einzelnen Phasen dieses Kampfes, die oft in engem Zusammenhang mit der politischen Ent wicklung standen, näher einzugehen. Das Verdienst, die end gültige Anerkennung Stuttgarts zum allgemeinen Zentralplatz mit Frankatur im Jahre 1866 und damit die letzte not wendigste Reform im süddeutschen Kommissionswesen durch gesetzt zu haben, gebührt hauptsächlich dem Karlsruher A. Bielefeld. Frankfurt schied schon 1869, Augsburg 1873 und Nürnberg 1874 vom Kommissionsverkehr aus, während für die Schweiz schon seit dem Jahre 1855 Zürich als Kommissionszentrale galt. Nahezu 700 Firmen vertritt Stuttgart heute als Zentrale des süddeutschen Buchha- dels- gebiets, und besonders das Jahr 1907 brachte ihm ganz bedeutende Umwälzungen, infolge deren Leipzig auch den süddeutschen internen Buchhandelsverkehr durch Per sonalunion in seine Hände bekam. Es ist selbstverständlich, daß dieses Emporkommen Stuttgarts als Buchhändlerstadt noch mancherlei Begleit erscheinungen hatte. Daß im Verkehr zwischen Stuttgart und Leipzig kaum eine nennenswerte Veränderung eintreten konnte, lag in den gegebenen Verhältnissen. Störungen, wie diejenigen durch die Kriege 1866 und 1870, gingen vorüber, und auch der mannigfachen Wandlungen unterworfene Verkehr mit Österreich regelte sich für Stuttgart allmählich dadurch, daß sich Wien zum selbständigen Kommissionsplatz ausbildete, auf dem nun sogar acht Stuttgarter Verleger Auslieferungslager halten. Der Vorschlag des württem- bergischen Konsuls Baensch in Leipzig, auch in Stuttgart eine Bestellanstalt zu errichten, fand keine Zustimmung; die Frage des Kundenrabatts und der sogenannten Schleuderei bildete in Stuttgart stets einen Gegenstand nachdrücklicher Auseinandersetzungen, und hier gerade griff auch die Vereinstätigkeit seines Buchhandels immer wieder wirk sam ein. Der älteste dieser Vereine war der Verein Stutt garter Buchhändler, vom Jahre 1842, der ein eigenes Schiedsgericht hatte und namentlich auch das Abrechnungs wesen in Ördnung brachte. Ihm folgte der Süddeutsche Buchhändlerverein von 1845, und endlich der Stuttgarter Verlegerverein, dessen Anfänge schon in das Jahr 1842 zurückgehen. Erst im Jahre 1879 konstituierte sich dann der Württembergische Buchhändlerverein, 1888 erfolgte die Gründung eines Vereins württembergischer Kolportage-Buch händler, und 1904 die des neuen Stuttgarter Buchhändleroereins, während sich (lest 1867) nun auch die Gehilfen nach dem Beispiel der Prinzipale in einzelnen Vereinigungen zusammen fanden. Vier Jahrzehnte (1838 — 1876) lang hatte die Süddeutsche Buchhändler-Zeitung die Stuttgarter Interessen mutig vertreten; nachdem der Kampf um den Zentralplatz in der Hauptsache entschieden war, ließ das Interesse der Kollegen immer mehr nach; aber ihre neununddreißig Bände bilden auch heute noch eine wichtige Quelle für die Geschichte des süddeutschen Buchhandels. Von dem reichen Inhalt des Druckenmüllerschen Buches kann diese Darstellung keinen erschöpfenden Bericht geben. Ein gutes Stück schwäbischer Kulturgeschichte steckt in ihm. Die Stellung des Stuttgarter Buchhandels in der Gegenwart präzisiert der Verfasser dahin, daß dieser auch heute noch seine achtunggebietende Stellung behauptet, trotz der namentlich auf dem Gebiete der Belletristik sich geltend machenden Ber liner Konkurrenz. Es sei zu hoffen, daß ihm auch in Zukunft eine verständnisvolle Regierung über stürmische Zeiten und Krisen, die nicht ausbleiben werden, hinweg helfen werde. Th. Ebner. Kleine Mitteilungen. Brief oder Paket. — über -Brief oder Paket- wird der Bosnischen Zeitung geschrieben: Das Reichsgericht hat unterm 21. Dezember 1907 das von der ersten Ferienkammer des königlichen Landgerichts Berlin II unterm 13. August 1907 gefällte Urteil bestätigt, wonach zwei Geschäftsführer eines Kunstverlags und der Betriebsvorsteher einer Berliner Großspedition mit je 1400 eventuell sechs Wochen Haft, wegen Postportohinterziehung bestraft wurden. Damit ist eine Frage von ganz prinzieller Bedeutung für die Geschäftswelt zu ungunsten der üblichen Geschästspraxis entschieden worden. Das Urteil sagt: -Im Geltungsbereich des Postgesetzes erstreckt sich der Be griff -Brief-, soweit verschlossene Umschläge in Frage stehen unter Außerachtlassung des Inhalts auf jede Sendung, deren' äußere Gestalt die übliche Briefform, nämlich für die Regel ein im Verhältnis zur Länge und Breite nur mäßig starkes Rechteck, ausnahmsweise auch ein andres durch geradlinige Kanten be grenztes Gebilde darstellt. Der Inhalt des geschlossenen Briefes ist schlechterdings gleichgültig.- Es ist damit klipp und klar gesagt, daß, sobald Sendungen ihrer Beschaffenheit und dem Gewichte nach unter den — seit Auf hebung der Privatpostanstalten sehr dehnbar gewordenen — Be griff des -Briefes- fallen, sie dem Postzwange unterliegen. Nun gibt es aber ebensowenig eine gesetzliche Definition des Be griffes -Paket- wie eine gesetzliche Bestimmung, mit welcher Gewichtsgrenze das Paket anfängt oder aufhört. So lange die Privatpostanstalten bestanden, hatte der Kaufmann das freie Be- timmungsrecht, ob er eine Sendung als Paket oder Brief be handelt wissen wollte. Es muß anerkannt werden, daß es Umstände gibt, wo die Versendung als gewöhnlicher Brief nicht am Platze ist. Es ist Brauch im Geschäftsleben, daß der vorsichtige Geschäfts mann seine Sendungen, wenn sie einen nennenswerten Verkaufs preis haben und später Bezahlung für sie verlangt wird, an der Hand eines Lieferscheins gegen Quittung des Empfängers 288«