Volltext Seite (XML)
45, 24. Februar 1908. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s. d. Dlschn. Buchhandel. 2225 unfern Gemäldegalerien nur noch in farbiger gedruckter Wieder gabe erscheinen wird und in der ärmsten Hütte erhebend wirken kann. -Majestät! Wir Lehrer haben das Glück, an einer wunder vollen Kulturaufgabe mitzuwirken. An den Wurzeln der Kräfte unseres Volkes sind wir tätig wie Gärtner, aber wir haben dabei das volle Gefühl der Verantwortung für unser Treiben. Wir glauben, unser Schifflein richtig zu steuern, wenn wir es nach dem Aufrichtigen, Echten und Tüchtigen in Kunst und Technik lenken und womöglich dort landen, wo beide vereint in einem warmherzigen Schöpfer walten. Wir betrachten es auch als einen Vorzug unsrer Kunst, gegenüber der des Einzelwerkschöpfers, daß wir vielfach wirken dürfen, daß wir imstande sind, gleichzeitig bei vielen zu erscheinen, die räumlich getrennt sind. Als besten Dank für den Schutz, den Eure Majestät unsrer Tätigkeit an gedeihen lassen, geloben wir, unsre Kräfte einzusetzen, unfern schönen Beruf pflichttreu zu erfüllen, zum Segcp für unser Land. Eure Majestät bitte ich, zur Erinnerung an den heutigen Besuch ein Huldigungswerk gnädigst anzunehmen, das von Meistern und Schülern der Akademie gestaltet ist. Abdrucke des Blattes in anderer Form sollen auch an die Lehrer und Schüler als Gedenkblatt an diese Stunde verteilt werden.» Der König nahm mit gnädigen Worten das Huldigungs- werkchen entgegen und geruhte, Seinen Namen in das neue Gästebuch der Akademie einzutragen. Hierauf überreichte Fräulein Margarete Mehlhorn im Namen der Schülerinnen Seiner Majestät einen Vetlchenstrauß. Es folgte eine Besichtigung der in der Aula veranstalteten Ausstellung von Schülerarbeiten, Schrtftdrucken, Bilddrucken, photographischen Reproduktionen, kurz aller Techniken und Hilfstcchniken, deren Pflege sich die Anstalt unter zieht. Die nötigen Erläuterungen gab Herr Professor Seliger, der den Monarchen weiter nach der im ersten Obergeschoß befind lichen lithographischen Werkstatt (Professoren Scheiter, Hein und Steiner-Prag) führte, wo eine kleine Sonderausstellung besichtigt wurde. Hier wurden auf einer Presse Blätter fertiggestellt, auf die Seine Majestät in liebenswürdigster Weise seine Unterschrift schrieb. Weiter wurde die Werkstatt für Holzschnitt und Jllustra- tionsdruck (Professoren Berthold und Honegger) besucht, wo der Abdruck eines Plakates gezeigt wurde. Im zweiten Stock fesselte die Werkstatt für Kupferstich (Lehrer Kolb) das allerhöchste Inter esse. Auch hier gab der König Seine Unterschrift auf eine abge druckte Platte. Seine Majestät bekundete lebhaftes Interesse an den Darbietungen des Rundgangs und verabschiedete Sich in huldvollster Weise. Vor dem Austritt aus dem Lichthof nach der Straße brachten ihm die Schüler und Schülerinnen wiederum eine begeisterte Ovation. Zur Geschichte des französische« Buchhandels. - über die Entwicklung des französischen Buchhandels hat soeben Arthur Tilley in einer dem berühmten französischen Buchhändler und Verleger Galliot Du Prö gewidmeten Abhandlung der englischen Zeitschrift -lüs 1-ibrs.r^- einige Angaben gemacht, die ein recht klares Bild der Lage und der Verhältnisse des französischen Buchhandels in der ersten Zeit seiner Entwicklung geben. Im Mittelalter war in Paris wie auch sonst der Buchhändler (Udrsrius, librsärs) eigentlich nur der Vermittler, der Vertreibe! oder Agent des Schriftstellers (sorivs-in, sts.tions.rius) oder Kopisten. Beide Berufszweige gehörten ebenso wie die verwandten Gewerbe der Papier- oder Pergamenthändler (psrobswinsurs), der Illu striere! (svluwinsurs) und Buchbinder (rslisurs) dem Verbände der Uvivsrsitss littsraruw an, genossen die gleichen Vorrechte wie deren Magister und Scholaren und waren ebenso auch deren Gerichtsbar keit unterworfen. Ehe sie sich der Ausübung ihres Gewerbes widmen durften, muhten sich die Buchhändler einer Prüfung unter ziehen und vor dem Rektor der Universität einen Eid oblegen; daher erhielten sie auch die Bezeichnung als -Ukrairss juräs». Aus ihrer Zahl wurden vier »grsnäs librsirss- zu Vertretern des ganzen Standes ernannt, deren Amt es war, die Preise der Bücher sestzu- setzen und eine allgemeine Oberaufsicht über ihre Berufsgenossen zu führen. Die Erfindung der Buchdruckerkunst scheint diese Lage der Dinge zuerst nicht allzusehr geändert zu haben; denn die Mehr zahl der neuen Drucker verkaufte ihre Bücher, wie vordem die Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 7b. Jahrgang. Abschreiber, entweder selbst oder mit Hilfe privilegierter Buchhändler. Ebenso wurden die Abschreiber und Miniaturisten nicht sofort durch die neue Kunst verdrängt, sondern stellten noch Jahre nach Gutenbergs Erfindung reich illustrierte Bücher her. Erst Antoine Vsrard, ursprünglich Abschreiber und Miniaturist, erkannte etwa zwanzig Jahre nach der Erfindung der Buchdruckerkunst, daß die Kunst des Illuminators recht gut mit der des Buchdruckers in Verbindung gebracht werden konnte, und stellte seine berühmten, mit Holzschnitten versehenen Läitious äs luxs her, die von der Hand des Illuminators reich verziert wurden. Der Rückgang des Abschreibergcwerbes und die steigende Be deutung des Buchhändlerstandes wird zum ersten Mal in einem königlichen Edikt vom März 1489 ersichtlich, das die Zahl der lidrsärss jurös auf 24 festsetzte, während von den Gewerben der Abschreiber, der Illuminatoren und der Buchbinder nur je zwei der Vorrechte der Universität teilhaftig werden sollten. Auf diese Zahl von 24 blieb denn auch lange hinaus die Anzahl der librairss jurös beschränkt; nur durch besondre Gunst des Königs wurde im Jahre 1533 der ausgezeichnete Drucker und Radierer Geofroy Tory als fünfundzwanzigstes Mitglied in die Gilde ausgenommen. Die nicht privilegierten Buchhändler waren am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts noch mannigfachen Beschränkungen unterworfen, durften keine Bücher führen, die einen gewissen Preis über schritten, sie nur in offenen Läden verkaufen, u. a. m. In der Folge wurde durch natürliche Entwicklung die Schei dung zwischen Drucker und »Verleger» strenger durchgeführt. Von einigen der berühmtesten Buchhändler des ausgehenden fünf zehnten Jahrhunderts, so von den Brüdern de Marnef, Simon Vostre, Guilleaume Eustace und Denys Roce, kann fast mit Sicherheit behauptet werden, daß sie keine Drucker waren. Jean Petit, der während einer langen und erfolgreichen Tätigkeit als Verleger (1495—1536) wenigstens 28 Pressen in Verwendung hatte, bezeichnet sich selbst nie als Drucker. Der rasche Aufschwung des französischen und inbesondre des Pariser Buchhandels, der der Veröffentlichung des ersten fran zösischen Buches: »llss grsväss obroviguss äs Hass- durch Pasguier Bonhomme folgte, brachte auch wirtschaftlich den fran zösischen Verlegerstand zu großer Blüte. Der schon genannte Simon Vostre wurde ein reicher Mann, der bei seinem Tode (etwa 1520) sechs Häuser hinterließ. Auf Pasguier Bonhomme folgte sein Sohn Jean (I.), diesem wiederum ein Jean (II.) und diesem ein Jean (III), während seine Tochter Uolande durch ihre Vermählung mit Thielman Kerver gleichfalls die Stammmutter eines berühmten Geschlechts von Druckern und Verlegern wurde. Auch Jean Petit wurde der Gründer eines Buchhändlergeschlechts, das länger als ein Jahrhundert blühte. Es war unter den damaligen Pariser Buchhändlern Brauch, daß sie außer ihren eigentlichen Geschäftsräumen auch noch offene Verkaufsbuden nach Art der heutigen Boutiquiers am Seineufer hatten, und zwar teils innerhalb, teils außerhalb des Justiz palastes, wo sie unter den Gewölben bequeme Unterkunft fanden. Die eigentlichen Buchhändlerläden aber hatten gegen Ende des fünfzehnten Jahrhunderts ihren Platz tatsächlich, wenn auch nicht auf Grund behördlichen Zwanges, fast ausschließlich in zwei Quartieren der Stadt, nämlich in der Nähe von Notre-Dame und im Unioersitätsviertel. Der letztere Bezirk, dessen Grenzen etwa durch die Severinskirche, die Place Maubert, das Panthäon und die Place de la Sorbonne bezeichnet werden, war bei weitem der größere. Die Drucker und Buchhändler hatten sich hier bequem im Schatten der Universität an gesiedelt, deren Kollegiengebäudc über den ganzen Bezirk ver streut waren. Die Haupt - Buchhändlerstraße war die Rue St. Jacques, die sich in der Länge von etwa 3 bis 4 Kilo meter vom Petit Pont bis zur Porte St. Jacques erstreckte und in ihrem Mittlern Teil fast ausschließlich von Buchhändlern, Buch bindern u. s. w. bewohnt war; in etwa 80 Häusern waren dort mindestens 160 Geschäfte dieser Art ansässig. Andre Buchhändler straßen in diesem Viertel waren die Rue des Carmes, die Rue du Mont St. Hilaire, die Rue St. Jean de Beauoais und die Rue St. Jean de Latran. Der andre Buchhändlerbezirk bestand aus wenigen Straßen in der unmittelbaren Nachbarschaft von Notre- Dame, deren hauptsächlichste die Rue du Marchs-Pals, die Fort setzung der Rue St. Jacques über den Petit Pont, war, sowie die Rue Neuve Notre Dame, die vom Marchö-Pals nach dem Parvis 289