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2224 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 45, 24. Februar 1908. bestellen läßt. Er wählt daher den Weg der Paketbestellung durch den Spediteur re., da dieser für den Verlust und die Be schädigung des Gegenstandes Ersatz leistet, überhaupt Garantie bietet. Dieser geschäftsübliche Weg ist nunmehr durch die Gerichts entscheidung abgeschnitten. Vorwiegend werden darunter zu leiden haben Verleger, Buchhändler, Kunsthändler, Bilder händler rc., deren Verkaufsobjekte, und wenn sie einen noch so hohen Wert besitzen, verpackt unter den postalischen Begriff des Briefes fallen. Das Eigenartige dieser Auslegung tritt erst zu Tage, wenn diese Art Briefe der Post als »Paket- übergeben werden, dann sind es »Pakete». — Die Sachlage bei dem abgeurteilten Falle war folgende: Ein Kunstverlag hatte 7000 künstlerisch ausgeführte Bilder mappen im Gewicht von 240 8 und im Werte von 1 ^ 60 H pro Exemplar zu versenden. Er schickte zunächst 4 Kunstmappen im Kuvert an sich selbst durch die Post ab. Der eingeschlagene Weg zeigte, daß die gewählte Verpackung — ein ziemlich festes Briefkuvert — unzulänglich war, denn die Sendungen langten in unansehnlichem, vollständig defektem Zustande an. Die postgemäße Behandlung — Verschnürung in Briefbunden, Abstempelung rc. — hatte die Exemplare entwertet. Der sorgfältigeren und festeren Verpackung stand wiederum die postalische Höchstgewichtsgrenze für geschloffene Briefe — 250 8 — im Wege. Neben der Schonung seiner Sendungen lag aber dem Kunstverlag vor allen Dingen an der paketmäßigen Versendung wegen der Garantiepflicht des Besörderungsinstituts bei Verlust und Beschädigung, ganz be sonders aber, um die Empfangsbestätigung zu erhalten, an der Hand welcher das Inkasso vorgenommen werden sollte. Die Kostenfrage der Beförderung spielte nur eine nebensächliche Rolle. Bei der Portohinterziehung liegt in erster Reihe der Gedanke nahe, sich eine Verbilligung des Portos zu verschaffen. Daß diese Absicht der Kunstverlag nicht hatte, geht daraus hervor, daß dem Beförderungsinstitut zweimal so viel an Porto gezahlt worden ist, als das Briefporto betragen hätte. Die Wahl des ein geschlagenen Beförderungswegs war also lediglich durch die er wähnten Umstände bedingt. Unter Berücksichtigung der Sachlage und der seitens der kaiserlichen Oberpostdirektion in Berlin 1899 herausgegebenen Bestimmungen, worin gesagt ist: »Gewöhnliche Briefe. Das Gewicht eines Briefes darf 250 K nicht übersteigen. Zur Beförderung als Briefe sind nur solche Sendungen geeignet, die ihrer Form und Beschaffenheit nach in die Briefbunde verpackt und ohne Beschädigung des Inhalts auf der Vorder- und Rückseite deutlich gestempelt werden können entschloß sich die Privatanstalt, die Beförderung als Paket zu übernehmen. Sie übersah allerdings, eine stärkere Verpackung zur künstlichen Überschreitung der vorgeschriebenen Gewichtsgrenze von 250 x zur Bedingung zu machen. Diese Unterlassung genügte, trotz aller ins Feld geführten Tatbestandsmerkmale, ein Vergehen gegen das Postgesetz zu konstatieren. Dem Gesetz mußte Genüge geschehen. Ein Hamburger Besörderungsinstttut ist mit 12 000 Geldstrafe aus dem gleichen Anlaß belegt worden. Dort hat der Versender dem Privatinstitut für den postalischen 5 Brief 30 H Paketporto gezahlt. Ob es dies wohl zum bloßen Vergnügen getan hat, wo er des PortoS sparen konnte? Besuch des Königs von Sachse« t« der Königlichen Akademie sür graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig. — Der Leipziger Zeitung entnehmen wir folgenden Bericht über den Besuch Seiner Majestät des Königs von Sachsen in der Königlichen Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig: Gegen '/i4 Uhr, am 19. Februar, fuhr Se. Majestät vor der in der Wächterstraße gelegenen Königlichen Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe vor. Vor dem Gebäude hatte sich trotz des ungünstigen Wetters ein zahlreiches Publikum ausgestellt, das dem Monarchen zujubelte. Vor dem Haupt portale wurde Se. Majestät am Wagenschlag von Sr. Exzellenz dem Herrn Staatsminister des Kultus und öffentlichen Unterrichts vr. Beck, von Herrn Ministerialdirektor Geheimrat vr. Roscher und vom Direktor der Akademie Herrn Professor Seliger em pfangen und durch das Vestibül und den großen Lichthof, in dem der Verein Academta, eine Vereinigung ehemaliger Schüler der Anstalt, mit ihrem Banner Aufstellung genommen hatte, nach der Aula geleitet. Hier waren der Lehrkörper und die Schüler und Schülerinnen zu feierlicher Begrüßung des Monarchen versammelt. Als der König die Aula betrat, brachte Herr Professor Seifert ein dreifaches Hoch aus. Hierauf richtete Herr Direktor Professor Seliger folgende Ansprache an den König: »Eure Majestät! Mit freudigen und darkbaren Herzen be grüßen wir, Lehrer, Schüler und Beamte der Akademie, Eure Majestät in unserm Hause. Schon mehrmals wurde der Akademie die hohe Ehre Königlichen Besuches zu teil. Es ist ja auch nicht das erste Mal, daß Eure Majestät diese Räume betreten. Die Berichte der Akademie melden einen Be such des Königlichen Prinzen Friedrich August im Jahre 1885, und mir wurde erzählt, daß Seine Königliche Hoheit damals Höchsteigenhändig den Holzstichel an einer Buchsbaumplatte zu handhaben versuchte und liebens würdigstes Interesse bekundete. Es sei mir gestattet, einige kurze Daten über die Entwicklung der Akademie zu geben: Sie wurde 1764 vom Kurfürsten Friedrich Christian gegründet, wird also bald ihr hundertundsünfzigjähriges Bestehen erleben. Lange hatte sie ihr Heim in der ehemaligen Pleißenburg, wo Mars und Athene in bester Kameradschaft lebten. Aber es kam die Zeit, wo Athenes Jünger so zahlreich wurden, daß ihnen eine eigene Stätte gegeben werden mußte, und jetzt ist die Zeit da, wo wir eine Hausgenossin, die König liche Baugewerkeschule, hinausdrängen müssen. 1874 wurde sie zugleich Kunstgewerbeschule, 1901 aber gänzlich für Leipzigs in dustrielle Eigenart geformt und heißt seitdem Königliche Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe. Die Berichte der Akademie weisen im Jahre 1870 27 Schüler und 2 Lehrer auf, im Jahre 1874 129 Schüler und 3 Lehrer, im Jahre 1901 340 Schüler 21 Lehrer und 2 Beistände. Jetzt zählt die Akademie 481 Schüler, 28 Lehrer, 5 Beistände, sowie 4 Beamte. Seit 1905 sind Schülerinnen zugeiaffen. Ich glaube sagen zu dürfen, daß die Leipziger Akademie jetzt die beträchtlichste deutsche buchgewerbltche Blldungsanstalt ist. Die Spezialisierung unserer Schule gestattete Vertiefung und feinere Gliederung des buchgewerblichen Unterrichts; aber ihr innerer Ausbau ist noch nicht abgeschlossen. Die Akademie lehrt die hauptsächlichsten Techniken und Künste der Buchherstellung. Auf die Form, auf die Ästhetik des Druckwerkes der Schrift und Bildpresse gehen unsere Bemühungen. Ein Hauptzug des Wesens unserer Schule ist die Nebeneinanderpflege von Kunst und Photo graphie, von graphischer und buchgewerblicher Original produktion und Reproduktion, die jeder dieser Fachgruppen wertvolle Anregungen zu geben vermag. Ein anderer Zug ihres Wesens ist die Pflege einer für breite Volksschichten er reichbaren Kunst, die der Industrie und dem Gewerbe näher steht als der freieren hohen Kunst. Neuerdings streben die Fach schulen, den Unterricht über den Unterbau htnaufzuführen in die schöpferische Tätigkeit, und noch weiter, ihn zu vervoll ständigen durch Hinzunahme des handwerklichen Teils. Die Ausführung erst gibt den Beweis für die künstlerische und wirtschaftliche Brauchbarkeit und Güte des Entwurfs. Wir wollen aber nicht die Lehre in der Praxis ersetzen, wir wollen sie nur ergänzen und den Lernenden draußen, die durch den spezialisierenden Zeitgeist oft auf sehr abgegrenzte Techniken und Künste beschränkt sind, Gelegenheit geben zu breiterer und runderer Ergänzungsbildung in Nachbargebieten. Die graphi schen Künste sind heute durch die wunderbare Fähigkeit der Photographie aus dem Gebiete der Reproduktion verdrängt worden. Man darf sagen, zum Heile der Graphik, die nun frei den eigenen Reizen einer Originale schaffenden Kunst nachgehen kann, und die auch unter dem Einfluß unserer heutigen schnell beweglichen Weltkunst stürmend und drängend sich entfaltet. Aber die Photographie nahm nicht nur und wirkte wirtschaftlich vernichtend auf die bisherige graphische Repro duktion, sie gab uns auch Kostbares und wirkte dadurch ver söhnend: sie gab uns das kongruente Abbild, die Faksimile- Nachbildung — die Kunst der wenig bemittelten Klassen! Wenn auch die photographischen Reproduktionsprozesse noch stark auf die Hilfe der Kunst angewiesen und durchaus noch nicht bis zu mechanischer Fähigkeit unter kunstsinniger Aufsicht entwickelt sind, so sehen wir doch schon ihren Siegeslauf, und die Zeit dürfte nahe sein, wo das reiche Erbe unsrer Väter in