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-V 248, 24. Oktober 1916, Redaktioneller Teil, Börjcnblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. der verschiedenen Länder, besonders der von Frankreich, Eng land und Italien, mit deren Verlegern man in Rechnung steht, das amerikanische Münzsyftem », a. Ferner haben nur die wenigsten jungen Buchhändler wäh rend ihrer Tätigkeit in der Heimat Gelegenheit gehabt, selb ständig die Abschluß- und Bilanzarbeiten borzunehmen, im Aus land verlangt man aber von jedem, der einen höheren Posten bekleiden will, daß er auch »bilanzsicher« sei, denn der Chef kann nicht alles allein machen und muß sich auch in solchen Fällen auf die tatkräftige Hilfe seiner Mitarbeiter verlassen können. Ich habe einmal eine Rohbilanz ein halbes Jahr, ohne daß sie abgeschlossen wurde, liegen sehen, weil sich niemand der Herren Sortimenier daran getraute und der Chef und meine We nigkeit keine Zeit hatten. Auch die Handelslehre im allgemeinen ist sehr von Nutzen, denn cs kommen oft Worte und Wendungen, besonders bei über seeischen Sendungen vor, die man daheim nie hörte. Wer weiß, daß die Buchstaben ek (eost kreigcht) beim Preise frei von Kosten und Fracht bedeuten, die Buchstaben eik (eost Insurance kreiAdt), daß der Absender Versicherung, Fracht und Spesen bis zum Be stimmungsort zu tragen hat, daß kob (kroe on boarcl) bedeutet, daß der Käufer die Kosten der Beförderung bis ans Schiff trägt usw.? Wer weiß genau, was Konnossement bedeutet? Ein wenig wird er schon davon läuten gehört haben, aber eine genaue De finition wird er Wohl kaum geben könenen. Aus demselben Grunde sollte er wenigstens einige Kenntnisse der Bestimmungen für den Eisenbahngüterversand nach dem Ausland, ferner der Seeschiffahrt, namentlich der Berechnung der Frachten und Ge bühren und der Versicherung der Güter haben. Wer hat nicht schon vor einem kleinen Rätsel gestanden, wenn er den ersten französischen, englischen oder italienischen Wechsel in der Hand hatte? Der Wechsel- und Scheckverkehr ist in den verschiedenen Ländern bekanntlich sehr vielen strengen Form vorschriften unterworfen. Man kann deshalb bei Unkenntnis dieser Vorschriften seiner Firma cventl. alle möglichen Unan nehmlichkeiten, Verluste und Strafen zuziehen. Auch beim Einzug der Rechnungen und bei anderen Gelegenheiten muß man die betreffenden Verordnungen über das Handelsrecht kennen. Daß gründliche geographische Kenntnisse nicht nur für den jungen Kaufmann, sondern auch für den jungen Buchhändler eine Notwendigkeit sind, bedarf keiner Erörterung. Ich habe in dieser Beziehung merkwürdige Erfahrungen machen müssen mit Leuten, die kaum wußten, in welchem Lande sie sich befanden. Die Reklame kann im heutigen Gescllschaftsleben nicht mehr entbehrt werden. Wenn einer selbst Gold für Blei anzubieten hat, wird er es nicht los, wenn er es nicht bekannt macht. Er mutz es verstehen, hübsche Prospekte zu verfertigen, auch in fremden Spra chen, und wird dabei viel lernen. Besonders im Verlag im Ausland, wenn es sich um fremdsprachliche Bücher handelt, kann er sein Wissen bereichern, in der Herstellung der in fremder Sprache erscheinenden Werke, im Verkehr mit den Buchdruckcreien und Buchbindereien im Lande und mit der fremden Presse. Ein sehr heikles Thema ist auch die gute Schaufenstcr- dekoration in der Fremde. Noch viel schwieriger als zu Hause, weil auf alle die fremden Sprachen Rücksicht genommen werden soll, und besonders auch auf die Landessprache. Da kann mau schreckliche Dinge beobachten. Man steht vor einem Schaufenster, in der bekannten, eintönigen Art, von oben bis unten in dichten, ununterbrochenen Reihen Bücher in allen Farben. Dazu sind noch eine Anzahl Neuangekommener Bücher an der Fensterscheibe auf gestellt, die wacklig und schief dastehen, daß es ein Graus ist. Da fährt Plötzlich durch das Biichcrgestrüpp ein langer Arm und holt mit sicherer Hand eines der melancholisch an der Fenster scheibe lehnenden Bücher, so daß eine Lücke entsteht. Dabei fliegen zwei benachbarte Bücher um und bleiben auf dem Boden des Schaufensters liegen. Das kann dir auch passieren, denkst du in deiner Naivität, der Herr Kollege wird das in den nächsten fünf Minuten, wenn er den Kunden expediert hat, schon in Ord nung bringen. Ja, Kuchen, — geht man in acht Tagen vorbei, so ist zwar die Lücke durch inzwischen neu gekommene Bücher aus gefüllt — wären keine gekommen, so wäre dies auch nicht der 1334 Fall —, die beiden umgefallenen liegen aber immer noch aus dem Rücken — gerad aus dem Wirtshaus komm ich heraus! Das ist eine Schauerballade von einem Schaufenster, wie man es nicht machen soll. Allerdings ist es im Ausland schwieriger, allen den An forderungen gerecht zu werden, aber dafür ist es auch viel inter essanter und lohnender als zu Hause. Man denke nur daran, man hat hier Bücher in allen Sprachen zur Verfügung, Bilder, Landkarten, Panoramen aller Art. Ist ein großer Raum vorhanden, so ist folgende Anordnung, wie ich cs öfter beobachtet habe, sehr ansprechend: Im mittleren Schaufenster deutsche Bücher in gefälliger Aufmachung, am besten mit Hilfe von ein paar Kartons oder Kisten als Untergrund oder Kulisse. Und dann, bitte schön, nur nicht diese bekannten fünf bis sechs Reihen Bücher neben Büchern, zuerst eins mit blauem Umschlag, dann eins mit gelbem, dann eins mit rotem, dann eins mit weißem, und so fort mit Grazie in in- kinitum. Das sicht schrecklich aus und ermüdet schon wegen der Farbenschachtelei das Auge des Kunden. Ein hübscher und ori gineller Aufbau, der vielleicht viel weniger Bücher verwendet als der erstgenannte, wird viel eher besichtigt, und es wird viel mehr davon gekauft werden. Dieser Auslage folgen zur Rechten und zur Linken französische und englische Bücher, sodann solche in der Landes sprache und in verschiedenen Sprachen. Ich habe immer gefunden, daß die Trennung der verschiedenen Sprachen von großem Vorteil ist. Der Kunde weiß genau, wo seine Sprache untergebracht ist, und wird dort Umschau halten, ob nichts Neues erschienen ist. Neu erschienene Bücher, soweit sie der Beachtung wert sind, müssen natürlicherweise besonders von den übrigen unterschieden werden; dies geschieht am besten durch einen kleinen Karton: »Soeben erschienen«, »Visnt äe xaraitre«, »ckust out!«. Manche Kollegen Hallen es für eine Sünde, während des Jahres Prachtwerke und größere Geschenkwerke ins Schaufenster zu legen. Die Bedenken, daß solche Werke nur zu Weihnachten gekauft werden, fallen im Ausland meistens weg. Es wirkt sehr dekorativ, wenn mitten unter den broschierten Büchern ein elegant gebundenes Reisewerk in Quart oder Folio liegt. Zur Ausschmückung des Hintergrundes haben wir eine Menge Dinge, als da sind: Landkarten, Globen, Lehrmittel, Panoramen, ge gebenenfalls auch die großen farbigen Beilagen der illustrierten Blätter. Vorn, mitten unter den Büchern, möchte ich sie nicht verwenden: das mittlere Schaufenster für die deutschen Werke, tergrund noch gut gesehen. Eine Buchhandlung z. B., die fünf Schaufenster zur Ver fügung hat — beatus ilio —, würde sie in folgender Weise verwenden: das mittlere Schaufenster für die deutschen Werke, dann auf der einen Seite eins für französische Literatur und Kunst, die im Ausland, man mag hinkommen, wohin man will, überall sehr begehrt ist, eine weitere für englische Literatur und amerikanische, ein weiteres für die betreffende Landessprache, soweit sie nicht schon in einem der obigen enthalten sein sollte, und schließlich eins für die verschiedenen anderen Literaturen in holländischer, schwedischer, spanischer, portugiesischer und rus sischer Sprache. Ein Schmerzenskind im Auslande sind auch die fremden Zeitschriften und Zeitungen. Meistens ist hierfür, wenigstens in den großen Buchhandlungen, ein besonderer Tisch vorgesehen mit Stühlen, woran sich die verehrlichen Kunden und solche, die es werden wollen, in aller Bequemlichkeit niederlassen und blät tern können. Dies ist eine Einrichtung, die ich beinahe überall getroffen habe, es entsteht bei dieser Gelegenheit ein Gespräch über dies und jenes, der Kunde kauft eine Zeitung, und dabet wird ihm, wenn ein guter Verkäufer in der Nähe ist, für einige Mark noch das oder jenes Buch aufgehängt, kurz, eine derartige Ncuigkeitsbörsc mit Zeitschriftenvcrtrieb lohnt sich schon, wenn sie richtig betrieben wird. Nun mutz aber auch den Leuten auf der Straße, die sich nicht so ohne weiteres in die Löwenhöhle wagen, gezeigt werden, daß hier alle wichtigen deutschen und ausländischen Zeitschriften, Zeitungen und Magazine zu haben sind. Vielfach geschieht dies durch einen langen Messinghalter, an dem die Zeitschriften