Volltext Seite (XML)
202 Börsenblatt f. b. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 4. 5. Januar 1912. Felix Dahn s. — Der bekannte Dichter, Geschichtsforscher und Nechtslehrer Geheimrat vr. Felix Dahn, ord. Professor des Deutschen Rechts in Breslau, ist im Alter von 77 Jahren am 3. Januar dort verschieden. Seine Studienzeit hat Dahn, der am S. Februar 1834 in Hamburg geboren war, in München und Berlin verbracht. In München hat er sich 1867 habilitiert — nachdem bereits zwei Jahre zuvor sein dichterisches Erstlingswerk, das kleine Epos »Harald und Theano», erschienen war. Für Geibels Münchener Dichterbuch hat er seine ersten Balladen geschrieben. Den Münchener Jahren, die er später selbst in seinen »Er- innerungen (Leipzig 1890—95) geschildert hat, folgte von 1863 ab die Zeit der Wirksamkeit als Jurist 'und Historiker, zuerst in Würzburg, wo er 1865 zum ordentlichen Professor für Staatsrecht, Deutsches Recht und Rechtsphilosophie ernannt wurde, — dann von 1872 ab in Königsberg und zuletzt von 1888 in Breslau. Und damit begann dann die Zeit der Fruchtbarkeit für ihn, die sowohl auf wissenschaftlichem, wie künstlerischem Gebiet von einem kaum übersehbaren Reichtum ist. Mit den »Königen der Germanen«, die in den Jahren 1861 bis 1871 entstanden und in den neunziger Jahren fort gesetzt wurden, machte er den Anfang. Studien über Westgotisches Recht, über deutsches Privatrecht und Handelsrecht, über Prokopius von Cäsarea und Paulus Diakonus schlossen sich an. Am bekanntesten geworden,ßneben seinem Hauptwerk, den »Königen der Germanen«, ist von diesen wissenschaftlichen Arbeiten seine »Vernunft im Recht. Grundlagen der Rechtsphilosophie« aus dem Jahre 1879 (Berlin, Janke) und das vierbändige Werk »Urgeschichte der germanischen und romanischen Völker«,^1881/89 (Berlin, Historischer Verlag Baumgärtel). Alle diese Forschungen und Untersuchungen aber bildeten gewissermaßen nur den Nährboden für seine dichterische Produktion, die Anfang der siebziger Jahre zuerst wieder stärker einsetzte. 1874 erschien die Halfred Sigskaldsaga »Sind Götter?«, die erste der nordischen Erzählungen, denen sich dann weiterhin die kleinen Dichtungen »Was ist die Liebe?«, »Friggas Ja«, »Skirnir«, »Odhins Rache« und vielleicht das bedeutendste aus diesem Kreise »Odhins Trost« anschlossen. Die stärkste dichterische Gestaltung seines Lebensgefühls wird, so sagt die »Voss. Zeitung« in ihrem Nachruf, dem wir folgen, der »Kampf um Nom« bleiben, der mit Recht sein größter Erfolg gewesen ist und seinen Platz neben Scheffels »Ekkehard« und den »Ahnen« Gustav Freytags wohl auch behaupten wird. In jedem Fall können weder die zahlreichen kleinen Romane aus der Zeit der Völkerwanderung (13 Bde.), obgleich beispielsweise der »Chlodovech« manches Interessante enthält, noch die große Erzählung von Julian dem Abtrünnigen sich mit der dichterischen Kraft und dem Reichtum jenes Sanges vom Untergang der letzten Goten messen. Auch mehrere Sammlungen Gedichte und eine Anzahl Dramen hat Dahn hinterlassen, von denen die Trauerspiele »König Roderich« und »Markgraf Nüdeger von Bechelaren« am bekanntesten geworden sind. Seine Werke sind mit geringen Ausnahmen sämtlich im Ver lage von Breitkopf <L Härtel in Leipzig erschienen; sein ge- lesenstes »Ein Kampf um Nom« 1910 in 68. Auflage. Die Werke poetischen Inhalts gab der Verlag 1898/99 in 21 Bänden gesammelt heraus, diesen schloß sich in den letzten Jahren noch eine »Neue Folge« von 4 Bänden an. In dem wirklich echten Nationalitätsempfinden Dahns liegt das Geheimnis seines Erfolgs; er war in erster Linie Germane, Deutscher und hat sein Leben lang mit Wärme und Begeisterung für deutsche Art und Volkstum gearbeitet und gestritten. Durch sein lebendiges Empfinden für seine germanischen Helden hat er die Herzen der Jungen und Alten erobert. Sprechsaal. Zu den Neformbestrebungen des deutschen Buchhandels. Zu der Entgegnung der Redaktion auf den Sprechsaalartikel meines Kollegen Georg Niehrenheim in Bayreuth (1911, in Nr. 294 des B.-Bl.) bemerke ich ganz kurz folgendes: Seit der vorigen Kantateversammlung ist es bei allen offiziellen Versamm lungen klar und deutlich bewiesen worden, daß die Spesen des Sortiments heute 26A betragen. Folglich ist es ein Unsinn, ja geradezu Selbstmord zu nennen, wenn der Sortimenter den Be hörden auf wissenschaftliche Literatur, die fast ausschließlich nur mit 25U rabattiert wird, noch 6U geben soll. Mein Kollege hat also vollkommen recht, diesen Rabatt unzeitgemäß und un gerechtfertigt zu nennen und zu verlangen, daß der Börsen verein unter vollständiger Klarlegung aller Verhältnisse eine Eingabe an die betreffenden Ministerien machen soll, dahingehend, daß hinfort auf diesen Rabatt verzichtet werde. Kein Staat und kein Minister kann einem Gewerb- treibenden zumuten, sich selbst zugrunde zu richten; das aber geschieht durch solchen unzeitgemäßen und ungerechtfertigten Rabatt. Vielmehr ist es Aufgabe und Pflicht des Staates und seiner leitenden Persönlichkeiten, einen im Volksleben gewichtig mitsprechenden Stand — ein solcher ist und bleibt einmal der deutsche Buchhandel — gesund und lebensfähig zu erhalten. Tut man das in ganz hervorragendem Maße bei der deut schen Landwirtschaft durch die Branntweinliebesgabe, durch außer- ordentlich hohe Getreide- und Futtermittelzölle, durch Getreide- Einfuhrscheine usw., so sehe ich nicht ein, warum nicht auch jeder andere Stand auf denselben Schutz und die gleiche Fürsorge An- spruch erheben soll und darf, also auch der deutsche Buchhandel! Tilsit. Louis Magath. Wir wollen uns, obwohl die Sache durchaus nicht so einfach ist, wie sie Herr Magath hinstellt, gleichfalls größter Kürze be fleißigen, zumal das Wesentlichste, worauf es ankommt, nämlich die vertragliche Verpflichtung des Börsenvereins gegenüber den Biblio theken, bis zum Jahre 1920 keine Änderung in den gegenwärtigen Verhältnissen eintreten zu lassen, von dem Herrn Einsender überhaupt nicht berührt wird. Daß die Spesen im Sortiment 26A betragen, ist allerdings des öfteren behauptet, u. W. aber nie bewiesen worden. Auch dürfte es schwer sein, bei der Verschiedenheit der Natur der einzelnen Sortimentsgeschäste, ihrer Größe und Kapitalkraft, sowie der örtlichen Verhältnisse zu einem Einheitssatz bei der Spesenberechnung zu gelangen. Es ist unseres Erachtens nicht Sache des Staates, sondern Sache der Verleger, die Wert auf ein leistungsfähiges Sortiment legen, die Existenzmöglichkeit desselben durch Festsetzung eines angemessenen Rabatts zu gewährleisten. Ob eine allgemeine Erhöhung der Rabattsätze im Interesse des Sortiments liegt, möchten wir bezweifeln, und auch die Mehrheit der Verleger gelangt mehr und mehr zu dem Standpunkte, den Rabatt nicht von der bloßen Zugehörigkeit einer Firma zum Buch handel, sondern von ihrer Tätigkeit für sie abhängig zu machen. Aus der Wichtigkeit eines Teiles unseres freien Handelsstandes für die All gemeinheit der Volksgenossen läßt sich allein noch kein Recht auf einen besonderen Schutz des Staates herleiten, zumal Wert und Bedeutung des Sortimentsbuchhandels nicht an sich feststehen, sondern erst durch die Art der Auffassung dieses Berufs bestimmt werden. Von dem Staat kann nur dann ein Eingriff in die Einzelwirtschaften verlangt werden, wenn es das Gesamtinteresse erheischt oder gewisse Be dürfnisse ohne sein Zutun nicht oder nur ungenügend befriedigt werden können. Davon kann im Buchhandel nicht die Rede sein, ja, wir wissen alle, daß die Zahl der buchhändlerischen Betriebe längst nicht mehr im richtigen Verhältnis zu ihren Leistungen steht und zu Arbeiten, die von einem Betriebe geleistet werden können, sich oft eine ganze Anzahl drängen, während andere Funktionen buchhändlerischer Natur — es sei hier nur an die Volksbildungsbestrebungen erinnert — oftmals ungetan bleiben, weil das Sortiment sie nicht übernehmen zu können glaubt. Wenn der Staat die Landwirtschaft in außergewöhnlichem Maße unterstützt, so hat dies seinen Grund nicht nur in der Be deutung der agrarischen Wirtschaft für unser gesamtes Volkstum, sondern auch darin, daß Industrie und Handel die Landwirtschaft weit überflügelt haben. Während die Zahl der landwirtschaft lichen Bevölkerung seit 100 Jahren annähernd dieselbe geblieben ist, hat die nichtlandwirtschaftliche sich in derselben Zeit um das 7fache vermehrt. Erhält auch heute der Bauer nicht mehr wie in früheren Jahren den Staat, so hat die Volkswirtschaft doch ein sehr berechtigtes Interesse an seiner Begünstigung, solange sich den distributiven Gewerben, zu denen ja auch der Sortimentsbuchhandel zählt, ungleich mehr Personen zuwenden als der Landwirtschaft und die neue Wirtschaftsordnung ohne den Bauer noch nicht auskommt. Red.