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73. 1. April 1910. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtjchn. Buchhandel. 3895 lichkeit, kaum je aber auf die genaue gleiche stoffliche Zusammen setzung erstrecken. Wenn daher einem Schriftstücke etwa ein Bogen zugefügt wird, so wird man auf Grund der Zusammensetzung in den meisten Fällen sehr wohl in der Lage sein, Übereinstimmung oder Verschiedenheit festzustellen. Dasselbe gilt beim Vergleiche von Papieren überhaupt, etwa von anonymen Schriftstücken, mit Papier, das bei einem Verdächtigten beschlagnahmt wurde. Einen Anhalt bei diesen Prüfungen hat man in den Vor schriften für die Lieferung und die Prüfung von Schreibpapier zu amtlichen Zwecken. Dabei werden folgende vier Stoffklassen unterschieden: 1. Papiere nur aus Hadern mit nicht mehr als 3A Asche. 2. Papiere aus Hadern mit Zusatz bis zu 25 U Zellulose, Strohstoff, Esparto, aber frei von Holzschliff, mit nicht mehr als 5A Asche. 3. Papier von beliebiger Stoffzusammensetzung, jedoch ohne Zusatz von Holzschliff mit nicht mehr als 15 A Asche. 4. Papiere von beliebiger Stoffzusammensetzung und mit be liebigem Aschegehalt. Jedes Papier muß leimfest sein. Innerhalb dieser Klassen sind nun Hunderte von verschiedenen Papiersorten möglich, die sich noch weiter nach ihrer physikalischen Beschaffenheit, wie Dicke, Glätte, einfache oder kreuzweise Rippung, leinwandartiges Gefüge wie im Velinpapier, durch Wasserzeichen u. a. m. unterscheiden. Liegen zum Vergleiche genügende Mengen der betreffenden Papiere vor, dann wird man zur Unterscheidung auch gewisse chemische Reaktionen und Bestimmungen heranziehen können, z. B. Gewicht der gleichen Fläche des Papiers, Aschegehalt, chemische Zusammensetzung der Asche, z. B. ob eisenhaltig oder nicht, Art des Leims, z. B. ob tierischer Leim oder Harzleim, Menge des meist aus dem Leim stammenden Stickstoffs, u. a. m. Verfügt man jedoch, was oft zutreffen wird, für solche Be stimmungen nicht über genügend Material, oder muß das Papier, weil einer Urkunde angehörig, geschont werden, dann wird man sich auf Reaktionen beschränken müssen, die sich mit kleinen Mengen anstellen lassen, und die dabei doch beweisend sind. Ehe man zu Versuchen schreitet, die das Papier chemisch unter dem Mikroskope vörgenommen werden kann, dient vornehm lich der Nachweis von Holzschliff und von Stärke. Er geschieht mit Hilfe von Farbenreaktionen, gelingt daher nur mit unge färbtem Papier. Eine Lösung von schwefelsaurem Anilin, das stark basische Anilin ist Amidobenzol färbt holzschliffhaltiges Papier schön hellgelb. Phlorogluzin, ein Triphenol oder Trioxybenzol 6tzklz(0U)g, in salzsäurehaltigem Alkohol gelöst, erzeugt auf holzhaltigem Papier eine prachtvolle, violettrote Färbung, deren Stärke mit dem Ge halt an Holzschliff wächst, so daß man sogar mit dieser Reaktion seine Menge annähernd zu schätzen imstande ist. Man hat sich eine Skala von Färbungen dieser Art mit Papier verschiedenen, aber bekannten Holzschliffgehalts hergestellt. (Auf der sdem Dennstedtschen Werkes beigegebenen Tafel 11, Fig. 109, sind drei auf diese Weise gefärbte Papierstreifen mit 2 und 3A Holz schliff dargestellt; man kann dann durch Vergleich in einem Papier den unbekannten Holzschliffgehalt annähernd feststellen. Verdünnte Jodlösung färbt stärkehaltiges Papier je nach deren Menge mehr oder weniger dunkelblau durch Bildung von Jod stärke. Unter dem Mikroskop kann man an der gleichmäßigen Färbung erkennen, ob das Jod als Stärkekleister verwendet wurde oder, wenn man die dunkelgefärbten einzelnen Stärkekörner un beschädigt erkennen kann, ob ungekochte Stärke vorliegt. Diese. Reaktionen sind sehr schnell und leicht ausführbar und gestatten ^her unter Umständen, in kurzer Zeit und sicher fest zustellen, daß zwei äußerlich ähnliche Papiere doch durchaus ver schieden sind; über die Gleichheit sprechen sie sich natürlich weniger sicher aus. Darüber kann man, wenn nicht große Papiermengen zur Verfügung stehen, nur auf mikroskopischem Wege einigermaßen sicheren Aufschluß erhalten. Obwohl in der Papiermasse das Material absichtlich nach Möglichkeit zerrissen und verfilzt wird, lassen sich aus den Bruch stücken die verschiedenen Pflanzenfasern, wie Baumwolle, Leinen, Jute und die verschiedenen Holzelemente nach ihrer Herkunft mehr oder weniger sicher erkennen und unterscheiden. Leicht zu erkennen ist die schlauchähnliche Baumwollfaser mit einer inneren Höhlung, dem »Lumen«, das bis zu zwei Drittel des ganzen Durchmessers ausmacht. Beim Trocknen klappen die Wände dieses Schlauches zusammen, und die Faser dreht sich dabei in charakteristischer Weise spiralförmig (wie man das aus der mikroskopischen Abbildung Figur 110, Tafel 12, die daneben den Hanf zeigt, erkennt). Hanf- und Leinenfaser besitzen nämlich diese Drehung nicht, haben auch nur ein sehr enges, linienartiges Lumen und weisen charak teristische, bambusrohrähnliche Verdickungen auf und ungefähr senkrecht zum Hohlkanal verlaufende Poren. Für die Jutefaser, die übrigens nur für schlechte Papiere, z. B. für gewöhnliche Briefumschläge verwendet wird, ist charak teristisch, daß die Wandstärke an verschiedenen Stellen verschieden stark ist. (In der Abbildung, Fig. 111, Tafel 12, ist dieser Faser die nach Herkunft mehr oder weniger dicke, durch dachziegelartige Beschuppung ausgezeichnete Wollfaser gegenübergestellt.) Holzschliff und Holzzellstoff finden sich nicht in einzelnen Zellen, sondern in ganzen Bruchstücken von Fasern und Faserbündeln die man manchmal als Splitter schon mit der Lupe im Papier, erkennen kann. Der anatomische Bau ist natürlich in dem nur mechanisch zerriebenen und gewaschenen Holzschliffe besser erhalten und deutlicher erkennbar, als in dem unter Druck zerkochten Zellstoffe. Leicht aufzufinden und für Nadelholz charakteristisch sind die als zwei konzentrische Kreise erscheinenden Holzzellen oder »ge hüsten Tüpfel« und die quer dazu liegenden Markstrahlzellen; diese werden jedoch deutlich nur im Holzschliff, nicht mehr im Holzzellstoff gefunden. Der Holzschliff der Laubhölzer zeigt in Fasern und Mark strahlen weniger Besonderheiten; doch finden sich dafür röhren artige Gefäße, die einen Schluß auf die Herkunft gestatten. Das mikroskopische Bild der Papiermasse kann durch Färbung mit Jodjodkalium- oder Chlorzinkjodlösung, die die Fasern verschiedener Herkunft verschieden färben, deutlicher gemacht und dadurch die Unterscheidung erleichtert werden. Die chemische und mikroskopische Prüfung des Papiers kann natürlich nicht vom Untersuchungsrichter vorgenommen werden, sondern muß dem Sachverständigen Vorbehalten bleiben. Immerhin wird es auch dem Laien in einzelnen Fällen möglich sein, sich schnell wenn auch nicht über die Gleichheit, so doch über die Verschieden heit zweier Papiere Sicherheit zu verschaffen. In erster Linie dient dazu die Farbe, denn selbst angeblich weiße Papiere zeigen sehr deutliche Unterschiede, wenn man sie unmittelbar neben einander betrachtet, da Papier mehr oder weniger durchscheinend ist, natürlich auf derselben, gleichgefärbten Unterlage. Die Unter schiede werden manchmal deutlicher, wenn man nacheinander ver schieden gefärbte Unterlagen benutzt, je nach dem Farbton der zu vergleichenden Papiere. Auch die durch die größere und geringere Dicke des Papiers bedingte Durchsichtigkeit kann man leicht feststellen, indem man die zu vergleichenden Papiere nebeneinander auf dieselbe Druck schrift oder Zeichnung legt, bei dicken Papieren gegen das Licht auf die Fensterscheibe. Auch die Lupe leistet dabei nützliche Dienste, besonders auch bei der Betrachtung der Oberfläche bei auffallendem Lichte; denn scheinbar ganz ähnliche Papiere lassen bei sorgfältiger Betrachtung oft deutliche Unterschiede in Gestalt besonders gefärbter Fäserchen, Holzschliffsplitter, eigentümlich ge formter Poren, Farbstoffpartikelchen, z. B. Ultramarin u. a. m., erkennen. Endlich gibt die »Leimfestigkeit« einen Anhalt, ob man es mit gleichem oder verschiedenem Papiere zu tun hat. Man prüft in der Weife, daß man mit einer neuen Stahlfeder einen Tropfen Wasser auf das Papier aufsetzt, so daß er in Gestalt einer kleinen abgeplatteten Kugel darauf stehen bleibt. Mit der Sekundenuhr wird die Zeit festgestellt, bis dieser Tropfen sich sternförmig aus zubreiten beginnt. Das ist deutlicher zu erkennen, wenn man das Wasser mit etwas Tinte dunkel gefärbt hat. Natürlich hat man den Versuch an verschiedenen Stellen zu wiederholen und von den gefundenen Zahlen den Durchschnitt zu nehmen. Die 602*