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98 Nichtamtlicher Theil. ^ 7, 10. Januar. tcn indcrCultur bei seiner Beurteilung zu Rathe zu ziehen versteht- Unter diesen Einzelheiten in der Culturgcschichte der Neuzeit ist die Entwicklung des Buchhandels nicht die letzte; das sollten sich die Buchhändler aber zu Herzen nehmen und es nicht verschmähen, ihren kritischen und historischen Bemerkungen Körper und Gestalt zu geben, was um so mannigfacher und lehrreicher ausfallcn dürfte, weil unser deutscher Bnchhändlcrstand, der unter allen verhältniß- mäßig der Gesellschaft ein sehr großes Conlingcnt gebildeter Leute stellt, seine Wurzeln in so vielen fremden Ländern geschlagen hat. Die Vereinigung der Lombardei mit Italien im Jahre 1859 hat im bnchhändlerischcn Verkehr die ersten Steine eines regeren Lebens gelegt, von denen bald Toscana und Süd-Italien die besten Früchte zogen. Die Beziehungen wurden häufiger und leichter, der Riesenschritt, den die italienische Regierung mit der damaligen neuen Paßordnung zu machen wagte, war entscheidend für die Entwicklung vieler bisher nicht bedeutender Häuser. Die Einverleibung des Vcnetianischcn 1866 erweiterte den bisher von Censur und Zollamt beschränkten Wirkungskreis; der Meinungsaustausch unter den ver schiedenen Provinzen Italiens, namentlich durch Vermittlung des Journalismus, machte Nord- und Süd-Italien darauf aufmerksam, daß diesseits und jenseits der früheren Grenzen cs eine Literatur gab, die allerdings nicht bedeutend war, von deren Existenz aber die meisten Buchhändler gar keine Ahnung hatten. Solche Verhältnisse machten auch eine Annäherung unter den Buchhändlern der verschiedenen Provinzen nothw endig; cs gab kein bibliographisches Journal, ein jeder Berührungspunkt, der nicht gerade individuell von Geschäft zu Geschäft ging, fehlte; an ein Ge meinwesen im italienischen Buchhandel war gar nicht zu denken. Das so kläglich zu Grunde gegangene große Verlagsgeschäft von Stella in Mailand hatte in den vierziger Jahren keine Mühe und Unkosten gespart, um ein Blatt für den Buchhandel, gewissermaßen als Katalog zu schaffen; seine Bemühungen waren aber vergebens, das Unternehmen schlief allmählich wieder ein. Nach zehnjähriger Unterbrechung machten wir selbst einen ähnlichen Versuch im Jahre 1859—60, welcher leider keinen bessern Erfolg hatte. Zweijährige Mühe und Sorgfalt waren vergebens darauf verwandt worden; der Grundgedanke, durch Schaffung der Liblioxraüa Itnlinnn, welche wir gratis vcrthciltcn, ein Commissionsgeschäft für Italien selbst, wo cs noch heute fast ganz daran fehlt, zu begründen, verwirklichte sich nicht nur nicht, sondern erzeugte in uns die feste Ueberzeugung, daß unter den dermaligen Zuständen der italienische Buchhandel zu jeder Reform unreif sei; denn andernfalls hätten viele Buchhändler, welche unsere LiblioAraüa franco und gratis geliefert erhielten, die selbe nicht obendrein rcfüsirt. Das alte Haus Molini in Florenz machte einen dritten Ver such, welcher ebenso kläglich als die früheren zu Grunde gehen mußte. Obgleich das Journal, nach italienischen Verhältnissen be messen, ziemlich gut redigirt wurde, fand cs keinen Zuspruch, eben weil der italienische Buchhändler damals und großentheils auch heute das Bcdürsniß nicht erkannte, noch anerkennt, welches die Kenntniß der tagtäglichen Erscheinungen als eonäitio sine gun von eines Geschäftes im Verkehr durchaus obenan setzt. Im Jahre 1864 entstand in Mailand der Oiroolo Iraliano llelln lübreria, lipoArnün sei ^rti alüni, welches die Basis zu einem Buchhändlcrvcrein für Italien bilden sollte. Man schuf ein Blatt unter dem Namen Oiroolaro, welches manches Gute, unter anderm das erste Adreßbuch der italienischen Buchhändler nach Städten geordnet brachte. Der Oiroolo hatte ein eigenes Local, aber wozu diente das alles, wo der Gemeinsinn fehlte! Das Haus Duclli L Co-, welches eine Haupttricbfcdcr in dieser neuen Richtung war, brach unter dem Gewicht seiner für italienische Verhältnisse zu großen Unternehmungen zusammen und bald darauf oder gleichzeitig starben Verein und Oireolars an der Auszehrung. Die Trümmer aller dieser Versuche aber entmuthigten die Leute im italienischen Buchhandel nicht, welche die Ueberzeugung hatten, daß in einem wiedergebornen Volke auch eine neue Literatur und mit ihr ein gesunder und mächtiger Buchhandel der Natur nur entsprechend sein müsse. Die Firmen Loescher, Fratelli Bocca und Münster ver einigten sich im Jahre 1867 behufs Herausgabe der noch jetzt er scheinenden Biblioxraüa ck'Italia, von der ich Ihnen in meinem nächsten Briefe, der auch den im September in Neapel stattgchabtcn Buchhändlercongrcß behandeln wird, Näheres zu berichten beab sichtige. Rechtsfalle. Aus Berlin, 14. Dec. berichtet die National-Zeitung: „Vor dem 1. Criminalsenat des Obertribunals wurde soeben folgender interessante Nachdrucks- resp. Nachbildungsprozeß verhandelt, welcher bereits in prozessualischer Hinsicht die Mangel haftigkeit unserer neuen Gesetzgebung in evidenter Weise zu Tage treten läßt, da, weil cs sich um die Nachbildung eines Kunstwerks handelt, in dritter Instanz das preußische Obertribnnal die compe- tente Behörde bildet, während bezüglich Nachbildungen, welche ihrem Hauptzweck nach nicht als Kunstwerk zu betrachten sind, die Kompe tenz auf den Leipziger Rcichs-Oberhanbelsgerichtshof übergegangen ist (§. 43. des Bundesges. vom 11. Juni 1870). — Der Kaufmann Z. zu Bremen hatte im vorigen Jahre eine Bleifeberzcichnung ange fertigt, welche den Kaiser Napoleon III. im Belte liegend und den Reichskanzler Fürsten Bismarck auf ihm kniecnd darstellte und mit der Bezeichnung «Alpdrücken eines allen Sünders« versehen war, an welche sich ein vicrstrophigcs den Endrefrain: »Hat ihm schon« ent haltendes Lied reihte. Nachdem Z. diese Zeichnung durch den Pho tographen H. hatte vervielfältigen lassen, ohne sich jedoch seines Eigen thumsrechtes zu entäußcrn, bot letzterer unter Zusendung einer An zahl Exemplare dem hiesigen Kaufmann Linde den Vertrieb derselben an, erhielt jedoch von diesem die Rückantwort, daß er die Photo graphien nicht gebrauchen könne. Dies geschah jedoch nur zum Schein, denn Linde hatte inzwischen durch den Photographen S. eine Anzahl Nachbildungen von einer durch den Maler Dt. in Tusche an- gefcrtigten, jedoch liefern Schatten als das Original anfwcisenden Ab zeichnung Herstellen lassen und dieselbe in den Handel gebracht. Auf Antrag dcsZ. wurdedcmzufolge die gerichtliche Verfolgung gcgenLinde eingelcitet und er seitens des hiesigen Stadtgerichts am 4. Mai c. auf Grund der §§. 10., 11., 30. des Nachdruckgesctzes vom 11. Juni 1837 unter der Feststellung, daß es sich um unbefugte mechanische Vervielfältigung eines Kunstwerks handle, in Strafe genommen, indem das Gericht den Einwand, daß das Bild nicht gegen Nach druck geschützt gewesen, da unter ihm kein Autor genannt sei, mit Rücksicht darauf, daß in Bremen keine besonderen Formalitäten zur Erlangung des Schutzes erforderlich seien, verwarf. Auf die hier gegen eingelegte Appellation des Angeklagten bestätigte Las Kam- mcrgericht am 9. September c. das verurteilende Erkennlniß und führte aus, daß cs des im §. 27. des Gesetzes von 1837 für Preußen vorgcschriebcncn Schutzes nicht bedurft habe, nach dem Bundesgesetze vom 19. Juni 1845, Nr. 3. als Ergänzung zu dem Bundesbejchluß von 1837, es genüge, um den Schutz in allen deut schen Bundesstaaten in Anspruch nehmen zu können, die Bedingun gen und Förmlichkeiten erfüllt zu haben, welche diescrhalb in dem jenigen Slaate, in welchem das Originalwerk erscheint, gesetzlich vorgeschriebe» seien. Die nunmehr eingelegte und in der münd lichen Verhandlung vor dem Obcrtribunal des Weiteren durch den Justizrath Romberg ausgcführtc Nichtigkeitsbeschwerde culmi- nirte in dem Nachweise, daß in dem Bnndcsbeschlusse vom 19. Juni 1845 keine Andeutung zu finden sei, daß seine Tendenz auf Auf hebung des Bundesbeschluffcs vom 9. November 1837 gerichtet gewesen sei, gemäß dessen 8. 2. das Eigentumsrecht eines artisti-