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1902 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 36. 13. Februar 1912. oollsotio verkauft worden. Sieht man schon daraus, wie sehr sie begehrt worden sind, trotz aller der ihnen in den Weg gelegten Hindernisse, und daß der Einfluß, den der tiefe und edle Denker ausübte, auch auf seine Zeitgenossen bedeutend genug war, so läßt sich das doch nicht mit den tiefgehenden Wirkungen vergleichen, die seine Schriften späterhin, be sonders im Jahrhundert der Aufklärung, in der ganzen Welt gehabt haben. Es ist das kaum bester wiederzugeben, als in Goethes Worten aus Dichtung und Wahrheit, wo er sagt (14. Buch): »Dieser Geist, der so entschieden auf mich wirkte, war Spinoza. Nachdem ich mich nämlich in aller Welt um ein Bildungsmittel meines wunderlichen Wesens vergebens umgesehen hatte, geriet ich endlich an die ,Ethik dieses Mannes. Was ich mir aus dem Werke mag herausgelesen, was ich in dasselbe mag hineingelesen haben, davon wüßte ich keine Rechenschaft zu geben; genug, ich fand hier eine Beruhigung meiner Leidenschaften, es schien sich mir eine große und freie Aussicht über die sinnliche und sittliche Welt aufzutun. Was mich aber besonders an ihm fesselte, war die grenzenlose Uneigennützigkeit, die aus jedem Satze heroorleuchtete. Jenes wunderliche Wort: Wer Gott recht liebt, muß nicht verlangen, daß er ihn wiederliebe — mit allen den Vordersätzen, worauf es ruht, mit allen den Folgen, die daraus entspringen, erfüllte mein ganzes Nachdenken. Uneigennützig zu sein in allem, am uneigennützigsten in Liebe und Freundschaft, war meine höchste Lust, meine Maxime, meine Ausübung, so daß jenes freche spätere Wort: Wenn ich dich liebe, was geht'L dich an? mir recht aus dem Herzen gesprochen ist.» — Eckermann sagt von Goethes Verhältnis zu Spinoza: »Er fand in ihm sich selber, und so konnte er sich auch an ihm ans das schönste befestigen.» — Dieser Begeisterung des 18. Jahrhunderts ist eine ausgedehnte wissenschaftliche Beschäftigung mit dem großen Philosophen im IS. Jahrhundert gefolgt. Sein Leben und seine Lehre haben nicht nur den bedeutendsten Forschern, sie haben auch den werdenden Gelehrten Stoff hier zu zahl reichen Übungsarbeiten und Dissertationen, dort zu großen und eingehenden Abhandlungen und Werken gegeben. Das spiegelt sich in dem vorliegenden, einer Biblio graphie ähnlichen Katalog nun in schöner Vollständigkeit alles wider. Die Werke Spinozas in ihren verschiedenen Ausgaben, von den ersten angefangen, mit ihren Über setzungen sind in 102 Nummern verzeichnet. Dann folgen von Nr. 103 bis 647 »Schriften über Spinoza und den Spinozismus» in chronologischer Anordnung, eine auch sonst sehr zu empfehlende Art der Verzeichnung, weil in ihr der Zusammenhang der einzelnen Bücher untereinander, die Wirkung des einen auf das andere, der Grad des wachsenden wie des abnehmenden Interesses sich am deutlichsten offen baren. Ein sehr sorgfältig gearbeitetes Register beschließt den Katalog. Die Sammlung, die auch die Bibliothek des bekannten Spinozaforschers I. Freudenthal in sich begreift, wird für den Preis von 5000.— angeboten. — Im November des vergangenen Jahres fand im Haag in van Stockums Antiquariat eine nicht unbedeutende Ver steigerung statt. Ein Teil der Bücher stammte aus dem Besitze zweier preußischen Prinzessinnen, der Prinzessin Friederike Sophie Wilhelmine, einer Schwester des Königs Friedrich Wilhelm III. (im Katalog merkwürdigerweise als Schwester Friedrichs des Großen bezeichnet), die den Prinzen Wilhelm V. von Oranien geheiratet hatte, und der Prinzessin Luise von Preußen, einer Tochter Friedrich Wilhelms III., die mit dem Prinzen Friedrich der Niederlande vermählt war. Es sind damals sehr wertvolle Werke unter den Hammer gekommen, z. B. eine ganze Reihe von illustrierten Beschreibungen Berliner Hoffestlichkeiten aus den Jahren 1802 bis 1829 (Dädalus und seine Statuen — Der große Maskenball 1804 — Die Weihe des Eros Uranios — Der Zauber der weißen Rose u. a. m ), dann die Kindermärchen von Contessa, Fouqus und Hoffmann in der ersten, sehr selten gewordenen Ausgabe, Grimms Kinder- und Haus märchen in der 2. Auflage, ein Exemplar von Kugler- Menzels Geschichte Friedrichs des Großen in der ersten Auf lage, in Lieferungen mit den Originalumschlägen, in diesem Zustande gleichfalls eine bemerkenswerte Seltenheit; schließ lich auch von Humboldt und Bonpland: »Vv/ags am rsgioos equivoriales äu klouveaa Oovtiosat, kalt äaos Iss L0V6S8 1799 L 1804. Paris 1807—1835», ein Werk, von dem voll ständige Exemplare mit kolorierten Tafeln gleichfalls zu den großen Raritäten des Büchermarktes gehören. Dies Exemplar treffen wir jetzt bei Joseph Baer L Co. wieder. Es ist der Clou eines Katalogs, der den Titel -Alexander von Humboldt» trägt. Er enthält Alexander von Humboldts Werke in 70 Nummern, seinen Briefwechsel mit Althaus, Berghaus, Goethe, mit Wilh. von Humboldt, Raumer, Varnhagen von Ense u. a, Lneiatur über ihn und Porträts, zusammen 178 Nummern. Auch diese Sammlung soll als Ganzes verkauft werden und zwar für ^ 9000.—. Das entspricht ungefähr dem Subskriptionspreise des großen Reisewerkes, und es würde nicht unerhört sein, wenn es allein im Antiquariat so gewertet würde. In rascher Folge sind so drei Kataloge (vk. »Libliotbsea utoxistioa» in Artikel I) zu verzeichnen, deren Inhalt nur so bloe verkauft werden soll. Für den Antiquar ist das etwas sehr Bequemes, namentlich wenn ihm sein Plan gelingt, für den Sammler als Einzelwesen aber ist es im Gegenteil sehr störend und unangenehm, wenn er das, was er zur Vervollständigung seiner Bibliothek braucht und sucht, vielleicht schon jahrelang sucht, in einem solchen Verzeichnisse findet, ohne es allein kaufen zu können. Darum scheint es wohlgeraten zu sein, solcher Art Kataloge nicht zu häufig zu bringen, jedenfalls nur dann, wenn die Eigenart und die Vollständigkeit einer besonderen Sammlung das gewister maßen erfordern, wenn also die Bibliophilie des Antiquars sich dagegen sträuben muß, eine Bibliothek zu vereinzeln, die niemals wieder so zusammenzubringen wäre. Als Erwerber kommen in solchen Fällen ja auch nur wenige in Betracht, selten eine Privatperson (vergleiche dazu allerdings im folgenden den Kauf der Sammlung Gaiffe durch Professor Stroehlin) und von Bibliotheken auch nur diejenigen, die auf einem zur Frage stehenden Gebiete mangelhaft versehen sind, oder aber ganz neu gegründete. Einige ausländische Bücherversteigerungen sind zu er wähnen. Vom 12. bis zum 16. Februar findet in Paris im Hotel Drouot die Auktion des zweiten Teiles und vom 21. Februar bis zum 2. März in den Salles Silvsstro die des dritten Teiles der Bibliothek des Professors Ernst Stroehlin aus Genf statt, veranstaltet von der Firma Ein. Paul et Fils et Guillemin. Der erste Teil ist schon früher unter den Hammer gekommen. Die Bibliothek Stroehlin ist unstreitig eine der größten Privatbibliotheken gewesen, die in letzter Zeit zum Verkaufe gekommen find; dabei gehört sie zu den bedeutendsten darunter und zu den äußer lich schönsten. Sie präsentiert sich fast durchaus in geschmack vollen neuen Halb- oder Ganzlederbänden. Vielleicht ist ihr früherer Besitzer hierin etwas zu weit gegangen; denn in der Sammlung, die zu einem großen Teile aus älteren Werken besteht, sind alle nicht ganz besonders hervorragenden alten Einbände ersetzt worden, und das geht natürlich nicht ab, ohne daß auch historisch wertvolles Material vernichtet wird. Die Bibliothek war besonders reich auf dem Gebiete der