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5926 Nichtamtlicher Teil. 172, 26. Juli 1901 gesetzbuch, das in seiner Art ganz einzig dastehe. »Aus ihm- — heißt es dann weiter — »geht so recht die ganze große wirtschaftliche und sozialpolitische Bedeutung hervor, die die in der Tarifgemeinschaft des Buchdruckgewerbes durchgeführte Art der Regelung der Lohn- und Arbeitsverhältnisse hat. Aus ihm geht hervor, mit welcher Gewissenhaftigkeit, Treue und Hingebung die zahlreichen Organe der Tarifgemeinschaft an der Auslegung wie an der Durchführung des Tarises arbeiten. Aus ihm geht auch hervor, welchen heilsamen ge werblichen Einfluß die in der Tarifgemeinschaft vereinigte Macht der Berufsgenossen auszullben vermag.« Und das Gehilfenblatt, der »Korrespondent für Deutschlands Buch drucker« sagte' »Es will sicherlich etwas heißen bei der heute im Wirtschafts- wie im bürgerlichen Leben vielfach herr schenden einseitigen Auffassung über die Stellung der Unter nehmer zu den Arbeitern und vios versa, ein ganzes nationales Gewerbe dazu zu befähigen, über diese Zerrissen heiten und Zerklüftungen hinweg zu schreiten, beide Teile in friedlicher Kulturarbeit zusammenzuführen und unbeschadet der speziellen Interessen Prinzipale und Gehilfen für den gewerblichen und sozialen Fortschritt praktisch wirken zu lassen. Was dadurch geschaffen und befestigt wird, ist niemals wieder zu zerstören, und der Tarifkommentar ist der sprechendste Beweis dafür, daß wir auf dem betretenen Wege eine Arbeit der Gegenwart und der Zukunft verrichten, die überall dort, wo man ein Verständnis für derartige Fragen zeigt, vorbildlich und nützlich wirken muß.« Daß diese Ansicht in der That richtig gewesen ist, be weist der neueste Geschäftsbericht des Tarifamtes für das Jahr 1900/1901, der noch dadurch an Interesse gewinnt, daß er einen Ueberblick über die ganze Zeit des Bestehens des Tarifamtes giebt. Bei Schaffung des Tarifes, sagt der Bericht, wurde er aus der einen Seite vielfach als gehilfen schädliche Institution angesehen, auf der anderen Seite ebenso oft als unangenehme Aufsichtsbehörde empfunden, und so »begann die Thätigkeit der tariflichen Organisation unter dem lähmenden Drucke des ihr von fast allen Seiten mehr oder weniger entgegengebrachten Mißtrauens und unter dem Gefühl, daß es ihr nicht möglich sein werde, während der fünfjährigen Giltigkeitsdauer des Tarifs den gesteckten Zielen näher zu kommen oder dieselben gar zu erreichen«. Heute kann es keinem Zweifel mehr unterliegen, daß das Experiment über Erwarten gut geglückt ist. Die Zahl der errichteten Schiedsgerichte reicht in ihrer jetzigen Höhe vollkommen zur Wahrung des tariflichen Rechts aus. Auf dem Gebiete der Arbeitsvermittelung ist reorganisierend ein gegriffen worden, und es wurde der Hebel angesetzt, die Arbeitsnachweise zu einem wichtigen Glieds der tariflichen Organisation auszugestalten. Die Zahl der tarifanerkennenden Firmen wächst denn auch ununterbrochen. Der Bericht veröffentlicht darüber folgende Statistik: Firmen Gehilfen bSftigt Lehr- 1897 3244 26 020 19 246 6774 9244 1898 2529 27 933 25 246 2088 7767 1899 2154 26 891 24 951 1940 6478 1901 3691 38 682 36317 2365 10171 Sehr verdient gemacht haben sich um die Schlichtung von Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung des Tarifs die Schiedsgerichte und besonders deren Vorsitzende. Ende 1897 waren nach dem Berichte erst 9 Schiedsgerichte errichtet, heute ist deren Zahl bis aus 21 gestiegen. Ver handelt haben die Schiedsgerichte in 309 Klagen; davon wurden entschieden nach dem Klageanträge der Gehilfen 170, nach dem der Prinzipale 30, in 42 Fällen wurde das Klageobjekt geteilt, 7 Klagen wurden wegen tarifwidrigen Verhaltens beider Parteien abgewiesen, in 20 Fällen er klärten sich die Schiedsgerichte für inkompetent, 28 Klagen wurden Berufungssachen. Die Zahl der Arbeitsnachweise beläuft sich gegenwärtig auf etwa 100, und aus dem Gebiete des Lehrlingswesens ist es dem Tarifamt gelungen, Erfolge zu erzielen Besonders ist in dieser Beziehung an den Erlaß des preußischen Ministers für Handel und Gewerbe zu erinnern und an noch mehrere Verfügungen anderer Behörden. Bedeutsam und für den Buchhandel vorbildlich sind die Erfolge des Amtes infolge von Petitionen, betreffend die Ver gebung von Buchdruckarbeiten an tariftreue Buchdruckereien In dieser Beziehung stellt der Bericht fest, daß solche Ersuchen bei den angerufenen Behörden immer mehr Beachtung ge winnen; vor allem wird verwiesen auf bereits vorhandene bezügliche Verfügungen der königlich sächsischen Regierung, der großherzoglich hessischen Regierung, des preußischen Ministers für Handel und Gewerbe, des kaiserlichen Kanal amts in Kiel und einer ganzen Reihe Regierungs- und Kommunalbehörden. Einer wie großen Anerkennung das Tarifamt sich erfreut, geht daraus hervor, daß auch andere Gewerbe es schon an- gerusen haben. Bei dem im September v. I. aus gebrochenen Ausstande im deutschen Buchbindergewerbe wurde seine Vermittelung auf beiden Seiten angenommen, und die sofort einberufene Sitzung der Prinzipals- und Gehilfen delegierten führte nicht nur zur Beendigung des Lohnkampfes, sondern auch zur Schaffung eines für ganz Deutschland giltigen Lohntarifs der Buchbinder Die Kosten der Ein- und Durchführung des Tarifs, die von den taristreuen Prinzipalen und Gehilfen zu gleichen Teilen getragen werden, beliefen sich in den fünf Jahren auf zusammen 31000 »Vergleicht man mit dieser Summe«, sagt der Bericht, »die hohen Verluste, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer im deutschen Buchdruckgewerbe durch frühere Lohnkämpfe erlitten haben, so macht sich der Segen unserer Tarifgemeinschaft mit einer Deutlichkeit wahrnehmbar, wie dies mit anderen Hinweisen kaum zu erzielen ist. Eine derartige Regelung des Arbeitsverhältnisses gereicht aber nicht nur den Buchdrucker-Prinzipalen und -Gehilfen zum Nutzen, sondern wir meinen, daß damit auch dem Gemeinwesen, der deutschen Arbeit und dem sozialen Frieden ein Dienst er wiesen ist.« Zur Zeit wird der Tarif einer erneuten Revision unterzogen, und der Bericht ermahnt beide Parteien, bei dieser Thätig keit eingedenk zu sein der Wichtigkeit ihres Vorhabens. Er schließt sodann mit der stolzen Feststellung, daß das deutsche Buchdruckgewerbe sich rühmen dürfe, »in sozialer Erkenntnis allen Gewerben voraus zu sein, indem Arbeitgeber und Arbeitnehmer völlig gleichberechtigt bei Festsetzung des Lohn vertrages sind. Es hat bewiesen, daß eine gemeinsame Organisation der Prinzipale und Gehilfen nicht zu den Un möglichkeiten gehört. Ihnen und uns erwächst in erster Linie die Ausgabe, um den Fortbestand dieses Verhältnisses bemüht zu sein, dessen Vernichtung nicht nur dem Buchdruck gewerbe, sondern auch allen anderen Gewerben zu dauerndem Schaden gereichen würde.« Kleine Mitteilungen. Falsches Geld. — Falsche Zweimarkstücke sind seit etwa sechs tagen in den Vororten Berlins, wo die Ausflügler zusammen strömten. Ein Teil der Falschstücke stammt aus dem Jahre 1899, ist mit dem Bildnis Kaiser Wilhelms II. versehen, sehr gut gearbeitet und trägt das Münzzeichen «t. Im Gegensatz zu anderen falschen Stücken sind die Rippen, wenn auch etwas schmal, so doch tadellos gearbeitet. Die Stücke sehen neu aus. In der Aufschrift »tVilüolm II. vsutsolrer Laiser- ist das °m« nicht gelungen, während aus der anderen Seite zwischen der Aufschrift -2voi Llarü- und -vontsoüss