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101, 3. Mai 1930. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn Bnchhanüel. aus. Meist werden nur billige Kompendien angeschafft und dabei wird auch noch »ersucht, durch Bezug über eigene studentische Bücherbeschaffungsstellen das Sortiment zu umgehen. Der Ver lag steht in den Bemühungen, derartige Bezugsquellen zu unter binden, durchaus auf seiten des Sortiments. — Zur Förderung des Absatzes wird seitens des Verlags stärkere Inanspruchnahme des Bedingtverkehrs gewünscht. Hierbei wird allerdings darauf hingewiesen, das; feine Durchführung nur möglich ist, wenn die in den Richtlinien sestgelegten Abrechnungstermine eingehalten werden; denn nur bei ihrer gewissenhaften Befolgung ist der Be dingtverkehr für den Verlag tragbar. Den schöngeistigen Verlag belastet besonders die zunehmende Zersplitterung der Bestellungen und die wachsende Kurzlebigkeit seiner Neuheiten. Ein hoher Prozentsatz von ihnen verfällt alsbaldiger Entwertung, wenn sie nicht in kurzer Frist nach Erscheinen abgesetzt werden. Hierin ist zweifellos eine der Ursachen zu suchen, daß mancher Verleger jede Absatzmöglichkeit ausnützt, die sich ihm für ältere Bestände erschließt, auch wenn sie nicht über das Sortiment führt. — Die Preisfrage be reitet besondere Sorge. Das Sortiment klagt über man gelndes Verständnis im Publikum und über seine vergeblichen Bemühungen um Aufklärung. Der Kunde sieht vielleicht ein, daß die Preise für Belletristik nach Maßgabe der Gestehungs kosten niedrig sind; er ist jedoch nicht von den kalkulatorischen Gründen zu überzeugen, die in besonderen Ausnahmefällen Volksausgaben zu niedrigsten Preisen gestatten, während die Originalausgabe das Drei- bis Vierfache kostet. — Die Absatz- Verhältnisse sind in regionaler Beziehung keineswegs überall gleich. Den Stimmen der Zufriedenheit, namentlich über das Weihnachtsgeschäft, gesellen sich solche zu, die unter Hinweis auf besondere Gründe politischer und wirtschaftlicher Art ein Ab gleiten melden, so in Schlesien, Ostpreußen, Polen, Südtirol und im Baltikum. Anderwärts stehen wiederum örtlich bedingte be sondere Belastungen der Weiterentwicklung entgegen, wie bei spielsweise im Saargcbict. — Der Export nach dem Ausland, soweit es nicht Vereinsgebiet ist, weist zwar in seiner Gesamt heit eine geringe Steigerung auf; cs darf jedoch nicht übersehen werden, daß für einige Länder ein erhebliches Nachlassen zu ver zeichnen ist. Im S ch u l b u ch g e s ch ä f t muß strenges Festhalten an den Grenzen gefordert werden, die in den Abkommen der letzten Jahre gesteckt sind. Sic stellen das äußerste Maß an Entgegen kommen dar, das vom Schulbuchverlag gewährt werden kann. Das Sortiment, an welches sehr oft weitergehende Ansprüche ge stellt werden, muß den Verlag in Ablehnung solcher Forderungen unterstützen. Freiexemplare sind nur für wirklich bedürftige Schüler bestimmt, und die Einrichtung der Hilfsbüchereien darf nicht dazu mißbraucht werden, um in verschleierter Form die Lehrmittelfreiheit zu erlangen. Der Bahnhofsbuchhandel mußte wettere Steige rungen bei den Pachtabgaben an die Reichsbahndirektionen auf sich nehmen und hat mangels Ausgleichs in den Preisen an Rentabilität eingebüßt. Dazu wirkt sich für ihn die zunehmende Abwanderung von der Eisenbahn zum Auto- und Luftverkehr nachteilig aus. Dem Reise- und Versandbuchhandel bereiten die Eigenbuchhandlungen der Angcstellten-Organisationen starken Abbruch. Der Kauf von ihnen wird nicht nur aus Standes- intcrcssc bevorzugt, sondern deren Vertreter haben auch, gestützt auf Empfehlung der Angestelltenräte, den Vortritt in den Be trieben und sind so in der Lage, den Absatz an sich zu ziehen. Das wissenschaftliche Antiquariat wird durch die Etateinschränkuugen der deutschen Bibliotheken aufs schwerste getroffen; diese beziehen antiquarische Bücher nur noch in ganz geringem Umfang. Ebenso sind auf dem Gebiets des bibliophilen Antiquariats die Absatzverhältnisse wenig erfreulich. Da in zu nehmendem Maße nur noch sehr kaufkräftige Sammler als Käu fer in Betracht kommen, steigen besonders wertvolle Werke stark nn Preis, Mittelware aber, insbesondere auch Inkunabeln, sind mangels Nachfrage fast nicht mehr absetzbar. 402 Im Z e i t s ch ri f t e n g e w e r b e muß trotz gesteigerter Werbetätigkeit eine Weiterentwicklung verneint werden. Der Absatz von illustrierten und Unterhaltungs-Zeitschriften wird in zunehmendem Maße durch die umfangreichen Unterhaltungs- nnd illustrierten Beilagen der Tageszeitungen beeinträchtigt; den Modezeitschriften aber ist in den von den Waren- und Kauf häusern zu Reklamezwecken unentgeltlich verteilten Modeblättern eine stark benachteiligende Konkurrenz erwachsen. — Wesentlich verschärft haben sich die Verhältnisse auf dem Gebiete des An zeigengeschäfts. Zum Teil dürfte das auf falsch gedeutete Ratio nalisierungsvorschläge des Reichsverbandes der Deutschen In dustrie in seinem Sperrjahrbeschluß zurückzuführen sein. Inso fern ist die ausdrückliche Erklärung des Reichsverbandes zu be grüßen, daß niemals beabsichtigt war, die Propaganda inner halb der deutschen Industrie als solche einzuschränken, und daß es im Interesse der Industrie wie des seriösen Verlagsgewerbes liegt, gemeinsam zwar an der Bekämpfung von Schädlingen auf dem Gebiete der Propaganda, aber auch an der Hebung und Förderung erprobter Propagandamittel zu arbeiten. Beim Jugendschriftenverlag macht sich der durch den Krieg bedingte Geburtenaussall und die vielfach zu beobach tende Ablehnung der Jugendlichen gegenüber dem Jugendbuch nachteilig bemerkbar. Auch leidet dieser Verlagszwcig in gleicher Weise wie der Bilderbücherverlag daran, daß er trotz hoher Ansprüche an die Ausstattung nur niedrigste Preise berechnen kann. Das teurere und demgemäß wertvollere Bilderbuch hat im Absatz außerordentlich eingebüßt. Für das Gebiet der Musikalien sind zwei Momente be sonders hervorzuheben: die wachsende Notlage der deutschen -Opernbühnen und Konzertagenturen, die sich in äußerster Be schränkung bei der Anschaffung von Aufsührungsmaterial aus wirkt, und die Weiterentwicklung des Tonfilms. Wenn diese sich auch zweifellos nachteilig auf das Geschäft in Orchesternoten auswirkt, so stellt doch der Tonfilm das beste Werbe mittel für die in ihm enthaltene Musik dar, sodaß, im ganzen gesehen, von einer Schädigung vielleicht nicht gesprochen zu werden braucht. —- Der zunehmenden Mechanisierung des Musik lebens wird bewußt die Werbung für die deutsche Hausmusik ent gegengestellt. Erfreulicherweise ist das Interesse an ihr im Wachsen, wie es in der Zunahme der Schlllerorchester Ausdruck sindet. Im Kunstverlag und Kunst Handel aller Gattun gen ist die Lage nach wie vor aufs äußerste gedrückt; nur der Ab satz von Farbeulichtdrucken hat eine geringe Belebung zu ver zeichnen. Die schädlichen Folgen der vor mehreren Jahren ciu- sctzendeu Autibildpropagauda können vielleicht durch die in zwischen unternommenen umfassenden Werbemaßnahmen, ins besondere auch durch solche in der Presse, als beseitigt oder doch wenigstens im wesentlichen abgcschwächt gelten. Auf Besserung und merkbare Belebung ist aber erst mit Beseitigung der Woh nungsnot und mit Schaffung von Wohnräumen zu rechnen. Das Lehrmittelgeschäft aller Zweige sieht den Etat- bcschräukungen der Schulen mit ernster Sorge entgegen. Diese haben sich schon im zurückliegenden Jahr sehr nachteilig ausge wirkt. Vielen Lehrstätten fehlt es am notwendigsten Material. Der an und für sich vorhandenen Kauflust steht die Beschränkung der Mittel hemmend im Wege. Um mit diesen möglichst weit zu reichen, schafft mau auf Kosten der Güte die billigsten Erzeug nisse an und versucht, im Wege der Submissionen die Preise mög lichst zu drücken. Der Verein Deutscher Lehrmittelverleger und -Fabrikanten und die neu gegründete Bereinigung Deutscher Lehr mittelhändler haben in einer ausführlichen Denkschrift auf die Gefahren hingewiesen, welche sich hieraus nicht nur für das Ge werbe, sondern auch für die Schulen und die sonstige Kundschaft ergeben müssen. Bedauerlicherweise wird durch nicht angeschlos sene kleinere Hersteller- und Händlerbetriebe die Durchführung gesunder Grundsätze außerordentlich erschwert. — Das Aus- landgeschäft, dem gerade in diesem Zweig besondere Bedeutung zukommt, leidet stark unter der Konkurrenz französischer und amerikanischer Firmen.