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3350 Nichtamtlicher Theil. lS8, 27. August. des Ladenpreises die Festsetzung eines Verkaufspreises von Seite des Verlegers, von welchem derselbe einen bestimmten Rabatt ge währt, in Wegsall kommen müßte. Es wäre dies eine völlig unrichtige Auffassung. In vielen, wahrscheinlich in den meisten Fällen wird dieser vorgeschriebenc Preis allgemeine Annahme finden. Was bestritten wird, das ist nur, daß diese Preisfeststellung des Verlegers als ein unfehlbarer Ausspruch hingenommen werden müsse, auf welchen alle Umstände und Verhältnisse, welche auf den Preis anderer Maaren bestimmenden Einfluß nehmen, keinerlei Wirkung ausüben dürfen. Nicht der innere Werth oder Unwerth eines Buches, nicht Anbot und Nachfrage, nicht die größeren und geringeren Spesen des Bezuges, nicht die Spcculationen oder Ueberspeculationen, welche bei demselben vielleicht Platz gegriffen, nicht die Concurrenz eines ähnlichen Unternehmens, nicht die etwaige Entwerthung durch einen in Sicht stehenden Fortschritt in Wissenschaft und Kunst, all dieses darf keinen Einfluß haben aus den Marktpreis eines Buches! Nein! Nein! Nur der Preis ist der allein und un fehlbar richtige, der von einem beschränkten Standpunkte aus für alle Städte und Länder, für alle Welttheile der Verleger in der hoffnungsreichen Stunde der Geburt eines Buches sich aus den Factoren, die ihm zusagten, herauscalculirtc. In diesemÄusspruche concentrirt sich die ganze Weisheit; sie beherrscht den Markt, und diesem Ausspruche hat sich Jeder zu fügen, ob er dabei zu Schaden kommt oder nicht. Auf solche Fragen und Ausführungen hat man bisher nichts Anderes als ein verworrenes Gerede von Konfusion, Umsturz aller bestehenden Ordnung, Bedrohung der Organisation des Buchhan dels re. gehört. Man kann der Ansicht sein, daß das geschäftliche Leben nach den überlieferten Formen ein angenehmeres sei, aber leider hat man Beispiele, daß die treue Anhänglichkeit an diese Ueberlieserung schon manchen Mann geschädigt hat ; aber Beispiele, daß das starre Festhalten an denselben einen solchen gesördert hatte, sind uns bis jetzt verschwiegen worden. Es ist gewiß als richtig anzunehmen, daß sich Niemand dem Festhalten am Ladenpreise entzogen hätte, wäre nicht eine Nöthigung dafür Vorgelegen. Nur der Zwang, die Concurrenz, der Kampf ums Dasein hat alle diese verpönten Abweichungen von den alten Regeln des Geschäftsbetriebes hervorgerufen. Es ging nicht mehr mit den alten Mitteln, man mußte neue, ungewöhnliche suchen. Es bestand also die Nothlage schon srüher, als man mit den Neuerungen begann, und es ist daher unwahr, zu sagen, diese Neuerungen haben die Nothlage erst geschaffen. Ebenso bestanden mancherlei Ab weichungen schon srüher, ehe sie zu so großer Verbreitung kamen wie jetzt. Es ist aber eine anmaßliche Willkür, zu sagen, bis zu diesem Punkte oder an diesem Orte sei es erlaubt, und von jenem Punkte und an jenem Orte sei es verboten. In einem Punkte sind wir Alle einig. Wir verkaufen Bücher, und haben ein Geschäft begründet, um daraus einen ehrbaren Gewinn zu ziehen. Es wird sich also bei Beurtheilung einer Geschäftsführung stets nur darum handeln: entspricht dieselbe diesem Ziel. Wir werden sagen müssen, so lange Jemand sein Geschäft derart betreibt, daß die Möglichkeit eines Gewinnes nicht ausgeschlossen, seine Geschäftsführung nicht anzugreifen sei. Anzu nehmen, die Beurtheilung einer Geschäftsführung hänge davon ab, ob dieselbe sich einer gewissen Form, einer gewissen, wenn auch her gebrachten Uebung unterwerfe oder nicht, ist unberechtigt. Prüft man nun die Geschäftsführung unserer konservativen und unserer Liberalen aus den früher angegebenen, einzig berechtigten Gesichts punkt, so kommt man zu der Erkenntniß, daß beide Richtungen so ziemlich auf dasselbe Resultat hinauslausen. Beide bieten dem Publicum besondere Vortheile, um es für sich zu gewinnen. Der Eine bietet Jahresrechnung, macht Franco - Ansichtssendungen u. s. w. u. s. w.; der Andere verwandelt diese Vortheile in einen ge wissen Abzug vom Ladenpreise, den er seinem Kunden bewilligt. Beide gehen in ihren Wegen oft so weit als möglich. Der Streit dreht sich also nicht um die Sache, sondern um die Form. Der direct angebotene Vortheil ärgert den Einen, und so nennt er den Anderen einen Schleuderer. Interessant ist es nun zu ver folgen, was darunter eigentlich verstanden wird. Unsere konservativen haben dieses Wort keck hinausgeworsen, ohne darnach viel zu fragen. Am besten, es möge sich Jeder das Schlechteste von Dem denken, dem sie es nachgeworsen haben. Das einfache Nichteinhalten des Ladenpreises ist es nicht, denn Ausnahmen, sehr gewichtige, sehr umfassende Ausnahmen, stellt Jeder ans, denn ihr Fall, meinen die Herren, sei ja ein ganz besonderer. Es ist nun der bezeichnende Fall eiugetreten, daß Niemand so recht zu sagen wußte, was man eigentlich unter Schleudern versteht. Um den sprachlich sestgcstellten Sinn — daß man darunter einen Ver kauf unterm (Einkauss-)Preis versteht, kümmerte sich Niemand, und man erlebte es, daß eine löbliche Commission eine förmliche Um frage stellte, was man denn eigentlich in den verschiedenen Kreisen des lieben Buchhandels unter „Schleudern" verstehe, um dann dar aus die gültige Bedeutung des schrecklichen Wortes zu construiren. Inzwischen aber flogen die Anathemas schon zu Dutzenden in der Lust. Die Sache hatte Eile, was sollte man erst warten, bis festgestellt, was eigentlich zu verfluchen sei. Lehrreich war es, als die verschiedenen Erklärungen eingegangen waren, zu lesen, wie aus den verschiedenen Weltgegenden ver schiedene Definitionen eingingen. Als Resultat konnte man sich eigentlich Folgendes herausziehen: Schleudern heißt, wenn Einer noch mehr Rabatt gibt, als wir es thun. Eine Begründung kam nicht vor. Zu sagen, warum es 10gb sein dürfen, aber nicht llgh, warum gerade diese und jene Kreise, welche vielleicht nach Jahr und Tag ihre Rechnung zahlen, eine solche Bevorzugung genießen sollen, und nicht auch jener Mann, der mit schwerem Seufzer für die Schulbücher, welche er zur Fortbildung seines Sohnes braucht, den Betrag baar erlegt, über solche Fragen zerbricht man sich den Kopf nicht. Nun wird man sagen: alle diese Betrachtungen helfen aber nichts, uns geht cs an den Hals und wir müssen und wollen etwas thun. Ja, wenn man in Noth und Drang immer gleich wüßte, was zu thun sei und was am besten zu thun sei, um schnelle Abhilfe zu bringen, dann wären Noth und Drang keine so schlimmen Dinge, als sie von der Welt angesehen werden. Das ist ein Stück socialer Frage im kleinen Bereich des Buchhandels, und wüßten wir bei uns Sorge und Noth zu heben, so hätten wir den Schlüssel auch zur Heilung des größeren Uebels. - Es gibt kein Mittel zur Herstellung der Befriedigung nach allen Seiten. Man kann durch brutale Pressionen hier und da einen Erfolg erzielen. Aber wäre das eine Besserung des allgemeinen Wohles, das man so breit im Munde führt? Jeder fühlt den Druck der Zeit. Selbst der objectivste Be obachter wird durch das Wirrsal, die Unbeständigkeit und die all seitige Bedrängniß, die jetzt herrscht, oft zur lauten Klage hin gerissen, — aber sobald es sich darum handelt, am Tische der Be- rathung das Wort zu führen, dann muß auch ein anderer als der persönliche Gesichtspunkt der maßgebende sein. Die rohe Anwendung einer zufällig in unserer Hand liegenden Macht aus Andere, denen kein anderes Verbrechen anhaftet, als nicht unserer Meinung zu sein, oder nach anderen Prinzipien als wir zu handeln, werden ge bildete Männer immer perhorresciren. So lange der Buchhandel eine freie Verbindung bilden soll, muß auch dem Einzelnen die Freiheit der Geschäftsführung gesichert sein. Glaubt man mit einer strengeren Ordnung besser zu fahren,