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241. 15. Oktober 1908. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 11357 Erfindungen und sonstigen geistigen Schöpfungen sicherzu- stellen? Gutachter: Prof. vr. Osterrieth - Berlin und Regierungsrat Prof. vr. Schanze-Dresden. Berichterstatter: Prof. vr. Allfeld-Erlangen und vr. Kloeppel- Elberfeld. Annahme fanden folgende Thesen: 1. Die Erfindung gehört dem Angestellten, der sie ge macht hat, und nicht dem Geschäftsherrn, sofern nicht durch Vertrag das Gegenteil bestimmt ist. 2. Im übrigen emp fiehlt es sich nicht, die Vertragsfreiheit über die Erfindungen oder sonstigen Geistesschöpfungen von Personen, die in einem Angestelltenverhältnis stehen, zu beschränken. 3. Im Patentgesetz und Gebrauchsmustergesetz ist zu bestimmen, daß dem Erfinder, falls seine Erfindung durch einen andern angemeldet wird, ein im Wege der gerichtlichen Klage ver abfolgbarer Anspruch zusteht, als Erfinder in allen auf die Erfindung bezüglichen Urkunden und Publikationen des Kartellamtes benannt zu werden. III. Abteilung: Vorsitzende: Senatspräsident vr. Olshausen-Leipzig und Geheim rat vr. v. Kahl-Berlin. 1. Thema: Ist die Voruntersuchung im Sinne der gegenwärtigen Strafprozeßordnung beizubehalten, und wie würde sie, falls diese Frage bejaht wird, zu gestalten sein? Gutachter: Landgerichtsrat Rosenberg-Straßburg und Prof, vr. Mittermaier-Gießen. Berichterstatter: Geh. Hofrat Prof. vr. v. Lilienthal-Heidelberg und Landgerichtsdirektor vr. Weingart-Dresden. Annahme fanden in nachstehender Fassung die von Lilien- thalschen Thesen: Ohne über die Zweckmäßigkeit oder andere Ausgestaltung der gerichtlichen Voruntersuchung eine Entscheidung zu treffen, gibt die Abteilung folgenden Wünschen Ausdruck: Die erforderliche Mitwirkung des Beschuldigten bei der Sammlung des Materials ist zu gewährleisten durch s.) rechtzeitige Mitteilung der vorhandenen Verdachts gründe vor der Eröffnung des Hauptverfahrens, b) Zustellung einer spezialisierten Anklageschrift, o) das Recht jederzeit Beweisanträge zu stellen, deren Ablehnung nur in einem motivierten Bescheide und unter dem Hinweis auf das Recht der Wiederholung in der Hauptverhandlung und der unmittelbaren Ladung geschehen kann. Die Verteidigung ist in weiterem Umfange von Amts wegen zu fördern, der Verteidiger soll regelmäßig schon im Vorverfahren bestellt werden. Sein Verkehr mit dem ver hafteten Beschuldigten unterliegt keinen Beschränkungen. Der Erlaß eines Haftbefehls ist auf Grund bestimmt anzugebender Tatsachen und nur nach vorgängiger mündlicher Verhandlung mit dem Beschuldigten zulässig. 2. Thema: Bedarf das Legalitätsprinzip im Strafverfahren einer Einschränkung, bejahenden Falles in welcher Richtung? Gutachter: Rechtsanwalt Dietz-Leipzig und Geh. Hofrat Prof- vr. von Ullmann-München. Berichterstatter: Prof. vr. Graf Gleispach-Prag und Staats anwalt vr. Feisenberger-Magdeburg. Angenommen wurden vom Plenum, an das sie verwiesen waren, die von der Abteilung beschlossenen Thesen: 1. Das Legalitätsprinzip — eine der wichtigsten Garantien einer gleichmäßigen, unabhängigen Rechtsan wendung und des Vertrauens des Volkes in die Straf rechtspflege — hat das Verfahren wegen kriminell straf barer Handlungen auf dem ganzen Gebiete der öffent lichen Anklage zu beherrschen. 2. Es ist ausdrücklich fest- zustellen, daß auch alle den Strafverfolgungsorganen Vor gesetzten Behörden einschließlich der obersten Justizverwal tung an den Legalitätsgrundsatz gebunden sind. 3. So weit der Rechtsgüterschutz als solcher durch das Straf gesetz unmittelbar nur im Interesse deS einzelnen Ver letzten vom Staate gewährt wird, ist die Strafverfolgung der Privatklage zu überlaffen. 4. Ungerechten und unzweckmäßigen Bestrafungen vorzubeugen, ist Ausgabe der Reform deS materiellen Strafrechtes. 5. Übertretungen Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 7b. Jahrgang. von Polizeivorschriften sind aus dem Gebiete des krimi nellen Strafrechtes auszuscheiden und sowohl materiell als auch bezüglich des Verfahrens besonderen Grundsätzen zu unterstellen. 3. Thema: Empfiehlt es sich, in das künftige Deutsche Straf gesetzbuch Vorschriften über Strafzumessungen aufzunehmen? Berichterstatter: Wtrkl. Geh. Rat Exz. Hamm-Bonn und Prof. vr. E. Mayer-Straßburg. Annahme fanden die von Hamm-Olshausen in nachfolgender Fassung gestellten Thesen: 1. Im besonderen Teile des Strafgesetzbuchs sind, soweit die Natur der Delikte dies gestattet, regelmäßig an- zuwendende Strafrahmen aufzustellen, während durch außerordentliche Strafrahmen die Möglichkeit zu gewähren ist, Strafen für besonders milde oder schwere Fälle aus nahmsweise zu bemessen. 2. Eine Förderung richterlicher Strafzumessung kann durch das Aufzählen einzelner Straf- zumessungSgründe nicht erreicht werden. 3. Das Urteil hat sich nach zwingender Rechtsvorschrift genau über die Gründe der Strafzumessung in jedem einzelnen Falle, insbesondere auch über die Gründe der Anwendung eines außer ordentlichen Strafrahmens auszusprechen. 4. In die Straf prozeßordnung ist eine allgemeine Bestimmung des Inhaltes aufzunehmen, daß der Richter vor der Urteilssällung nicht nur alles festzustellen hat, was zur Aufklärung der Staats anwaltschaft führt, sondern auch die Umstände zu ermitteln hat, die eine Erkenntnis der gesamten Persönlichkeit des Täters ermöglichen und seine Beurteilung beeinflussen können. IV. Abteilung: Vorsitzender Professor Freiherr von Call, Innsbruck. 1. Thema: Ist in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten das Kollegial- Gutachter: Professor Vr. Walker-Innsbruck und Professor vr. Heinsheimer-Heidelberg. Berichterstatter: Oberlandesgerichtspräsident vr. VierhauS- Breslau und Justizrat Wildhagen-Leipzig. Annahme fand der von Wildhagen-Hachenburg gestellte Antrag: -In bürgerlichen Rechtsstreittgkeiten ist das für Deutsch land gegenwärtig geltende Kollegialitätsprinzip zugunsten des Cinzelrichtertums nicht einzuschränken. Deshalb ist die Ausdehnung der amtsgerichtlichen Zuständigkeit nach Maß gabe des dem Reichstage vorliegenden Entwurfs zum Gerichts verfassungsgesetz und zur Zivilprozeßordnung nicht em> pfehlenswert.« 2. Thema: Bedarf das amtsgerichtliche Verfahren einer Reform und nach welchen Richtungen? Gutachter: Amtsgerichtsrat Prof. vr. Jastrow - Berlin und Rechtsanwalt vr. Dtttenberger-Halle. Berichterstatter: Oberamtsrtchter vr. Levis - Pforzheim und Prof. vr. Stein-Leipzig. Annahme fanden folgende Thesen: 1. Die Umgestaltung des amtsgerichtlichen Verfahrens ohne gleichzeitige Reform der ganzen Zivilprozeßordnug ist unangemessen. 2. Eine Prozeßreform beim Amtsgericht hat sich an die eigenartigen Verhältnisse des amtsgerichtlichen Verfahrens anzuschließen und sollte etwa folgende Ziele verfolgen: a) die Beitreibungssachen sind möglichst an die Amtsgerichte zu leiten, deshalb ist 1. das Mahnverfahren umzugestalten, insbesondere durch Einführung des Wechselmahnoersahrens und dadurch, daß das übrige Verfahren beschleunigt und unbegründeten Widersprüchen möglichst vorgebeugt wird, 2. jede landgerichtliche Klage kann beim Amts gericht eingereicht werden und ist nur an das Land gericht abzugeben, wenn die Sache streitig wird, 3. auf die Benutzung des Mahnverfahrens und amtsgerichtlichen Bei treibungsverfahrens ist durch geeignete Kostenvorschriften hinzuwtrken; d) das amtsgerichtliche Verfahren muß einfach und volkstümlich gestaltet sein, deshalb sind alle verwickelten Formen, Zwischenurteile rc. zu beseitigen. Die Mündlich keit ist den jeweiligen Fähigkeiten der Parteien durch elastische Vorschriften anzupassen und der Richter anzuweisen, die Parteien innerhalb und außerhalb der mündlichen Ver- 1482