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7192 Amtlicher Teil. 212, 12. September 1902. ferneren ist auch, wenn jemand z B. unberechtigt hergestellte Diapositive gutgläubig erworben hat, ein Einspruch gegen eine Projektionsaufführung derselben schwer möglich, denn wir bezweifeln sehr, daß auf Grund des 8 20, 2 der Richter das Diapositiv, das gutgläubig erworben ist, konfiszieren wird. Darin, daß jemand ein einzelnes Exemplar der Nach bildung eines Buches oder eines Bildes erwirbt, wird ja kein wesentlicher Schaden für den Träger des Urheberrechtes zu erblicken sein; hier handelt es sich aber doch darum, daß die einzelne Nachbildung täglich neu zu einem offenbar un rechtmäßigen Erwerb ausgenutzt werden kann. Ferner ist zu bedenken, daß, wenn der Rechtsträger für einen bestimmten Zweck die Herstellung von Diapositiven gestattet hat, er ohne Aufführungsverbot nicht in der Lage ist, gegen den Mißbrauch des rechtmäßig hergestellten Diapositivs andere Schritte zu thun, als möglicherweise eine Schadenersatzklage gegen den, dem er die beschränkte Erlaubnis gegeben hat, einzuleiten. Die öffentliche Vorführung kann er aber nicht ohne weiteres inhibieren. Daß die Projektionsbilder, weil sie keinen bleiben den Charakter haben, nicht als Vervielfältigungen im üb lichen Sinne gelten können, hat gewiß seine Berechtigung; aber ebensowenig sind öffentliche Aufführungen von Ton- und Bühnenwerken »Vervielfältigungen«. Bei diesen beiden Gat tungen von Geisteswerken hat man neben der Vervielfältigung auch die Aufführung verboten, und es ist nicht abzusehen, weshalb die Photographie, die doch das vorliegende Gesetz ebenso ausdrücklich als ein Geisteswerk anerkennt, anders gestellt werden soll, zumal da hier ein nicht unerhebliches materielles Interesse vorliegt: wir stehen offenbar erst am Anfang einer großen Projektionsindustrie. In den Bemerkungen zu 8 6 wird ausgeführt, daß durch Uebergang des Urheberrechtes auf den Besteller (beim Portrait, wie in anderen Fällen) das Eigentumsrecht des Vervielfältigers am Negative an sich nicht berührt wird. Dieses an und für sich richtige Prinzip kann zu schamloser Ausbeutung führen, indem z. B. der Photograph für Abzüge von Portraitnegativen Verstorbener einen ganz abnormen Preis verlangt. In solchem Falle müßte doch wohl eine Klage auf Negativherausgabe möglich sein. 8 7. Daß die im ursprünglichen Entwurf vorgesehene Gestattung der plastischen Wiedergabe von Photographien auf Einspruch der Interessenten gefallen ist (Bem. zu 8 10, 11), kann man nur dankbar begrüßen, weil hiermit ein Präjudiz für das Kunstgesetz geschaffen wird, für das der a. o. B.-V-Ausschuß schon in seinen Beiträgen S. 107 ein getreten ist. Der Schlußsatz der Bemerkungen zu Z 8: »Dieser Grundsatz mag vielleicht der malenden Kunst gegenüber etwas weit gehen, entbehrt hier aber der praktischen Bedeutung« ist uns nicht klar geworden. Die in Z 10 gestattete Freigabe der Herstellung von einzelnen Exemplaren zu technischen, künstlerischen und wissen schaftlichen oder Unterrichtszwecken mag infolge der Ein schränkungen, die ihr die Bemerkungen geben, passieren. Mit der Gestattung der Stellung von lebenden Bildern nach Naturphotographien wird man ebenfalls einverstanden sein können, nur dürfen nach den so gestellten lebenden Bildern keine Photographien hergestellt werden. Das ist eigentlich selbstverständlich; es wäre doch aber wohl in den Bemerkungen noch prinzipiell zu betonen, auch des späteren Kunstmerk gesetzes halber. Vergl. Fall Hanfstaengl c/a Empire-Theater, London, B.-Bl. 1894 Nr. 91). Sehr glücklich finden wir in den Bemerkungen zu 8 10, 11 gesagt, daß die Nachbildung das Mittel zu einer Thätigkeit bilden muß, die sich nicht »in der Nachbildung selbst erschöpfe«. Dadurch wird der Begriff der »eigen tümlichen« Schöpfung in Z 8 gut erklärt. tz 14. Der Schutz des Persönlichkeitsrcchts in der Photo graphie hat den Ausschuß am längsten beschäftigt. Das photographische Urheberrecht an Portraits gehört laut 8 6 zunächst dem Besteller. In vielen Fällen wird nun dieser mit dem Dargestellten nicht identisch sein; deshalb wird in 8 14 dem Dargestellten ein Verbietungsrecht gegen öffent liche Verbreitung und öffentliche Schaustellung gegeben. Dieser Schutz des Persönlichkeitsrechts hat nun mit dem Urheberrecht gar nichts zu thun, gehört also eigentlich gar nicht hierher, ebensowenig in das noch zu schaffende künstle rische Urheberrecht; die richtige Stelle für Schaffung eines Persönlichkeitsrechtes wäre Z 12 des Bürgerlichen Gesetzbuches gewesen, der den Namen schützt. Es soll nun nicht verkannt werden, daß der Buchhandel ein großes Interesse daran hat, unbehindert Portraits von Personen, besonders wenn diese der Oeffentlichkeit angehören, wiedergeben zu dürfen. Könnte man eine Grenze ziehen zwischen öffentlichen und Privatpersonen, dann würde der Ausschuß dafür gestimmt haben, Personen öffentlichen Charakters ohne deren Erlaubnis abbilden zu dürfen. Da eine solche Grenze sich aber nicht ziehen läßt, so bleibt zum Schutze von Privatpersonen gegen Hineinzerrung in die Oeffentlichkeit wider ihren Willen nichts anderes übrig, als ganz generell für lebende Personen festzustellen, daß ihre Erlaubnis für die Wiedergabe nötig sei. Dagegen wurde aber unbedingt daran festgehalten, daß dieser Persön lichkeitsschutz die Existenz der Persönlichkeit selbst nicht über dauern dürfe, das Einspruchsrecht der Hinterbliebenen also im Interesse der verlegerischen Thätigkeit, welche die Bedürf nisse des Publikums zu befriedigen habe, jedenfalls fallen müsse; denn dieses Einspruchsrecht überlebenden Gatten, Kindern, ja selbst Eltern zuzugestehen, hieße, den an und für sich berechtigten Gedanken des Persönlichkeitsschutzes über steigern; praktisch würde dadurch der illustrierten Presse ihre Aufgabe ohne zureichenden Grund ganz wesentlich erschwert. Das Interessanteste für den Menschen ist doch der Mensch selbst. Je mehr die Menschen heranreifen, je mehr sie durch die Steigerung des Verkehrs durcheinandergerüttelt werden, um so mehr steigert sich das Interesse an der Persönlichkeit. Je mehr die Photographie in alle Kreise dringt, je schärfer wird unser Interesse für das Phystognomische. Die Fort schritte der Aetztechnik haben uns nun die Möglichkeit ge geben, in kürzester Frist, so lange das Interesse an der be treffenden Persönlichkeit ganz aktuell ist, sie auch von Angesicht zu Angesicht kennen zu lernen. Man kann das allgemeine Interesse an den Portraits bedeutender oder momentan im Vordergründe stehender Persönlichkeiten keineswegs als müßige Neugier oder als Sensationslust bezeichnen. Ein Blick auf ein Portrait sagt mehr, als die längste Beschreibung. Es ist sicher einer der schönsten Fortschritte für die allgemeine Menschenkenntnis, daß wir jetzt in unglaublich kurzer Zeit jeden interessanten Menschen im Bilde kennen lernen können. Das soll man befördern, nicht aber behindern. Wie soll es nun künftig sein? Eine bekannte Persönlichkeit ist gestorben. Der Verlag besitzt das Bild oder kann es sich verschaffen. Aber er muß, da der Verstorbene die Erlaubnis nicht mehr geben kann, die Angehörigen fragen. Wie soll er nun bei der Kürze der Zeit, in der die Reproduktion, der nachdrängenden Ereignisse wegen, geschehen muß, ermitteln können, ob Gatte, Eltern oder Kinder vorhanden sind? Wo sind diese? Wie kann der Verleger sich, vollends in solchen Trauertagen, so in fremde Familien eindrängen? Ferner, wie soll es gehalten werden, wenn mehrere Kinder vorhanden sind? Sollen alle zustimmen müssen? Sollen die Kinder unter sich psr wsjora abstimmen? Wie wird es bei Minorennen? Muß der Vormund gehört