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212, 12. September 1902. Nichtamtlicher Teil. 7199 Der VIII. Internationale Pretzkongretz in Bern. (20.—25. Juli 1902.) (Uebersetzt aus dem Droit ä'L.utsur, August-Nummer 1902, S. 85—91.) Nach Abstattung seines Besuchs in mehreren großen Hauptstädten Europas und noch vor der Durchquerung des Ozeans zur Abhaltung einer ersten Tagung auf amerika nischem Boden ließ es sich die Internationale Preßvereinigung, das sogenannte »Lursuu ssntral äss L.88ooiation8 äs Lr688s«, angelegen sein, in der Hauptstadt der schweizerischen Eid genossenschaft zusammenzukommen, gleichsam um die freiheit lichen Einrichtungen der letztem zu ehren. Allerdings ergaben sich dadurch bedeutende Unterschiede gegenüber den frühem Tagungen, und nicht ohne Besorgnis waren die Einladungen ergangen und die Vorbereitungen zum Kongreß von den schweizerischen und berauschen Körper schaften begonnen worden. Das Centralkomitee war zwar damit einverstanden, daß nur ein bescheidener Kongreß, eine der Arbeit gewidmete Tagung stattfinden solle; aber man mußte doch diese Arbeit in den angenehmen Rahmen mannig faltiger Zerstreuungen bringen, ohne zu sehr auf die schweize rischen Naturschönheiten zu zählen, da die Natur dieses Jahr gar oft ein stiefmütterliches Gesicht zeigt. Glücklicherweise trug aber alles zum Gelingen des Kongresses bei: die Bereit willigkeit, mit der das neue »Bundeshaus« vom schweize rischen Bundesrat zur Verfügung des Kongresses gestellt wurde, die beredte Art, in welcher der Vizepräsident der Eidgenossen schaft, Herr Bundesrat Deucher, die ebenso unabhängige wie verantwortungsvolle Stellung der Presse und besonders der heimischen Presse im demokratischen Staatswesen hervorhob, die Zuvorkommenheit der kantonalen und städtischen Behörden, der von der Bevölkerung den Kongreßteilnehmern bereitete herzliche Empfang, die malerische Lage, die Eigentümlichkeiten histo rischer, ethnographischer und politischer Art, die Bern aus zeichnen, und — last, not lsL8t — der ernste Teil des Kongresses, verkörpert durch die Arbeitssitzungen. Die Teilnehmer haben denn auch die Bundesstadt voll Dankbarkeit und Lob verlassen und dauernde Erinnerungen mit sich genommen, unter denen sich je nach den von jedem Einzelnen gemachten Erfahrungen folgende Veranstaltungen um die Palme stritten: der Empfangsabend im großen Korn hauskeller, wo Töchter in der Landestracht Gesänge vor trugen, das offizielle Mahl in der »Enge« mit den von der bernischen Jugend im Park aufgefühcten Nationaltänzen, der Ausflug nach Neuenburg auf der neuen Linie der »Direkten« und der Besuch der hervorragenden Sehenswürdigkeiten dieser Stadt, das Gartenfest auf dem Gurten, dem berühmten Aus sichtspunkte Berns, bei herrlichem Wetter, endlich der flotte Empfang in der Villa des Herrn Professors vr. Stein am Vorabend der Abreise nach Thun und nach Jnterlaken, wo am großartigen Bankett im Hotel »Victoria« der Kongreß offiziell als geschlossen erklärt wurde. Eine Reihe von Gruppen ausflügen vervollständigte diese festlichen Veranstaltungen, und sicherlich werden die am 26. Juli 1902, einem wunder bar schönen Tage, unternommenen Reisen auf die Wengern alp, nach Mürren, auf das Brienzer Rothorn und ins Frutigenthal den Teilnehmern unvergeßlich bleiben. Dank den von den verschiedenen Gesellschaften eingeräumten Ver kehrserleichterungen durchreisen, während wir diese Zeilen schreiben, die Kongresststen die Eidgenossenschaft nach allen Richtungen, und sie werden überall, wo sie gruppenweise auftreten, mit freundlicher Teilnahme empfangen.*) *) Nach dem Verzeichnis der von den einzelnen Preßvereinen Abgeordneten zählte der Kongreß (ohne die Damen und die Aus- Doch kehren wir zu demjenigen zurück, was natur gemäß den Hauptbestandteil dieses Berichts bilden soll, zu den Arbeiten. Nicht weniger als 16 Berichte waren ausgearbeitet und den Kongreßteilnehmern vierzehn Tage vor dem Kongreß zu gesandt worden. Diese Berichte wurden in vier eigentlichen Arbeitssitzungen erledigt. Obschon die Debatten namentlich unter dem mehr dekorativen als praktischen System des abwechslungsweise von verschiedenen, den einzelnen natio nalen Gruppen entnommenen Präsidenten geführten Vorsitzes litten, und obschon sie noch nicht die wünschenswerte Gründ lichkeit und Tiefe erreicht haben, muß doch, wie recht und billig, anerkannt werden, daß dieses vielsprachige internationale Parlament, diese aus so verschiedenen und oft so impulsiven Individualitäten zusammengesetzte Gesellschaft eine sehr nennenswerte Arbeitsleistung aufzuweisen hat. Die Ergeb nisse sind durchaus nicht etwa nur Eintagsfliegen, sondern offenbaren im Gegenteil eine große Lebenskraft dieser Ver einigung von Körperschaften derjenigen, die der Vorsitzende, Herr W. Singer-Wien, geistreich die Schnellfeuerhistoriker genannt hat. Uebrigens war diese Lebenskraft schon in unzweideutiger Weise durch eine vom Berner Komitee herausgegebene Ver öffentlichung, dem logisch gruppierten, in drei Sprachen abge faßten Verzeichnis der Beschlüsse der sieben frühern Preßkongresse erwiesen worden. Die in den Jahren 1894—1900 gefaßten Entscheidungen bekunden eine Folgerichtigkeit und ein Streben nach praktischen Reformen, das die Vereinigung und nament lich ihre seit der Gründung bewährten Führer ehrt, ganz besonders den schon genannten vorzüglichen Präsidenten und den unermüdlichen, sympathischen Generalsekretär, Herrn Victor Taunay-Paris, der für die Preßvereinigung das ist, was Herr Jules Lermina für die »^.Nooiatiou littörairs st srtietiqus intsrnationals«. Die für die Zusammenstellung der genannten Beschlüsse angewandte Anordnung haben wir auch für die Ver öffentlichung der vom Berner Kongresse angenommenen Be schlüsse (siehe weiter unten) befolgt, und sie wird uns auch in unsrer Berichterstattung leiten. Nun findet sich gerade diejenige Frage, die unsre Leser am meisten interessiert, an der Spitze des genannten Verzeichnisses, nämlich die Frage nach dem »litterarischen und künstlerischen Eigentum am Zeitungsinhalt«. Sie bildete den Gegenstand eines Berichts des Herrn Professors Ernst Röthlisberger-Bern, welcher Bericht im Anhänge die Aufzählung der Gesetze und Litterar- verträge enthält, die die ausdrückliche Bestimmung, betreffend die Wiedergabe von Zeitungsartikeln u. s. w. haben, sowie auch den Wortlaut der in dieser Hinsicht in die großen inter nattonalen Verträge aufgenommeneu Vorschriften. Nach dem Berichterstatter umfaßt diese Frage im Grunde deren drei: einmal die Frage nach der gesetzlichen Grundlage, auf der das besagte Eigentum ruht, nach den Bedingungen und Förmlichkeiten, denen es unterworfen ist, sodann die Frage nach den gegenseitigen Rechten zwischen Autor und Herausgeber oder Verleger, das heißt also die Fragen, wann, wie, wie oft, gegen welches Entgelt eine Arbeit in einer Zeitung erscheinen soll, endlich die Frage der Beschränkungen, denen die ausschließliche Herrschaft des Autors durch die Dritten eingeräumte Entlehnungsbefugnis unterworfen ist. Während die beiden ersten Gebiete, die Ermittelung der den Autoren und Zeitungseigentümern auferlegten Bedingungen und Förmlichkeiten, sowie das Studium des Zeitungsverlags schüsse) ungefähr 280 offizielle Teilnehmer, die sich auf die einzelnen Länder folgendermaßen verteilten: Frankreich 79, Italien 42, Deutschland 29, Ungarn 25, Oesterreich 19, Vereinigte Staaten und Belgien je lO, Portugal und Schweden je 9, Schweiz 8, England, Dänemark und Holland je 5, Norwegen 2, Japan und Türkei je 1. 947*