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472 Nichtamtlickicv Teil. — Sprcchsaal. 14, 18. Januar 1899. Deutscher Buchgewerbe-Verein. — Der am 27. Oktober 1884 i» Leipzig gegründete »Centralverein für das gcsannntc Buch gewerbe» bat in seiner elften ordentlichen Generalversammlung am 16. d. M. den Namen -Dentschcr Buchgewerbevercin« angenommen. Die Abänderung der Satzungen nach dem vor- gelcgten Entwürfe wurde von derselben Hauptversammlung ge nehmigt. Verlag für Börsen- und Finanzlitteratur A.-G. in Leipzig. — In der am 14. d. M, i>» GeschäftSlvkal des Verlags für Börsen- und Finanzlitteratur A.-G. in Leipzig nbgehaltenen außerordentlichen Generalversammlung wurde beschlösset, betzufS Ankaufs der »och fehlende» Kvnkurrenzwerke, das Aktienkapital auf 500000 ,/l! zu erhöhen und die 300000 ^ neue Aktien, die von, 1. April ab dividendcnberechtigt sind, zum Kurse von 100" o zur Zeichnung anfzulegen. Ein großer Teil der neuen Aktien werden von Geschäftsfreunden der Gesellschaft übernommen. — Vom Vor stände wurde der Versammlung eröffnet, daß der Geschäftsgang durchaus befriedige und daß bereits fürs erste Geschäftsjahr ein günstiges Resultat zu erwarten sei. Wohlthätige Zuwendungen. — Von den Erben eines verstorbenen Leipziger Buchhändlers ist dem Buchhandlungsgehilfen- vcrcin zu Leipzig zum Andenken au den Dahingeschiedenen die Summe von 1000 .O für seine Witwen- und Waisenkasse über geben worden. Der gleiche Betrag ist dem Allgemeinen Deutschen Buchhandlungsgelstlfen-Verband für dessen Jnvnliden-Zuschußkasse zugewendet worden. Sprech Bücher vertrieb durch Geistliche. (Vgl. Börsenblatt Nr. 10.) Zu der in Nr. 10 d. Bl. unter diesem Titel eröffnetcn Kontro verse seien mir einige Bemerkungen gestattet. 1. Persönlich muß ick dem Süddeutschen Verlags-Institut erwidern, daß es dabei bleibt: ich habe von ihr kein Rezensions exemplar der »Meisterbibel« empfangen. Ich habe Heft 1 bis 84 überhaupt nicht empfangen, sondern diese Hefte sind an einen mir bis dahin unbekannten Pfarrer gegangen, der vom Hera,usaeber der »Meisterbibel» den Auftrag erhalten hatte, sein Werk für die »Christ liche Welt» zu rezensieren. Ich habe die wiederholten Besprechungen des Herrn ausgenommen, weil sie gut waren. Später sind mir die Schlußhefte des Werkes zugeschickt worden, weil der bisherige Empfänger inzwischen verstorben war. Ich will aus diesem Sach verhalt der Verlagshandlung keine besonderen Vorwürfe machen, würde ihn auch nie zur Sprache gebracht haben, wenn die Verlags handlung auch nicht in Tausenden von Cirkularen die Anklage erhoben hätte, die »Christliche Welt» halte es nicht für unter ihrer Würde, sür ihre Büchercmpfehlungen sich »eine ganze Gratis bibliothek zu sammeln». Dieser Vorwurf war an sich aus der Luft gegriffen; das Süddeutsche Verlags-Institut aber durfte ist» angesichts der geschilderten Sachlage am wenigsten erheben. 2. Sachlich ist der Konflikt viel interessanter. Ich weiß nicht, wie die Herren vom Buchhandel es beurteilen, wen» das Süd deutsche Verlags-Institut sich an die Pastoren gewandt hat, den Vertrieb der »Mcistcrbibel» in die Hand zu nehmen. Vermutlich werden die verschiede» Interessierten auch verschieden urteilen. Für die »Christliche Welt» kam und kommt nur der Konflikt in Betracht, der zwischen dem Geschäftsinteresse des Süddeutschen Verlags-Instituts und dem Standesinteressc der Pastoren sich ergab. Das Süddeutsche Verlags-Institut wandte sich an die Pastoren, weil die Sortimenter die -Meisterbibcl» nur in geringem Umfang nbsetzten. Ich erkenne das geschäftliche Recht hierzu persönlich gern an; inwieweit Brauch und Sitte des deutschen Buchhandels cs gestatten, weiß ich nicht, vermute aber, daß dieser derartigen neuen Wegen von sich ans kein Hindernis entgegcnzustellen vermag. Der Pastorenstand kommt nun durch solche Anerbietungen in eine peinliche Lage. Ohne Zweifel ist er nicht dazu da, Handels geschäfte zu treiben. Die Vermittelung aber von religiöser Üitterntur und Kunst scheint ihm nahe zu liegen. Ein großer Teil des Sortiments- und Kolportagehandels befaßt sich mit dem Ver trieb religiöser Schriften, Bilder, Sprüche n. s. iv. überhaupt nicht. Die Verbreitung solcher Artikel aber scheint in religiös-kirchlich- mvralischem Interesse sehr zu wünschen. Also ist der Pastor die gegebene Mittelsperson zwischen dem religiösen Schriften- und Kunst verlag und der Gemeinde. So stehen in der That viele Geistliche bereits mitten im Geschäft drin. Hier im Namen und Aufträge der inneren Mission, dort ans eigenem Antriebe. So lange nun der betreffende Geistliche für sich Polizeivorschrift und Preßgcsetz. — Der Verleger eines in Trier erscheinenden Sonntagsblattcs hatte ein polizeiliches Strafmandat von 10 erhalten, weil er cs versäumt hatte, der Polizei am 4. Juni v. I. das vorgcschriebenc Pflichtexemplar ab zuliefern. Der Bestrafte erhob Einspruch und berief sich auf frei- sprechende Urteile in gleichen Fällen, die von Magdeburger Ge richten erlassen worden seien. Das Schöffengericht in Trier hielt den Einspruch für begründet, da nach § 29 des Preßgesctzes die Preß- delikkc vor die ordentlichen Gerichte gehörten und die Polizeibehörde nicht berechtigt sei, bezügliche Strafen zu erlassen. Gegen das frei- sprechende Erkenntnis des Schöffengerichts erhob nunmehr die Staatsanwaltschaft Berufung, und in der Verhandlung der Straf kammer des Landgerichts am 14. d. M. schloß sich diese den Aus führungen des Staatsanwaltes an, wonach K 29 des Preßgesctzes nur dann zur Anwendung zu kommen habe, wenn es sich um wirkliche Preßdelikte handele. Die unterlassene Einreichung eines Pflichtexemplars sei jedoch nur eine polizeiliche llebcrtretung und als solche auch polizeilich zu bestrafen. Das erste Urteil wurde aufgehoben und der Verleger zu einer Geldstrafe von einer Mark verurteilt. Personalnachnchtcn. Gestorben: am 16. Januar nach langem und schwerem Leiden Herr Gustav Joh. Voigt, Prokurist des Hauses Friedr. Aug. Herbig in Berlin, dein er seit 30 Jahren ununterbrochen angehort und mit Pflichttreue und Hingebung seine Dienste gewidmet hat. s a a l. keinen Gewinn nimmt, ist vom Standpunkte der Pastorcnschaft und der Kirche nichts dagegen zu sagen. Nur der Sortiments und Kolportagehandcl kann sich davon beschwert fühlen. Das ist auch oft genug geschehen, und das Oberkonsistorium der hessische» Landeskirche z. B. hat auf cingegangene Beschwerde eines Kol porteurs seinen Pfarrern den Verkauf von Gesangbüchern verboten, obwohl im gegebenen Fall der Pfarrer keinen Pfennig für seine Bemühung genommen hatte. Sowie nun aber die Verlagshandlungen oder etwaige Zwischeu- unternehmer den Pfarrer durch Gewinnanteile locken, verschiebt sich das ganze Bild. Dann wird eine charaktervolle kirchliche Presse sich dagegen auflehnen, wie in unserm Fall -Reichsbotc- und -Christ liche Welt-, ohne von einander zu wissen, einmütig gethan haben. Gewiß ist es an sich keine Schande, Gewinn zu nehmen. Der ganze Handel hat keine andere Tendenz als den Erwerb. Aber diese Welt des Handels hat eben darum ihre besonderen sittlichen Ge fahren. Vor ihnen den Beamten zu schützen, giebt man ihm den festen Gehalt. So thut der Staat, so die Kirche, die Ge meinde. lind wenn schon sonst der Beamte sich vor Trinkgeldern und Nebenvortcilen zu hüten hat, je ernster sein Amt ist, desto mehr, so soll vor allen Dingen der Pastorenstand damit un verworren bleiben. Will er — um des guten Zweckes willen — die Verbreitung religiöser Litteratur und Kunst im Volke durch seine Handreichung fördern, so thuc er cs uneigennützig, unter Ab lehnung jeden Gelvinns; handelt er anders, so wird man im Interesse eines intakten Pfarrerstandes fortfahren müssen, dagegen zu protestieren. 3. Obwohl Rat nicht begehrt ist, möchte ich doch nicht schließen, ohne meine Gedanken über die Möglichkeit eines Ausgleichs zwischen den cntgegeustehendcn Interessen zu sagen. Wollte das Süddeutsche Verlags-Institut nach seinem Miß erfolg im ordentliche» Buchhandel sich an die Pastoren wenden, so würde es willige Helfer genug gefunden haben, wenn es keinen Privatvorteil in Aussicht gestellt, sondern als Prämie für die Zu führung von Bestellern der Kirchen-, Gemeinde- oder Schul bibliothek ein Freiexemplar zugedacht hätte. Oder ein anderer Weg war vielleicht der: Wenn der Buch handel in den letzten drei Jahren nur 80 Exemplare der »Meister bibcl» absetzte, so würde eine Mitteilung dieser Thatsache an die Sonntagsblätter und Kirchenzeituugen gewiß deren Interesse für das Werk belebt haben. Wan» wäre es vielleicht auch möglich ge wesen, auf diesem Wege für den Vertrieb andre Kräfte zu ge winnen als gerade die Pastoren. Im übrigen mögen Geschäftskundige, die diese Vorschläge allzu laienhaft finde», bedenken, zu welchen Konsequenzen es führen soll, wen» der von dem Süddeutschen Verlags-Institut beschrittenc Weg weiter benutzt wird und wenn die Verlagsbuchhandlungen alle religiösen, theologischen oder moralischen Bücher und Schriften, die durch den ordentlichen Zivischeuhandel keinen Erfolg haben, den Pastoren zum Vertriebe übergeben! Frankfurt a,M. Pfarrer I). Rade.