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1427 1845.) daß zwar ein im Handbuche von Simon über das preußische Staatsrecht, Band 2, Seite 24 allegirter späterer Bundestagsbeschluß vom 14. Juni 1832 die Meinung ausgesprochen haben soll, daß der tz. 7, Absatz 2 des Beschlusses vom 20. Sept. 1819 nicht in dem bis her erörterten Sinne genommen werden könne; daß aber, abgesehen davon, daß dieser Beschluß in Preußen nicht publizirt worden, und daß derselbe weniger die Frage über das wegen eines Preßvergehens einem Bundesstaate zustehende Klagerecht, als die über die nach den jedesmaligen Bundesgesetzen zu beurtheilende Strafbarkeit desselben zum Gegenstand zu haben scheint, die spätere preußische Gesetzgebung an keiner Stelle den Grundsatz aufgestellt hat, daß nur die preußische Censur in Preußen die Anwendbarkeit des Bun- dcstagsbeschlusses vom 20. Sept. 1819 in Ansehung des §. 7 bedinge; daß diese Gesetzgebung, weit entfernt, die durch jenen Paragra phen den Verfassern und Verlegern von Druckschriften eingesührte günstige Bestimmung aufzuheben, oder zu schmälern, vielmehr im Publikations-Patente vom 18. Okt. 1819, §. 19, dieselben Grund sätze aufrecht erhalten, und sogar in der königlichen Kabinetsordre vom 4. Okt- 1842, betreffend die Bestimmung: „daß in dem Staate er scheinende Bücher, deren Text mit Ausschluß der Beilagen, zwanzig Druckbogen übersteigt, wenn sowohl der Verfasser, als der Verleger genannt sind, der Censur ferner nicht unterworfen sein sollen," so wie in der königlichen Kabinetsordre vom 4. Febc. 1843, „betreffend die Censur der Zeitungen und Flugschriften, und die Genehmigung der vom Staatsministerium entworfenen Censur-Jnstruktion vom 31. Januar 1843" die Absicht deutlich ausgesprochen und bewahrt hat, die Grenzen der Preßfreiheit in dem Sinne der Gesetzgebung von 1819 zu erweitern; daß daher eine von dem Staate ausgehende öffent liche Klage gegen den Verfasser einer in einem andern deutschen Bundesstaate mit gehöriger Censur erschiene nen Druckschrift mit dem Geiste und der Abfassung des §.7 des Bundestags-Beschlusses vom 20. September 1819 unvereinbar erscheint, und schon aus diesem Grunde die Klage der Staatsbehörde gegen den Beschuldigten als unzulässig zurückgewiesen werden muß; daß aber außerdem die von dem Beschuldigten dieser Klage ent gegengesetzte Einrede der Unannehmbarkeit sich jedenfalls dadurch recht fertigt, daß in der zu den Akten gebrachten „Düsseldorfer Zeitung" v- 29. und 30. Mai 1845, also vor Anhebung gegenwärtiger Klage, ein ge treuer und wörtlicher Abdruck des inkriminirten Artikels der Augsburger Allgemeinen Zeitung enthalten, und also, wie von Seilen der Staats behörde nicht bestritten wird, auch mit dem Imprimatur eines preußischen Eensors versehen, der gedachte Artikel im Drucke erschienen ist; — daß aber nach dem ausdrücklichen Inhalte des §. 13 des Censur-Gesetzes vom 18. Oktober 1819 der Buchdrucker und Verleger, welcher die in diesem Gesetze bestimmten Vorschriften befolgt und die Genehmigung zum Ab drucke einer Schrift erhalten hat, von aller Verantwortlichkeit frei sein, und eben so demVerfasscr dieseBesceiung znStatten kommen soll, wenn er nicht die Aufmerksamkeit des Eensors zu hinlergehen, oder sonst durch unzulässige Mittel die Erlaubniß zum Drucke zu erschleichen gewußt hat; daß aber die Untersuchung keinen Beweis solcher unzulässigen Mit tel ergeben und selbst die Staatsbehörde die Anwendung derselben durch den Beschuldigten, welcher nicht einmal selbst den fraglichen Artikel in die „Düsseldorfer Zeitung" hat einrücken lassen, nicht behauptet hat; daß daher bis zum Beweise des Gegentheils der vollständige gute Glaube des Letztem in Beziehungjauf die Beobachtung der Eensurgesetze als feststehend angenommen und ihm daher die im angeführten Paragraphen enthaltene Befreiung von aller Verantwortlichkeit dem Staate gegenüber zu Statten kommen muß; daß in diesem Sinne auch der Revisions- und Kassationshof zu Berlin erkannt, und durch Urtheil vom 15. Mai 1837 (Rhein. Archiv, Bd. 37, II. Abth. ?. 53) entschieden hat, daß das Eensurgesetz vom 18. Okt. 1819, wegen Inhalts censirterSchriften keinVerfahren vonAmts- wegen gestatte, und daher für die Rheinprovinz eine Ausnahme von der allgemeinen Regel, die Artikel 1, 22 und 47 der Strafprozeß-Ordnung feststelle; ^ daß es hierbei auch nicht darauf ankommt, daß der inkriminirte Artikel zuerst in der „Augsburger Allgemeinen Zeitung" und erst später in der „Düsseldorfer Zeitung", und zwar sogar ohne Zuthun des Be schuldigten erschienen ist, indem zwar allerdings durch das spätere Im primatur des preußischen Eensors die durch eine frühere Publikation in einer andern Zeitung ausgeübte Injurie, w-nn eine solche Vorhandensein sollte, nicht aufgehoben werden kann, es aber im vorliegenden Falle sich nicht sowohl von dieser Beleidigung an und für sich, sondern von dem Klagerechte des Staates, solche von Amtswegen zu verfolgen, handelt; daß auch in der rheinischen Gesetzgebung es sich ereignen kann, daß selbst da, wo die Eristen; eines Delikts (angenommen, der inkriminirte Artikel enthalte ein solches) außer Zweifel ist, doch der Staat durch seine Beamten sich des Rechtes, auf Bestrafung desselben zu klagen, begeben hat, z. B. bei verspäteter Opposition gegen einen Rathskammerbeschluß, verspäteter Berufung von einem freisprechenden Urtheile, eingetcetener Verjährung u. s. w.; daß eben so in vorliegendem Falle, wo der Staat durch eines seiner Organe das Imprimatur dem heute inkriminirten Artikel ertheilt, und damit denselben genehmigt hat, es bei unterstellter Einheit des Staats organismus einen Widerspruch involviren würde, wenn er demnächst später durch ein anderes seiner Organe, das öffentliche Ministerium, den selben Artikel mißbilligend, dessen Bestrafung verfolgen könnte; daß daher durch Ertheilung des Imprimatur der Staat als solcher auf sein sonst bestehendes Klagerecht verzichtet, ohne jedoch hierdurch die Rechte der beleidigten Privatpersonen zu schmälern, denen vielmehr nach den Schlußworten des §. 13 des allegirtenGesetzes ihreKlage aufPrivat- genugthuung Vorbehalten bleibt, ungeachtet, wie es darin heißt, die Censur der Aufsätze erfolgt und die Erlaubniß zum Drucke gegeben wor den sei; daß, würde das königliche Ober-Censurgericht, würde der Ober präsident von Schaper als Kläger aufgetreten sein, das Gericht schuldiger Maßen über die Klage erkannt haben würde, was Rechtens; daß aber noch zur Zeit keine dieser beiden Behörden klagend aus getreten ist; daß das öffentliche Ministerium auch nicht als solche repräsentirend, oder als sich deren Anträgen anschließend, da sie deren keine genommen, angesehen werden kann, vielmehr nach Ausweis der Akten lediglich als Staatsbehörde, im Gegensätze von Privaten, aufgetreten ist, und die gegenwärtige Klage auf Erlassung eines Strafurtheils, als eine öffent liche Klage, im Gegensätze zu der Privatklage, sich darstellt; daß aber eine solche Klage nach dem bisher Ausgeführten als un zulässig abgewiesen werden muß; aus diesen Gründen erkennt die Korcektionell-Kammer des königl. Landgerichtes für Recht: daß die Klage und die Anträge des öffentlichen Ministeriums auf Bestrafung des Beschuldigten, wegen Beleidigung des königl. Ober- Eensurgerichtes in Berlin und des Oberpräsidenten v. Schaper, in Be ziehung auf ihre Amtsverrichtungen durch den Inhalt des in der Beilage der „Allgemeinen Zeitung" vom 25. Mai 1845 veröffentlichten Auf satzes, wie hiermit geschieht, als unzulässig abzuweisen sei, unter Ent bindung des Beschuldigten von den Kosten. (Gez.) Schauberg. Lautz. Boisseree. Eschbach. 206 *