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9638 Börsenblatt s. d Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 197, 26. August 1910. 1. Die direkten mit Zuhilfenahme der technisch geschulten Menschenhand ausgeübten Verfahren zur Erlangung druck fähiger Platten, wozu die Lithographie mit der ihr ver wandten Tusch- und Kreidezeichnung auf Stein und der Autographie, der Kupferstich und der allerdings in unserer Zeit für die Kartographie mehr und mehr abkommende Stahlstich, sowie der gegenwärtig für die Kartcnreproduktion bedeutungslos gewordene Holzschnitt gehören. 2. Die indirekten oder photomechanischen Verfahren, bei denen die Mithilfe der Photographie von entscheidender Be deutung für die Erlangung der Druckplatte ist. Hierher sind die Photolithographie und Photolypie, die Heliographie und mit gewisser Beschränkung auch die Autotypie zu zählen. Den Musikaliendruck, der in Leipzig seinen Hauptsitz hat, beschreibt Otto Säuberlich in einer lichtvollen Darstellung, die zugleich durch Bilder erläutert wird. Die photomechanischen Jllustcationsverfahren werden von vr. E. Goldberg behandelt, der sie vorerst in ihren allge meinen Grundzügen kennzeichnet und dann die Neuerungen und Fortschritte der letzten zehn Jahre würdigt. Das Kapitel vom Bucheinband hat Karl Sonntag der Jüngere beigesteuert. Er tritt für den modernen Buchein band ein, der merkliche Gediegenheit, Echtheit des Materials und der Technik, sowie Zweckmäßigkeit in sich vereinigt. Der Verfasser ist in der Lage, eine Reihe schöner Einbände aus seiner eigenen Werkstatt in farbiger Reproduktion vor- zusühren. Die Ratschläge dieses Kapitels wenden sich zwar in erster Linie an private Bllcherliebhaber, doch sind sie auch für Verleger beachtenswert, die ihre Werke nicht ausschließlich in fabrikmäßiger Manier binden laßen wollen. Das Thema Buch und Bibliothek behandelt Ludwig Petzendorfer. Der Verfasser äußert sich vom Standpunkt des Bibliothekars über die Herstellung und Ausstattung der Bücher, und er tut dies in einer temperamentvollen Weise, die hoffentlich den Eindruck nicht verfehlen wird. Im wesentlichen spricht er sich über Fragen aus, die schon von anderen Mitarbeitern des Werkes behandelt worden sind; aber ec stimmt nicht in allen Einzelheiten mit diesen über ein. Er geht, wo er es für richtig hält, auch seine eigenen Wegs, und er verwirft z. B. ganz entschieden die Draht heftung, obschon auch das vorliegende Werk mit Draht ge heftet ist. Es ist durchaus zu begrüßen, daß nicht bloß Männer der Technik in einem solchen Werk zu Worte kom men, sondern daß auch ein Bibliothekar von seinem Stand punkt aus offen darin reden darf. Zum Schluß hat Jean Loubier ein Kapitel über die neue Buchkunst beigesteuert. Auch hier findet man erklär licherweise manches, was schon in früheren Kapiteln gesagt worden ist; aber hier ist alles unter dem Gesichtspunkt des Ästhetischen beleuchtet. Der Verfasser zeigt, wie die neue Buchkunst sich in den letzten fünfzehn Jahren im Anschluß an das neu erwachte Kanstgewerbe entwickelt hat. Den Anstoß gab William Morris, doch hat schon 1880 Max Klinger in der neuen Ausgabe von Amor und Psyche ein mustergültiges Werk in typographischer Hinsicht geschaffen. Die neue Buchkunst wurde besonders von Eugen Diederichs und dem Jnselverlag gepflegt, denen sich seither manche andere Verleger angeschlosssn haben. Loubier unter scheidet zwei Perioden: eine erste von 1895 an, charakteri siert vor allem durch die schmückende Arbeit der Künstler, die zusammen mit einigen Verlegern und Druckern neue Wege gingen, und eine zweite Periode, die mit dem Jahre 1900 anhebt, in dem die ersten neuen deutschen Druck schriften^ von Künstlern herauskamen. So kann man die erste Periode im wesentlichen als eine illustrativ dekorative bezeichnen, die zweite dagegen, da sie den Druckern neues künstlerisches Material an Typen und Buchornamenten an die Hand gab, mit dem sie nun selbständiger arbeiten lernten, mehr als eine typographische. War der erste Ab schnitt mehr als eine Periode des Ringens und Suchens nach neuen Wegen interessant durch die verschiedenen Indi vidualitäten der Künstler, so ist in der zweiten noch nicht abgeschlossenen Periode mehr und mehr ein fester, man könnte sagen nationaler Stil für die deutsche Buchausstat tung gefunden worden. In ihr tritt die künstlerische dekorierende Zeichnung in ihrer individuell verschiedenen Mannigfaltigkeit zurück gegen den mehr universellen sachlich- ruhigen Stil schlichter, rein typographischer oder doch über wiegend typographischer Ausstattung. Wie sich solche Unter schiede in der inneren Ausstattung der Bücher zeigen, so nehmen wir sie auch, vielleicht noch offensichtlicher, an den Verlegereinbänden wahr, die vom Individuellen immer genereller, sachlicher, strenger, schlichter, aber darum nicht weniger geschmackvoll werden. Loubier erwähnt die markantesten Buchwerke, die die neue Richtung kennzeichnen und gibt auch einige Proben verkleinert wieder. Speziell berücksichtigt er die Künstler, die neue Druckschriften geschaffen haben, und die Verleger und Drucker, die in neuester Zeit auf dem Gebiete der Buch kunst Bemerkenswertes geleistet haben, und er schließt mit dem Wunsche, daß auch weiterhin die drei Hauptfaktoren: Künstler, Drucker und Verleger in stetiger Harmonie zu- sammenarbeiten mögen. Als Titelbild ist dem Bande ein Porträt des Königs Wilhelm II. von Württemberg in Photogravüre, dem das Werk gewidmet ist, oorgeheftet. Gesetzt ist der Text aus Behrens-Antiqua. Die Einbanddecke in rotem Leinen und das Vorsatzpapier hat Professor I. V. Cissarz gezeichnet. Den Druck besorgte in tadelloser Weise die Hoffmannsche Buchdruckerei in Stuttgart, deren Inhaber zugleich der Ver leger des Werkes ist. Um das Nachfchlagen zu erleichtern, sind ein Branchen register und ein Sach- und Namenregister beigesügt. Das Buch soll aber durchaus nicht bloß zum Nachschlagen dienen, es verdient vielmehr, allen, die mit der Herstellung des Buches zu tun haben, zum Studium warm empfohlen zu werden. Es hat einen gediegenen und ungemein reich haltigen Inhalt, aus dem jeder Beteiligte Belehrung und Anregung schöpfen kann, und das auch in seinen Beilagen viel Material zur Orientierung bietet. Die wissenschaftliche Bücherproduktion. Im »Zentralblatt für Bibliothekswesen- gibt W. Erman eine Zusammenstellung des Kaufpreises der im Jahre 1909 im deutschen Sprachgebiet erschienenen wissen schaftlichen Literatur. Alle nicht rein wissenschaftlichen Ver öffentlichungen, größtenteils auch populär-wissenschaftliche, wurden von der Aufstellung ausgeschlossen, da sie ermitteln sollte, welche Summe eine reich ausgestattete wissenschaftliche Bibliothek für die Anschaffung der in Frage kommenden Bücher auswenden müsse. Nach einer zusammensassenden Ausstellung im -Korrespondenzblatt des Akademischen Schutz oereins» betrug der gesamte Kaufpreis 60 306 von dem 10 Prozent auf Lehrbücher, 41,7 Prozent auf andere nicht periodische Bücher und 47,8 Prozent auf Zeitschriften und Serienwerke entfallen. Interessant ist dabei besonders der hohe Prozentsatz der periodischen Literatur, der im Durch schnitt fast die Hälfte der Gesamtsumme umfaßt, in zehn Fällen die Hälfte übersteigt, in einzelnen Fällen aber, wie Mineralogie, Geologie, Paläontologie, 77,5 Prozent, all gemeine Naturwissenschaft und Biologie 74,2 Prozent beträgt. Sowohl Erman wie der Bearbeiter im -Korrespondenzblatt sehen namentlich in dem Anwachsen populär-wissenschaftlicher Serienwerke eine schwere Belastung der Bibliotheken, und