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8642 Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. — Sprechsaal. 197, 26 August 1910. Die literarische Tätigkeit der deutsch-chinesischen Hoch schule in Tsingtau. — Die seit Begründung dieser Hoch schule bestehende Übersetzungsabteilung hat in der kurzen Zeit ihres Bestehens schon Ansehnliches geleistet. Unter anderem hat sie eine verbesserte Neuausgabe der von vr. Lucht und dem chinesischen Lehrer Kiang verfaßten deutschen Sprachhefte heraus gegeben. Außerdem befindet sich ein Lehrbuch des Chinesischen für Deutsche in Vorbereitung. Weiter wurde eine deutsche Uber« setzung des Verzeichnisses der vom chinesischen Unterrichtsministerium festgesetzten physikalischen Ausdrücke veröffentlicht. Die juristische Fakultät hat einen Abdruck der preußischen, japanischen und chinesischen Verfassung, die beiden ersten deutsch, den dritten chinesisch, als Textbuch für die Schüler Herstellen lassen, das in dieser Zusammenstellung sehr lehrreich ist. Der vom Dozenten vr. Guthert mit Erläuterung versehene Entwurf zum neuen deutschen Strafgesetzbuch wurde von vr. H. Wirtz ins Chinesische übersetzt. Zehrfeld. Post. — Neue Postanweisungsformulare sind jetzt von einigen Berliner Postämtern zur Ausgabe gelangt. An diesen neuen Formularen, die bedeutend länger sind, befindet sich ein Posteinlieferungsschein, der vom Absender auszufüllen ist und von den Beamten nur quittiert wird. Der kleine Coupon wird dann abgetrennt und dem Einzahler zurückgegeben. (Vossische Zeitung.) * Ortsgruppe Stuttgart der Allgemeinen Bereinigung Deutscher BuchhandlungS-iSehilfen. — Die Ortsgruppe ver anstaltet am 4. September einen Ausflug mit Damen nach Uhlbach. Daselbst im »Gasthof zum Lamm« Tanz, humoristische Vorträge usw. Treffpunkt 2 Uhr an der Jubiläumssäule auf dem Schloßplatz. Bei ungünstiger Witterung Abfahrt 3 Uhr ab Haupt bahnhof bis Obertürkheim. Gäste willkommen. Personalnachrichte». ' Hermann Lchwartze Halle. — Der berühmte Ohren, arzt Geheime Medizinalrat vr. Hermann Schwartze, ordent licher Professor der Medizin an der Universität Halle und Direktor der dortigen Universitäts-Ohrenklinik, ist am 20. d. M. in Halle gestorben. Er war ein Altmeister der wissenschaftlichen Ohrenheilkunde, zu deren Begründern er gehörte. Geboren am 7. September 1837 in Neuhof (Pommern), studierte er in Berlin und Würzburg und lehrte und wirkte seit 1863 in Halle. Von seinen wissenschaftlichen Veröffentlichungen seien hier ge nannt: Praktische Beiträge zur Ohrenheilkunde (1864); — Die Para- centese des Trommelfells (l868); — Pathologische Anatomie des Ohrs (in: Klebs' »Handbuch der pathologischen Anatomie«, 1878); — Die chirurgischen Krankheiten des Ohrs (in »Deutsche Chirurgie«, 1886, dasselbe auch u. d. T.: Lehrbuch der chirurgischen Krank- heiten des Ohrs, 1885); — Handbuch der Ohrenheilkunde (1892—93); — Einführung in das Studium der Ohrenheilkunde (mit K. Grunert, 1905). Seit 1872 redigierte er das 1864 mit Tröltsch und Politzer von ihm gegründete »Archiv für Ohren- Heilkunde«. Sprechsaal. Neuigkeiten? Im Buch- und Musikalienhandel hat sich bei den Anzeigen neuerschienener Werke die Anwendung des Wortes »Neuig keiten« allgemein eingebürgert. In unserem Börsenblatt, in den Wahlzetteln, Verlagskatalogen, auf Prospekten usw., überall liest man von »Neuigkeiten des Buch- oder Musikverlags« und man fühlt wohl kaum mehr, daß dieses Wort in den erwähnten Fällen ganz unrichtig gebraucht ist. Die Wörter »Neuheit« und »Neuigkeit« haben (nach meinem Sprachgefühl) nicht ein und dieselbe Be deutung. Ersteres ist ein rein konkreter Begriff, letzteres dagegen ein abstrakter. Da nun Bücher, Musikalien und Kunstwerke doch zweifellos Dinge von ganz konkreter Art sind, müssen solche, sofern sie neu erschienen sind, mit »Neuheiten«, nicht mit »Neuigkeiten« bezeichnet werden. »Neuigkeiten« dagegen sind nichts Stoffliches, sondern können sich nur auf Nachrichten, Meldungen, Ereignisse usw. beziehen. Wenn der Kaufmann oder Fabrikant etwas Neues auf den Markt bringt, so empfiehlt er richtigerweife die betreffende Ware als »Neuheit«, niemals als »Neuigkeit«. Sollten diese Zeilen dazu Veranlassung geben, einen stereotyp gewordenen unrichtigen Sprachgebrauch in unserem Beruf aus zumerzen, so wäre ihr Zweck erreicht. Stuttgart, im August 1910. Albert Auer. Bemerkung der Redaktion. — Der Ausdruck »Neuig keiten«, wie er im deutschen Buch-, Kunst- und Musikalienhandel von alters hergebracht ist und — übrigens mit sprachlicher Be rechtigung — täglich verwendet wird, hat schon früher zu ver einzelten Äußerungen des Mißfallens im Börsenblatt, aber auch zur Berichtigung irriger Meinung geführt. In Gustav Wustmanns »Allerhand Sprachdummheiten« (3. Auflage, 1903, Seite 331) lesen wir: »Neuheiten liegen in dem Schaufenster des Modewaren händlers; in dem des Buchhändlers liegen Neuigkeiten. Bis vor kurzem wenigstens ist dieser Unterschied stets gemacht, und von literarischen Erzeugnissen dasselbe Wort gebraucht worden wie von neuen Nachrichten: Neuigkeit. Es hat einen geistigern Inhalt als Neuheit, und die Schriftsteller sollten es sich verbitten, wenn man jetzt ihre Erzeugnisse mit demselben Worte bezeichnet wie die des Schneiders.« Und im Börsenblatt Nr. 142 vom 22. Juni 1893 findet sich behandelnden Bemerkung in den »Grenzboten«: »Einzelne Buchhändler versteifen sich neuerdings darauf, nicht mehr vvn literarischen Neuigkeiten, sondern von literarischen Neuheiten zu reden; ja es ist sogar von gewisser Seite beantragt worden, diesen Ausdruck in die Amtssprache des Buchhandels einzuführen. Geschähe das, dann wären wir wieder um eine der schönsten Sprachverirrungen reicher. Das Wort Neuigkeit enthält einen konkreten Begriff, es be zeichnet, und zwar schon seit Jahrhunderten, jede neue Er scheinung, sei es auf politischem, auf kaufmännischem, auf literarischem oder sonst welchem Gebiete; das Wort Neuheit dagegen ist ein abstrakter Begriff, es bezeichnet den Zustand des Neuseins. Man könnte daher z. B. von einem Buche mit feiner Unterscheidung sagen, es ist eine Neuigkeit, die ihren Erfolg nur ihrer Neuheit verdanke (nicht ihrem Werte). Nun haben allerdings in neuerer Zeit Schneider, Putzmacherinnen und andre sprachgewaltige Leute auch angefangen, von Neu heiten zu reden. Sie preisen sogar, das Französische nach äffend, in ihren Schaufenstern und Reklamen irgendeine Ware als höchste Neuheit oder als letzte Neuheit an. Aber das sollten doch die Buchhändler ge rost diesen Bildungs kreisen überlassen. Lessing, Goethe und Schiller würden es als völlig undeutsch empfunden haben, wenn zu ihrer Zeit jemand ein Buch eine Neuheit genannt hätte.« Unverlangte Sendungen. iVgl, Rr, IS4 d. Bl.> Eine Verpflichtung, unverlangte Sendungen auf Wunsch bis zu einem bestimmten Termin zu remittieren, besteht laut »Buchhändlerischer Verkehrsordnung« (Abschnitt lX, ß 33 x) nicht. Verhehlen möchte ich aber nicht, daß trotzdem doch eine gewisse — mehr oder minder — moralische Verpflichtung besteht, auch unverlangt erhaltenes Konditionsgut ordnungsgemäß zu remittieren. Es liegt außerdem vollkommen in der Macht der Herren Sortimenter, die Zusendung nicht bestellter Werke durch Anwendung eines hierfür besonders geeigneten Bestellzettels zu verhindern. Ich verweise Herrn H. im übrigen auf meinen Artikel in Nr. 148 d. Bl., in dem ich die Bestellzettel mit ange hängter (perforierter) Aufklebe-Adresse, die die Zusendung nicht bestellter Bücher direkt unmöglich machen und dem Kommissionär das schwierige Geschäft des Kontrollierens ersparen, besonders ausführlich besprochen und den Herren Sortimentern em pfohlen habe. Berlin, den 24. August 1910. Albert Damm i. H. Paul Cassirer.