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^ 26. 2. Februar 1910 Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 1427 (Di-. Bauer) ständen im Interesse einer geordneten Rechtspflege, im Interesse unserer Achtung nach außen hin Unsere Hände lassen. (Sehr gut!) Nun, meine Herren, bei den Zweifeln, die hier obwalten, meinen Sie, daß wir jemals den Senat dazu bringen könnten, diese Anträge von Herrn vr Popert anzunehmen? Weshalb aber wollen wir uns vom Senat den sicher vorauszusehenden Refus geben lassen? Eins muß Sie doch, wie Sie auch über diese Frage denken mögen, in hohem Grade bedenklich stimmen, das ist das folgende: Es ist ja sehr fleißig Material zusammengebracht worden; von allen möglichen Pfarrern und Professoren haben wir Broschüren im Ausschußbericht gelesen: von einem Herrn, der in Pforzheim wohnt, von einein anderen, der — glaube ich — in Darmstadt wohnt; genug, aus Nord- und Süddeutschland sind Stimmen, und mit Recht, gegen diesen Krebsschaden erschollen, der unsere Jugend zu verderben droht. Wenn aber nun in ganz Deutsch land dieselbe Bewegung herrscht, muß es uns da nicht auffallen, daß uns absolut nichts von den einzelnen Partikularstaaten gebracht wird, auch nicht einmal ein Gesetzentwurf? Was bringt man uns denn? Im Kanton Basel soll irgendein Gesetz erlassen worden sein! In Deutsch land hat man sich also bisher gehütet, die Sache in die Hand zu nehmen. Und warum? Weil die anderen Staaten sicherlich derselben Überzeugung sind wie die Gegner der Popertschen Anträge, daß es lediglich Neichs- sache ist, diese Angelegenheit zu erledigen. Meine Herren! Uber die Behörde, die da ferner vorgeschlagen wird, brauche ich Nur wenige Worte zu verlieren! Zwei Senatoren und drei Bürgerschaftsmitglicdcr sollen ihre kostbare Zeit damit hin bringen, daß sie gewissermaßen einen Jugendschriftenausschuß bilden; die sollen nichts weiter tun, als Schmutz- und Schundliteratur Tag für Tag studieren. Welche Aufgabe für eine Behörde! Über diesen Punkt brauche ich wirklich nichts weiter zu sagen. Ich bitte dringend: schließen Sie sich dem Anträge des Herrn Vr Mönckeberg an; denn wenn in dieser schwierigen und verwickelten Sache überhaupt jemand helfen kann, ist es nur das Reich. Und was ich von den verschiedenen Seiten gegen den Antrag des Herrn vr Möncke berg gehört habe, hat mich durchaus nicht dazu gebracht, anderer Meinung zu sein. Davon ist doch nicht die Rede, daß der Senat von uns einen detaillierten Gesetzentwurf erwartet; es kann auch nicht davon die Rede sein, daß der Senat sich blamiert, wenn er den Instanzen im Reich keinen detaillierten^Gesetzentwurf vorlegt. Er kann natürlich durch seine Kommissare mit dem Bundesrat verhandeln, und dann wird sich schon das Weitere finden. Das ist der einzig gangbare Weg. Unmöglich ist es aber, und dringend möchte ich davor warnen, daß Sie die Sache an den Ausschuß zurückverweisen. Was soll schließlich dabei herauskommen? Ich glaube, der Ausschuß soll um vier oder zwei Juristen (Zurufe: Vier!) verstärkt werden. Ich gehöre sicher nicht dazu; wenn ich aber dazu gewählt werden sollte, würde ich es nicht annehmen; ich glaube, daß auch die anderen Herren, auf die ich mich bezog, sich bedanken würden, sich im Ausschuß weiter herumzustreiten, wie das hier in den Sitzungen geschehen ist. Und wenn dann nur mit Majorität im Ausschuß beschlossen wird, was soll denn dabei heraus kommen? Dann kommt die Sache wieder hierher, dann haben wir wieder unsere Schmutz- und Schundliteratur-Abende, und dann ent- bitte daher^ alle derartigen Anträge entschieden abzulehnen, damit wir endlich wieder zu positiver, praktischer Arbeit im Interesse unserer Vaterstadt gelangen. (Bravo!) Erster Vizepräsident: Nachzutragen ist, daß Herr vr. Popert heute einen neuen Antrag eingebracht hat: (Oh!-Rufe.) Ich beantrage: die Annahme des Antrags von Wolfhagen auf Rückverweisung an den Ausschuß, mit der Maßgabe, daß der Antrag von Vr Mönckeberg und Genossen von der Rückverweisung ausgenommen wird. Dann ist weiter ein Antrag von Herrn Krause zu dem Anträge der Herren I)i Philippi und Genossen eingegangen, welcher folgender maßen lautet: Ich beantrage: im Antrag von I)r Philippi und Genossen hinter den Worten »mit den hierfür erforderlichen Mitteln versehen werden« die Worte ein zufügen: »daß insbesondere den Zöglingen der hamburgischen Schulen mindestens einmal während der Zeit der Schulpflicht eine Jugend schrift oder ein sonstiges gutes Buch als Eigentum überwiesen werde.« vr Philippi. Philippi. Meine sehr geehrten Herren! Ebenso wie Herr vr Bauer betrete ich die Tribüne mit dem Gefühl, das Haus um Ent schuldigung bitten zu müssen, daß ich seine Zeit noch weiter in Anspruch nehme. Wie die Debatte nun einmal gelaufen ist, bin ich nicht in der Lage, ganz davon abzusehen, ich werde mich aber so kurz wie irgend möglich fassen und bitte Sie, mir kurze Zeit noch freundlichst zuzuhören. Ich will ganz davon absehen, auf die verschiedenen Angriffe, die gegen meine Partei und meine Person gerichtet sind, im einzelnen zu ant worten, und mich nur an die sachlichen Argumente halten, die hier vor gebracht worden sind. Ich habe mich in erster Linie zu beschäftigen mit dem, was Herr Wolfhagen in der vorigen Sitzung für die Vereinbarung des Ausschußantrages und seines eigenen Antrages mit der Reichs gesetzgebung vorgebracht hat. Herr Wolfhagen hat ja ganz recht darin, daß der letzte Abschnitt des Strafgesetzbuches, der die Übertretungen enthält, kein organisches Ganzes bildet, sondern vielmehr eine lose Sammlung von einer ganzen Anzahl von Einzelbestimmungen, von denen eine jede eine besondere Materie behandelt. Deshalb ist es an sich ganz zweifellos zulässig, Strafbestimmungen polizeilichen Charakters auch in den Einzelstaaten zu erlassen und diesem letzten Abschnitte hinzuzufügen. Aber, und das ist auch von Herrn Wolfhagen nicht ver kannt worden, es dürfen diese Pvlizeibestimmungen nicht Materien betreffen, die im übrigen Gegenstand des Strafgesetzbuches sind. Wie Herr Wolfhagen sich ausdrückt, darf mit solchen landespolizeilichen Strafbestimmungen nicht eingegriffen werden in andere Gebiete des Strafgesetzbuches, wie ich es lieber ausdrücken möchte, dürfen sie nicht Handlungen betreffen, die im übrigen Gegenstand irgendwelcher Be stimmungen des Strafgesetzbuches sind. Hier trennen sich unsere Wege; Herr Wolfhagen behauptet, daß jedenfalls sein Antrag in andere Ge biete des Strafgesetzbuches nicht eingreife, während ich das Gegenteil einmal nachzuweisen versuchen werde. Die Bezugnahme auf die polizeirechtlichen Bestimmungen, be treffend das Konkubinat, kann Herr Wolfhagen, meine ich, nicht für sich geltend machen, und zwar auch aus Gründen, wie von Herrn I)r Bauer, wenn ich ihm richtig gefolgt bin, noch nicht geltend gemacht worden ist. Das Konkubinat, überhaupt der außereheliche Geschlechtsverkehr als solcher, kommt im ganzen Abschnitt über Vergehen und Verbrechen gegen die Sittlichkeit nicht vor, es ist eine Art von Handlung, die dort noch nicht behandelt worden ist und gerade deshalb ist es möglich, in Polizeigejetzen besondere Strafdrohungen dagegen zu statuieren. Andererseits aber ist der Gegenstand, mit dem wir es hier zu tun haben, der gesamte Verkehr mit sittengefährdenden Schriften behandelt unter § 184 und § 184a des Strafgesetzbuches. Keineswegs nur der mit un züchtigen Schriften. Denn unter den 8 184a des Strafgesetzbuches können alle Schriften, nicht nur der Schmutz- und Schundliteratur, fallen, sondern an sich durchaus vortreffliche Bilder und Schriftwerke, wie z. B. ausgezeichnete anatomische Werke, die verwendet werden können, um das Schamgefühl der Kinder in roher Weise zu verletzen; sie fallen unter das Gesetz nicht wegen ihrer Natur, sondern wegen ihrer Verwendung. Der gesamte Verkehr mit Schriften, die Anstoß erregen können, ist in diesen beiden Paragraphen behandelt worden und er soll bestraft werden, soweit es dort statuiert ist und nicht weiter. Dafür habe ich mich berufen und mit Recht berufen auf die Entstehungs geschichte des Gesetzes, insbesondere auf die Verhandlungen des Reichs tages. Herr Wolfhagen hat ein Beispiel gebildet, mit dem er mich widerlegen zu können glaubt, es ist aber nicht richtig gebildet und ent spricht nicht dem Vorgänge, wie er sich seinerzeit bei dem Erlaß der lex Heinze zugetragen hat. Sein Beispiel lautet dahin: wenn die Bürger schaft den Antrag eines ihrer Mitglieder annimmt, und der Senat ihn nachher ablehnt, dann ist keine Übereinstimmung der gesetzgebenden Faktoren vorhanden. Das ist selbstverständlich richtig. Das Beispiel aber hätte anders gebildet sein müssen. Wenn der Senat zu einem bestimmten Zwecke bei der Bürgerschaft eine Summe von 100 000 F5 einwirbt, die Bürgerschaft nach Debatte 50 000 ^ bewilligt, der Senat dem, wenn auch nur ungern, zustimmt, so daß nun ein übereinstimmen der Beschluß von Senat und Bürgerschaft besteht, dann haben beide gesetzgebenden Faktoren in Übereinstimmung beschlossen, daß für den betreffenden Zweck 50 000 ^ ausgegeben werden sollen und nicht mehr. Ganz analog ist die Sache bei der Isx Heinze gelaufen. Die Verbündeten Regierungen haben dem Reichstage einen Gesetzentwurf vorgelegt, der sehr umfassende Strafbestimmungen gegen den Verkehr mit an stößigen oder gefährlichen Schriften enthielt. Nach langen Kämpfen, 185*