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(vn. Philippi) antrage und ebenso mit dem Anträge des Herrn Wolfhagen die meiste Ähnlichkeit hat. Mit diesen differiert er ja insofern, als als Objekt des Verbotes in dem § 184a und ebenso in dem alten Regierungsentwurf, Schon insofern geht dieser Antrag viel weiter; der größte Unterschied aber liegt darin, daß § 184a und ebenso der Regierungsentwurs, der nach der Meinung des Herrn vr Mönckeberg wiederhergestellt werden könnte, unter Strafe stellen nur die Ausstellung, die in ärgerniserregen der Weise geschieht; während der Ausschußantrag die Ausstellung jedes Buches, das durch seinen Inhalt auch bei dem Leser Ärgernis erregen kann, verbietet. So wie das Reichsgesetz jetzt steht und wie Herr vr Mönckeberg es in Aussicht nimmt, nützt diese Bestimmung, mit der wir uns beschäf tigen, gegenüber den Übeln, die wir bekämpfen wollen, gar nichts; denn die Ausstellung eines Buches im Schaufenster ist natürlich nur dann geeignet, sittliches Ärgernis zu erregen, wenn auf dem Deckel in augenfälliger Weise ein obscöner Titel angebracht ist, z. B. in dem Falle, den Herr Pape angeführt hat, in dem ein Buch ausgestellt war mit dem Titel: »Du darfst ehebrechen«; ferner, wenn obscöne oder unzüchtige Bilder in auffälliger Weise auf dem Umschlag vorhanden sind. Sonst kann die Ausstellung eines Buches überhaupt kein Ärgernis erregen. Wenn es einen unauffälligen Umschlag hat, können derartige Bestimmungen gegen den verderblichsten Inhalt nicht helfen, und die Verbreiter von Schund- und Schauerliteratur würden den Bestimmungen sehr leicht entgehen, wenn sie sich bei Ausstattung der Einbände etwas mcnagieren. Ich will dabei noch eins bemerken. Ich habe noch heute Nach mittag Gelegenheit genommen, nachzusehen, wie oft der § 184a des Strafgesetzbuches zur Anwendung gekommen ist. Im Jahre 1907 ist er, nach dem statistischen Bericht des Reichsjustizamtes, in Hamburg angewendet worden: kein Mal; im Bezirk des Kammergerichts, der Berlin einschließt, ebenfalls kein Mal. So nützlich ist dieser Paragraph! Es sind nicht einmal Anklagen erhoben worden (Zurufe: Die Wir kung!), und der Ausbau dieser Bestimmungen wird deshalb wirklich nichts nützen. Ich glaube auch: dieser Vorschlag des Herrn vr Möncke berg ist durchaus unfruchtbar. Und wenn die Bürgerschaft beschließen sollte, mit derartigen evident unmöglichen und keinen Erfolg versprechen den Vorschlägen an den Senat zu gehen, so würde es ihr sicherlich nicht gelingen, den Senat in der Richtung des Antrages in Bewegung zu setzen. Sie kann selbst nicht einmal wünschen, daß der Senat in dieser Weise nachgebe. Es würde dadurch erstens eine sehr unbequeme Lage des hamburgischen Staates erzielt werden aus Gründen, die schon voriges Mal angedeutet worden sind, und zweitens eine Schmälerung des Ansehens des Senats in seinem Verhältnis zu den verbündeten Negiernngen, wenn er derartige schlecht erwogene und unausführbare Anträge im Bundesrat stellte. Sollten endlich wider Erwarten die verbündeten Negierungen sich doch mit dieser Sache befassen wollen: wie will man sich denken, daß, nachdem im Jahre 1900 weniger weit gehende Vorschläge einen so unendlichen Sturm im Reichstage erregt haben, die Regierungen nun wieder mit Anträgen gleicher Art vor denselben Reichstag treten sollen, bewaffnet mit einem Gutachten der vom Reichskanzler selbst eingesetzten Kommission zur Nevidierung des Strafgesetzbuches, das der Reichsregierung attestiert, daß ein Be dürfnis nach einer Verschärfung der Bestimmungen der §§ 184 ff. sich nicht gezeigt hat. Also unmöglich und inopportun und nicht zu erklären und nicht zu rechtfertigen in allen Punkten. Deshalb, meine ich, würde die Bürgerschaft ihr eigenes Ansehen herabsetzen, wenn sie sich mit einem solchen Wunsche an den Senat wendete, bei dem jeder durchschauen kann, daß er nur in der Verlegenheit ausgesproechn wird und daß es sich da bei um einen ernsten Wunsch der Bürgerschaft nach solchem Vorgehen gar nicht handelt. (Widerspruch.) Man würde sich nicht wundern können, wenn den Anträgen, die die Bürgerschaft an den Senat richtet, in Zu- Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 77. Jahrgang. kunft weniger Beachtung geschenkt werden würde. Ich bitte Sie des halb, den Antrag abzulehnen. Auch bitte ich Sie, wie ich es schon früher getan habe, den Aus schußantrag unter 1 abzulehnen; ich habe dazu noch eins zu bemerken, einen ganz einfachen Punkt. Vielleicht wäre es richtiger gewesen, die ganze Debatte damit anzufangen, man hätte vielleicht manche Rede damit ersparen können. Man erläßt ein Gesetz doch nur dann, wenn man sich Nutzen davon verspricht. Was soll der Antrag 1 des Ausschusses nützen? Würde er angenommen, würde er zum Gesetz und zwar in so verbesserter Fassung, daß er wirklich die Wirkung hätte, alle Schmutz- und Schundliteratur aus den Schaufenstern zu entfernen, was würden die Händler mit solchen Heften, wie Nie Carter usw., tun? Sie würden vermutlich an allen Fenstern ihres Ladens ein recht auffälliges Plakat aubringen: »Hier ist spannende Jugendlektüre zu verkaufen, Heft für Heft 10H.« Das würde von den Kindern sehr bald herausgefunden werden, und der Zustand würde derselbe bleiben. Es ist ein Antrag, der nur schaden und gewiß keinen Nutzen schaffen kann. Ich bitte deshalb, den Antrag abzulehnen und bitte, unserm Anträge zuzustimmen. Mit der Aufnahme dieses Antrages Krause in den Antrag unserer Fraktion sind wir einverstanden; denn wir legen Wert darauf, daß in bezug auf die positive Arbeit ein möglichst einstimmiger Beschluß der Bürger schaft zustande kommt, und wollen deshalb diesem Anträge trotz der Bedenken, die ich in der vorigen Sitzung geäußert habe, nicht wider- vr. Popert (zur Geschäftsordnung). Das Präsidium teilt mir mit, daß Zweifel darüber bestehen, ob mein Amendement zu dem Anträge Wolfhagen geschäftsordnungsmäßig zulässig sei. Da ich nicht die Absicht habe, eine lange Geschäftsordnungsdebatte zu entfachen, ziehe ich diesen Antrag zurück. Pape. Meine geehrten Herren! Ich werde es ganz kurz machen. Herr vr Bauer hat anerkannt, mit welchem Fleiß wir im Ausschuß viel Material zusammengetragen hätten aus Nord und Süd; aber über einen Punkt ist er sehr schnell hinweggegangen, nämlich darüber, daß wir auch Material aus der Schweiz gebracht haben und daß man in der Schweiz ein Gesetz gemacht und angenommen hat, das materiell ganz dasselbe ausspricht, was wir wünschen, und das nur noch sehr viel schärfere Strafbestimmungen daneben hat. Das ist doch auch ein Parla ment gewesen, an der Fassung des Gesetzes sind auch Juristen beteiligt gewesen; sollten denn die wirklich so rückständig sein, wie es hier aus gesprochen ist, wie die hamburgische Bürgerschaft sich zeigen würde, wenn sie ein derartiges Gesetz überhaupt annähme? Bedenken Sie doch, meine Herren: in der Schweiz gewährt man Nihilisten und Terro risten ungehindert Aufenthalt; wenn es sich aber um den Schutz der Jugend handelt, dann greift man mit der Faust zu, um das giftige Un geziefer zu vertilgen, das die Jugend bedroht. Ich kann nicht in die juristischen Ausführungen eingehen, die die Vorredner uns geboten haben. Ich darf aber vielleicht die Äußerung eines hochstehenden Juristen verlesen, die kürzlich auf einem Tage für Jugendfürsorge in dem liberalen Nürnberg gefallen ist. Dort hat ein Oberlandesgerichtspräsident von Schneider ausgeführt — ich darf das wohl verlesen —: »Er sagte von den außerpolizeilichen Mitteln, sie seien Flickwerk, so lange die Gesetzgebung nicht den Mut finde, den Daumen auf die eiternde Wunde des deutschen Volkes zu legen. Es solle der Richter ausgestattet werden mit der Vollmacht zu entscheiden, was für unsere Jugend unschädlich ist, und dann unbarmherzig allen Schund und Schmutz vertilgen, mit dem zurzeit 8000 Schmutz- und Schund firmen — 8000 Schmutz- und Schundfirmen! — Deutschland und die Nachbarländer vergiften. Dann wird sich zeigen, daß da, wo ein sagt: Sie möchten die Bürgerschaft warnen, daß sie sich mit einem solchen Gesetze blamiere? Nun, meine Herren, das ist das Urteil eines hochstehenden Juristen, eines Oberlandesgerichtspräsidenten, und ich bitte, das mit in die 186