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562 Nichtamtlicher Theil. ^ 37, 14. Februar. „Die Gegenwart. Wochenschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben. Redacteur: Paul Lindau in Berlin." Wöchentlich eine Nummer von zwei Bogen gr. 4. Berlin, Stilke. Preis pro Quartal 1^ Thlr. — Berlin nennt sich jetzt vorzugsweise gern die deutsche Kaiserstadt, und süß klingt es in seinen Ohren, wenn man es gar als angehende Weltstadt prädicirt. Wir wollen hier nicht untersuchen, wie groß gerade seine Verdienste gewesen sind, um cs zur Kaiserstadt zu machen, noch weniger aber, ob es ein Vortheil für das Berliner Culturleben oder für das ganze neue deutsche Reich wäre, wenn cs zu dem würde, was man eine Weltstadt zu nennen beliebt. Zweierlei aber ist nach der sächlichen Lage der Dinge sicher: einmal, Berlin ist über Nacht, so gut wie ohne sein Zuthun, zum Mittelpunkte des politischen Mechanismus Deutschlands geworden; und dann, es ist noch weit davon entfernt auch der Mittelpunkt des politischen Lebens des deutschen Reichs zu sein, indem cs weder die Vorbedingungen zur Durchführung einer solchen Nolle in hinreichen der Fülle und Mächtigkeit in sich trägt, noch weniger aber im Stande ist, nach allen Seiten hin sie zu entwickeln und zur Geltung zu bringen. Am deutlichsten zeigt sich dies in der Bedeutung Berlins in der deutschen Literatur überhaupt und der Tagcsliteratur ins besondere. In Bezug auf erstcrc ist das neue unendlich größere Berlin in Vergleich zu dem alten, kleinern sogar zurückgegangen. Vor ungefähr 40 bis 50 Jahren war Berlin in wissenschaftlicher Hinsicht unbedingt die tonangebende Stadt in Deutschland, das Zusammenwirken einer ganzen Reihe von Männern, welche sämmt- lich in ihren Wissenschaften zu den Koryphäen gehörten, erhob sie zu eiuem Brennpunkte aller wissenschaftlichen Bestrebungen, dem kein anderer deutscher Ort auch nur annähernd zur Seite trete» konnte, selbst nicht einmal in einzelnen Fächern. Kann man sagen, daß dem jetzt noch so sei? Ebenso wenig geht Berlin an der Spitze der politischen, belle tristischen und socialen Tagesliteratur Deutschlands. Und doch gilt auch hier das Wort: d^oblsoso obli^s; d.h. will Berlin seine Stelle als deutsche Kaiscrstadt behaupten, so muß es auch zum Brennpunkt des geistigen, und namentlich des social-politischen Lebens werden; dies wird nicht nur ihm, sondern auch dem ganzen Reich, und vor allem dem geistigen Verkehr desselben vom größten Vortheil sein. Jede Bestrebung, zu diesem Ziele zu gelangen, jede Erscheinung, welche einen Schritt auf dem Wege dahin stgnalisirt, ist daher zu fördern und zu stützen, denn man fördert und stützt damit implicite das geistige Leben Deutschlands selbst. Mit Freuden begrüßen Wir daher das Erscheinen der neuen vorerwähnten Wochenschrift, von der die zwei ersten Nummern vyr uns liegen. Ohne ans den wissenschaftlichen Gehalt des Blattes näher einzugehcn — wozu hier weder Raum noch Veranlassung wäre — können wir doch ohne vergreisende Meinung behaupten, daß wir noch kein Blatt kennen, das in präciserer, klarerer und doch eleganterer Form, auf geist reichere und interessantere Weise die Fragen und Sujets, die zu seinem Bereich gehören, discutirtc und schilderte, kein Blatt, das mit mehr gentlemanartigcr Haltung und parteiloser Gemessenheit doch dieselbe Vielseitigkeit der Anschaunngen, denselben weilen Hori zont, dasselbe gründliche und doch von aller Einseitigkeit entfernte. Urthcil vereinigte. Fährt die „Gegenwart" so fort wie sie begonnen hat — woran wir nach den bisherigen Leistungen ihres Redacteurs Paul Lindau, eines unserer gediegensten, d. h. kenntnißreichsten, geistreichsten und nobelsten Publicisteu, zu zweifeln nicht die min deste Veranlassung haben — so wird sie unfehlbar das am liebsten gelesene Blatt für alle Die werden, welche immer au courant mit allen Erscheinungen im Gebiete der Literatur, der Kunst und des öffentlichen Lebens bleiben, und sich leicht und doch gründlich, und ohne sich in das Schlepptau einer vorgefaßten Meinung oder einer geschlossenen Partei zu begeben, auf diesen Gebieten orientiren Wollen. In dieser Beziehung ist das Blatt auch für die buchhänd lerische Welt nicht ohne specielle Bedeutung, indem es natürlich für alle die geistigen Gebiete, die seinen Bereich bilden, eines der wür digsten und einflußreichsten Organe, sowohl in Besprechung wie in Ankündigung der Erscheinungen auf jenen Gebieten bilden wird. Eintragungen in Preußen im Jahre 1870. — Das „Centralblatt für die gcsanimtcUnterrichts-Verwaltung in Preußen" (Dezember-Heft 1871) enthält folgende Mittheilung: „Auf Grund des Gesetzes zum Schutz des Eigenthums an Werken der Wissen schaft und Kunst gegen Nachdruck und Nachbildung vom 11. Juni 1837 sind auf die Anträge der Urheber beziehungsweise der Eigen- thümer in das Journal, welches zu diesem Zweck bei dem Ministe rium der geistlichen w. Angelegenheiten geführt wird, während des Jahres 1870, außer den Fortsetzungen unter früheren Nummern, 547 Gegenstände neu eingetragen worden. — Ferner sind während des Jahres 1870 in die ebendaselbst geführten Verzeichnisse in Ge mäßheit der mit andern Staaten abgeschlossenen Verträge wegen gegenseitigen Schutzes der Rechte an literarischen Erzeugnissen und Werken der Kunst, und zwar außer den Fortsetzungen unter früheren Nummern, uen eingetragen worden: 1) nach dem Vertrag mit Großbritannien vom 13. Mai/16. Juni 1846 und dem Zusatz- Vertrag vom 14. Juni/13. August 1855 in das Verzeichniß für Kunstsachen 11, und für Bücher und musikalische Compositionen 31; 2) nach der Uebereinkunft mit Belgien vom 28. März 1863 in das Verzeichniß für Kunstsachen —, und für Bücher und musikalische Compositionen 11; 3) nach der Uebereinkunft mit Frankreich vom 2. August 1862 in das Verzeichuiß für Kunstsachen 23, und für Bücher und musikalische Compositionen 651; 4) nach der Ueberein kunft mit Italien vom 12. Mai 1869 in das Verzeichniß für Kunstsachen —, und für Bücher und musikalische Compositionen 142 ; 5) nach der Uebereinkunft mit der Schweiz vom 13. Mai 1869 in das Verzeichniß für Kunstsachen —, und für Bücher und musi kalische Compositionen 2 Gegenstände. Straßburg, 30. Jan. Unsere in rüstigem Vorschreiten be griffene Universitätsbibliothek hat wieder eine neue Be reicherung erhalten. Dieselbe besteht in einem von dem Reichstags- mitgliede Prof. I)r. Reyschcr in Cannstatt gewidmeten handschrift lichen Coder des Straßburger Stadtrechts, welcher wahrscheinlich als ein uuioum zu betrachten ist, und darum für die Geschichte der Stadt Straßburg, sowie für die neu zu gründende Universität, an welcher ohne Zweifel auch die deutschrcchtlichen Studien wieder wie vormals (unter Schiller u. A.) zur Blüthe kommen werden, von ganz beson derem Wcrlhe sein wird. Einen weiteren höchst schätzenswcrthcn Zu wachs erhielt die Bibliothek in der vom Geh. Rath Landfermann in Koblenz übersandten, bereits früher angckündigten Bibliothek seines im Kriege von 1870 gefallenen Sohnes, eines vielversprechenden Historikers. (Straßb. Atg.) Aus dem Rcichs-Postwescn. — Nach einer Verfügung des General-Postamts vom 29. Januar müssen die Adressen der Postsendungen, für welche die Postvcrwaltung Garantie zu leisten hat, einer der folgenden Fassungen entsprechen: an ^ zu er fragen bei 8, an -4 abzugeben bei 6, an ^4 im Hause des 6, an ^ wohnhaft bei 8, an -4 logirt bei 8, an ^4 zu Händen des 8, an ^4 abzugebcn an 8. Andere Adrcssirungsweisen, z. B. „an 4. für 8" u. s. w. sind nicht statthaft und sollen Postsendungen mit unvor schriftsmäßigen Adressen von den Annahmebeamten an die Auf- liefrer zur entsprechenden Acndcrung der Adressen zurückgegebew werden.