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Redaktioneller Teil. 25, l. Februar 1915. wurden also zwar weniger, doch dafür nicht die billigsten Bücher gekauft. Absatz an Private (Geschäftsleute usw.) gleich null. Käufer waren beinahe ausschließlich Beamte und Beamtenfami lien.« Das Resultat in einem Metzer Geschäft lautet: »Das Ge schäft war nicht schlechter als im Vorjahre, was den zahlreichen Truppen, die vor Verdun liegen und hier ihre Weihnachtskäufe gemacht haben, zu verdanken ist.« Weniger erfreulich lautet eine Nachricht aus Stratzburg: »Das Geschäft setzte erst in den letzten drei Tagen etwas ein. Der Umsatz des Monats Dezember beträgt etwa 20 "/» der früheren Jahre«. Dem steht aber folgende Äußerung gegenüber: »Der Barumsatz im Dezember hat genau dieselbe Höhe erreicht wie im vorigen Jahre, in dem wir ein gutes Weihnachtsgeschäft verzeichnen konnten. Der Rcchnnngs- umsatz dagegen ist weit hinter dem Vorjahre zurückgeblieben. Das hat wohl seinen Grund in vermehrter Barzahlung; dann aber auch darin, daß die ganze Garnison im Felde steht und fast sämtliche Offiziers- und viele andere Familien der besseren Ge sellschaft Straßburg verlassen haben.« Auch hier unterblieb die Propaganda ganz oder teilweise. Über das Verhalten der Tageszeitungen heißt es: »Wir haben mit der hiesigen Straß burger Post Fühlung genommen und die Veröffentlichung einer Reihe von Notizen aus dem Börsenblatt usw. über Buchabsatz u. dgl. erreicht.« Der Versand ins Feld betrug nicht viel, meist billige Bücher. »Verhältnismäßig wurden mehr gute Romane ge laust als sonst«, der Jugendschriftenverkauf war geringer und ergab qualitativ keine wesentlichen Abweichungen von dem des Vor jahres. »Bei der Auswahl von Geschenkwerken wurden Bücher deutsch-geschichtlichen Inhalts, Lebenserinnerungen, deutsche Biographien, sowie Bücher ernsteren Inhalts, die sich mit reli giösen und Lebensfragen beschäftigen, bevorzugt. Aber auch Busch und andere Humoristen wurden gern gekauft. Bei Ju gendschristen wurden fast ausschließlich Bücher vaterländischen und geschichtlichen Inhalts gewählt. Auch Mädchen wurden in diesem Jahre sehr häufig mit Büchern dieser Art bedacht. Der Absatz an Jugendschristen ist hinter dem Vorjahre etwas zurück geblieben, besonders Bilderbücher sind weniger gekauft worden.« Ausländische Literatur wurde nicht begehrt. Da die Warenhäuser keine Reklame gemacht hatten, machte sich ihr Wettbewerb weni ger bemerkbar. In Stratzburg wurde wenige Tage vor Weih nachten ein größeres Warenhaus geschlossen. Das Publikum offenbarte beim Kauf vielfach bestimmte Wünsche. In einem Straßburger Berichte wird noch bemerkt: »Wir haben die ange nehme Beobachtung gemacht, daß das Publikum im allgemeinen für die schwierigen Verhältnisse Verständnis hatte und, Aus nahmen bestätigen die Regel, Nachsicht geübt hat. Eine traurige Erfahrung war das Vorgehen verschiedener, sehr großer Ver leger. Trotz des bisher durchaus geregelten Verkehrs wurde von diesen Firmen sofort jeder Rechnungsverkehr aufgehoben; Sendungen wurden mangels vorheriger Deckung verweigert. Ein Teil dieser Firmen hat später ja Wohl eingesehen, daß dieses schroffe Vorgehen durchaus ungerechtfertigt war, und den alten Rechnungsverkehr wieder eingeführt. Daß es große Verleger gab, die so wenig Sinn hatten für die Notwendigkeit des gegen seitigen Entgegenkommens, wird bei den betroffenen Sortimen tern noch recht lange nachwirken. Eine rühmliche Ausnahme macht u. a. die Firma Velhagen L Klasing, die ihre Kriegslarten von Anfang an in Rechnung lieferte.« V Die Hansastädtc. Die wirtschaftlichen Zustände in den Hansastädten, die durch die Blockade unserer Küsten für die Dauer des Krieges infolge Unmöglichkeit des überseeischen Verkehrs in ihrem Lebens nerv getroffen worden sind, konnten natürlich nicht ohne Rückwir kung auf das Buch und den Buchhandel bleiben. Erfreulicher weise machte sich dieser Einfluß aber nicht in dem Maße geltend, wie man erwartet haben mochte. Aus Hamburg erfahren wir über das Ergebnis des Weihnachtsgeschäftes: »Die Einwirkung des Krieges auf das diesjährige Weihnachtsgeschäft war natur gemäß eine sehr starke, die Bareingänge erreichten höchstens zwei Drittel, die Rechnungsverkäufe schätzungsweise ein Drittel bis zur Hälfte der vorjährigen Höhe«. »Die letzten Tage! 124 vor Weihnachten (ungefähr 18.-24. Dezember) waren über Erwarten günstig gegen die vorhergehende Zeit, na türlich wurde aber doch nicht derselbe Umsatz erzielt wie im Vorjahre.« In einem Falle wird der Minderertrag mit auf einen Lokalwechsel zurückgeführt. Reklame und Propaganda wurden meist eingeschränkt. Weder bei Zeitungen noch bei öffentlichen Stellen, Vereinen usw. scheint sonderliches Entgegenkommen gesucht oder gesunden worden zu sein. Vor zugsweise gekauft wurde »die der Stimmung des Tages ent sprechende Geschenkliteratur. Geschichte, Biographien und Ähn liches fanden Nachfrage, aber vor allem wurde doch Kriegslite ratur in weitestem Sinne bevorzugt. Religiöse Literatur kaum mehr als sonst. Im Gegensatz zu früheren Jahren war sehr we nig Meinung für Kunst, Ästhetik, Literatur, Bibliophilie. Ver hältnismäßig stark wurden gekauft die neuen Bücher von Bloem, Herzog, Zahn, Bartsch, überhaupt bessere, auch ältere, Belletri stik«. Diese Angaben werden durch einen anderen Bericht be stätigt, in dem es heißt: »Vaterländische Literatur bevorzugt. Religiöse Bücher nicht mehr als sonst verkauft. (Besonders Bloem, Vaterland, Herzog, Heimweh, Rohrbach, Krieg und Po litik.)« Nach einem dritten Bericht wurde von »Jacobskötter, Tagebuchblätter« und von »Frobenius, Schicksalsstunde« der grüßte Absatz erzielt. Auch Vorträge aller Art wurden stark be gehrt. Über den Jugendschriftenverkauf erfahren wir, daß er in einem Falle quantitativ mehr als qualitativ vom Kriege beein flußt worden sei. Von anderer Seite wird berichtet: »Der Ab satz von Jugendschriften war günstiger, als erwartet, wenn er auch die vorjährige Höhe nicht erreicht hat. Fühlbar war der Mangel an besseren umfangreicheren Jugendschristen über den jetzigen Krieg.« »Der Versand ins Feld war zeitweise recht lebhaft, meist Schriften kleineren Umfanges: Reclam, Wiesbadener Volksbü cher, Insel-Bücher, Zeitschriften-Nummern. Dann natürlich auch schwerere Literatur mannigfachster Art, je nach Wünschen und Steigungen.« Ergänzt werden diese Angaben durch folgende Ant worten: »Ja, ziemlich viele: Faust, Schriften von Lamprecht, Bab, Kriegsgedichte, Tatbücher, Hunzinger, Predigten und Lie der« und: »die kleinen Kriegsartikel wurden bevorzugt, aber der Absatz hätte eigentlich viel größer sein müssen. In den hiesigen Zeitungen warnte ein Anonymus das Publikum: man möge doch nicht soviel Bücher und Schriften ins Feld schicken, weil unsere Krieger die Massen von Papier nur als eine Last empfinden müßten«. Ob eine Gegenäußerung versucht wurde oder erfolgte, geht aus dem Berichte nicht hervor. Sehr bemerkenswert ist die Beobachtung, daß sich das Ham burger Publikum ebenfalls teils gleichgültig, teils ablehnend gegen die ausländische Literatur verhielt. Wenn es auch in einem Berichte heißt, daß die Leute bessererStände nach wie vor auslän dische Literatur gekauft haben, so scheint doch die von anderer Seite geäußerte Ansicht, daß auf diesem Gebiete ein gewaltiger Rück schlag erfolgen werde, nicht unbegründet zu sein. Über die Kon kurrenz der Warenhäuser, Zeitungs- und Vereinsbuchhandlungen usw. steht einer Äußerung, die dahin geht, daß sie sich nicht stär ker als sonst bemerkbar gemacht habe, folgender ausführliche Be richt gegenüber: »Die Warenhäuser haben sich auch diese Weih nachten stark bemerkbar gemacht, in riesigen Inseraten und ver lockenden Ausstellungen führten sie dem Publikum ihre,guten und billigen Bücher' vor. Wie man hört, herrschte in ihren Buch abteilungen, wo natürlich auch die neue gangbare Literatur aus lag, ein starker Andrang. Bedauerlicherweise scheint auch jetzt das Unwesen der Lei tungs-Prämien' wieder stärker einzusetzen, der Ortsverein hatte sich mit einigen derartigen Fällen zu beschäftigen. Gegen die buchhändlerische Konkurrenz des Warenhauses, deren Grundpfeiler bekanntlich auf dem unaufhörlichen Zufluß von Restauflagen, Remittenden-Exeinplaren, Verramschungen und dergl. ruhen, gibt es leider keine besonderen Rezepte, so wenig wie gegen das moderne Antiquariat überhaupt. Man muß sich darauf beschränken, scharf auf etwaigen unlauteren Wettbewerb und auf Übertretungen der buchhändlerischen Satzungen zu achten, und im übrigen trotz der Warenhäuser sein Ge schäft zu machen versuchen.«