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Nichtamtlicher Teil. Zur Lebensgeschichte des Georg Rhaw. Von Ine. vr. Otto Clemen in Zwickau i. S. Zur Lebensgeschichte des Wittenberger Buchdruckers Georg Rhaw, der nicht nur in der Reformationsgeschichte, sondern auch in der Geschichte der Musik eine bedeutende Stellung einnimmt, hat kürzlich der Berliner Bibliothekar Johannes Joachim im Zentralblatt für Bibliothekswesen (XXI. Jahrg., 10. Heft, Oktober 1904, S. 433—439) einen sehr beachtenswerten Beitrag geliefert, der an mehreren Stellen über den letzten zusammenfassenden Artikel von Robert Eitner in der Allgemeinen Deutschen Biographie 28,372—374 hinausführt. Joachim zeigt erstens, daß der erste Wittenberger Drucker Johannes Grunenberg (seit 1508) ein Verwandter, vielleicht Oheim Georg Rhaws gewesen ist, und daß dieser höchst wahrscheinlich von jenem (1525?) die Druckerei übernommen hat. Zweitens vervollständigt Joachim den Studiengang Georg Rhaws. Daß dieser 1518 in Leipzig immatrikuliert worden ist, wußte schon Eitner. Joachim weist nach, daß Rhaw schon 1508 in Erfurt, 1512 in Witten berg inskribiert wurde. Drittens: Die Übersiedelung Rhaws von Leipzig, wo er während der berühmten Disputation auf der Pleißenburg im Jahre 1519 als Kantor der Thomasschule erscheint, nach Wittenberg, hatte noch Eitner durch die An nahme erklären zu müssen geglaubt, Rhaw sei erst durch Luthers Auftreten bei der Disputation zu einer religiösen Sinnesänderung gebracht worden, die ihm den Aufenthalt in Leipzig verleidete. Demgegenüber betont Joachim mit Recht, daß Rhaw ja vielmehr »in Wittenberg längst heimisch war und durch Grunenberg schon damals Beziehungen zum Lutherischen Kreise gehabt haben muß« sstatt des letztern Worts möchte ich lieber ein vorsichtiges »kann« gesetzt sehenj. Es sei mir hier gestattet, einen weiteren Beitrag zur Biographie Georg Rhaws zu geben. Die Zwickauer Rats schulbibliothek besitzt ein Exemplar eines bisher, soviel ich weiß, unbeachtet gebliebenen Druckes: Lpitapüla. guasäam iv ^.nno K. v. XllVIII. 8 K. 80. Der Druck enthält 1. eine Vorrede Georg Rhaws an seinen Schwiegersohn, den Koburger Schulrektor Mag. Johannes Weißgerber, datiert: Wittenberg, 8. Januar 1548, 2. ein Epitaphium auf den am 5. Februar 1547 verstorbenen Universitätsquästor Johannes Rhaw von Georg Thyrn aus Zwickau, dem bekannten Melanchthonianer, Schulmann und Dichter, der damals wohl als Schulmeister in Zerbst wirkte'), 3. mehrere Epitaphien auf den am 6. Juli 1547 verstorbenen Georg Rhaw luv. und den am 27. August dahingerafften kleinen Johannes, teils von Hieronymus Mencel, der seit 1540 als Konrektor und Prediger in Eis leben tätig war 2), teils von Johannes Spangenberg, der von 1524—1546 in Nordhausen als Pastor gewirkt und damals vor kurzem, einem letzten Willen Luthers folgend, als Zwei- undsechzigjähriger die Superintendentur in Eisleben angetreten Haltes, 4. ein Epitaphium für den in demselben Jahre 1547 verstorbenen Studenten Wolfgang Suertelius aus Koburg (wahrscheinlich identisch mit dem am 20. Juli 1546 im- 5. den Anschlag des Rektors Caspar Cruciger vom 6. graphie 38, 234 f. -) P. Tschackert ebd. 21, 310 3) Ders. ebd. 35, 43—46. der Allgemeinen deutschen Bio- Februar 1547, in dem er die Studenten zu zahlreicher Be teiligung bei dem Begräbnis des treuverdienten > Quästors auffordert. Es ist von Melanchthon abgefaßt und im OoiDmi- rskorwÄtornm VI Nr. 3731 abgedruckt. ^ Wir sehen, wie angesehen weithin in republik der alte Wittenberger Buchdrucker war Teilnahme er in seinem Schmerz erfuhr. Der älter, Georg war, wie wir aus einem der ihm gewidmeten ixpt- taphien erkennen Ü, noch nicht zwanzig, der andere, Johannes, kaum neun Jahre alt geworden. ^) Daraus folgt, daß Eitüer irrt, wenn er den Eintrag im Albuin Xeaäsuäas VitsborgsnsiZ p. 157 des Wintersemesters 1534: KsorArus Rabv rvitten- bsrxsnsis auf unfern Georg Rhaw iuo. bezieht. Eher möchA dieser mit dem im März 1541 intitulierten (Xlbnm p. 188) identisch sein. Der im Sommersemester 1514 eingetragene äobanntz8 Rands äs Rskvlt Oioo. Rerbipolen. (Vlbum Seite 51) ist wohl der nachmalige Quästor, o) Aus der oben erwähnten Vorrede erfahren wir ferner, daß eine Tochter Rhaws, namens Anna, an den Koburger Rektor Weißgerber verheiratet war und eine andre Tochter Christum damals gleichfalls in Koburg weilte. Diese beiden Schwestern sowie Georg stammten wohl aus der ersten Ehe Georg Rhaws mit der am 23. März 1534 gestorbenen Anna. Vor allem aber möchte ich auf die Vorrede Rhaws an seinen Schwiegersohn, mit der er diesem die in seiner Offizin gedruckten Epitaphien übersendet, nachdrücklich Hinweisen. Es spricht aus ihr ein so echter und tiefgefühlter, aber abge klärter und befriedeter Schmerz, ein so reiner, fester Christen glaube und zugleich unter Überwindung des eignen Schmerzes ein so edles Mitleid mit den durch die Nöte und blutigen Greuel des Schmalkaldischen Krieges Heimgesuchten, daß man schon um dieser paar Zeilen willen den alten Herrn lieben und ehren muß Ich kann es mir nicht versagen, die Haupt stelle in deutscher Übersetzung etwas gekürzt wiederzugeben: »Du kannst dir denken, wie mir zu Mute ist, ^wo ich die ein Unrecht zu begehen, wenn sie ihnen in diesem stürmischen Zustand der Welt und besonders Deutschlands die Ruhe neiden, zumal diese ihnen ohne Mord und Blutvergießen, nach wahr haftiger Bekennung ihrer Sünden und ihres Glaubens zugefallen ist. Wie viel besser ist es doch, so zu sterben, als den Vögeln des Himmels und den Tieren des Felds zur Beute zu werden, Was für ein gutes Herz Rhaw hatte, erkennen wü übrigens auch aus der treuen Fürsorge, die er seiner ve- °) Vgl. noch G. Buchwald, Zur Wittenberger Stadt- rmd Universitätsgeschichte in der Resormationszeit, Leipzig 1893, S. 134