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137, 17. Juni 1909. Nichtamtlicher Teil. Birkenblatt s. t- Dtschn. Buchh-nitxl 7251 fernerhin um die Besserung ihrer Lage kämpfen, sie werde insbesondere alle Mittel in Anspruch nehmen, um für den Wiener Buchhandel die 7 Uhr-Ladensperre zu erreichen. Es sei ungemein bedauerlich, daß trotz der desolaten Verhältnisse, die in einzelnen Buchhandlungen bestehen, die Korporation der Festsetzung eines Mindestlohnes nicht zugestimmt habe. Er kennt Fälle, in denen Gehilfen nur 70 bis 80 Kronen erhalten. Bei einem solchen Lohn sei eine Existenz un möglich. Solche Löhne bedeuten direkt die Verleitung zum Unrechttun. Herr Fried länd er protestiert auf das energischeste, daß er durch seinen Antrag der Korporationsvorstehung ein Mißtrauensvotum habe erteilen wollen. Er habe von den Verhandlungen nichts gewußt und in seiner Lage würden sich viele andere auch befinden. Er spreche auch nicht davon, den Antrag abzulehnen, er wolle nur, daß der Antrag genau erwogen werde und habe deshalb beantragt, die Abstimmung darüber zu vertagen. Herr Deuticke wiederholt, daß die Verhandlungen in der »Buchhändler-Correspondenz« angedeutet worden seien und daß sie mit Ausnahme der Bestimmungen betreffend die Feiertagsruhe nichts Neues enthalten. Er wiederholt die einzelnen Punkte des Antrages. Frau Löwit spricht sich für die Notwendigkeit der Feiertagsarbeit aus. Herr Dietl verlangt, daß auch die Papierhändler um 7 Uhr die Geschäfte sperren mögen. Herr Fey-Felber bedauert lebhaft die Kritik, die Herr Friedländer an dem Antrag der Vorstehung geübt habe. Es handle sich um gar nichts Bedeutenderes als um die Freigabe von höchstens 7 bis 8 Vormittagen. Er bespricht die Zuschrift des Gehilfenausschusses und bedauert, daß die einzelnen Forderungen der Gehilfen im übrigen gar nicht von der Korporationsvorstehung angenommen worden seien. Speziell die Antwort der Vorstehung betreffend die Remuneration habe die Gehilfenschaft bitter enttäuscht. Die Remuneration, meint Herr Fey-Felber, gehöre zum Gehalt und bilde einen integrierenden Bestandteil desselben. Jeder Chef zieht bei Anstellung eines Gehilfen diese Remuneration in sein Budget. Sie sei ein Entgelt nicht nur für Mehrarbeit, sondern auch für das besondere Interesse, daß der Gehilfe am Geschäfte nimmt und das im Gehalt nicht bezahlt werde. Was die Mittagspause anbelangt, so bittet er die Vorstehung, genau auszusprechen, daß zwei Stunden Mittagspause allgemein gegeben werden sollen und nicht nur für solche, die weiter entfernt wohnen. Er bittet die Versammlung, den Punkt betreffend die Feiertagsruhe im Sommer in der vor geschlagenen Form anzunehmen und dankt der Vorstehung im übrigen für ihre Bestrebungen, den Sommerurlaub ein zuführen Herr Dachauer reflektiert auf die Worte des Vorredners und stellt fest, daß die Korporationsvorstehung eine zweistündige Mittagspause nicht nur für weiterwohnende Gehilfen fest setzen wollte, sondern überhaupt. Der Passus »mit Rücksicht aus die Verkehrsverhältniffe der Großstadt, insbesondere für weitwohuende Gehilfen« sei nicht so auszufassen, daß die zweistündige Mittagspause nur für weitwohnende Gehilfen festgesetzt werden solle. Diese Bemerkung sei nur gemacht worden, um die Notwendigkeit einer zweistündigen Mittags pause darzulegen. Der Korporationsvorstehung sei es ferner gar nicht eingefallen, die Remuneration abschaffen zu wollen; sie habe nur erklärt, daß, wenn heute eine Remuneration ge zahlt werde, der Charakter derselben ein anderer sei als früher. Früher habe man durch die Remuneration die geleisteten Überstunden gewissermaßen vergütet. Da die Überstunden jetzt tarifmäßig bezahlt werden müssen, so würde naturgemäß die Remuneration einen anderen Charakter an nehmen. Herr Rehm erklärt, daß auch die Hilfsarbeiter durch die Antwort der Korporationsvorstehung nicht befriedigt worden seien. Sie hätten eine sehr bedeutende Berechtigung, einen Mindestlohn zu fordern, weil zum Teil sehr geringe Löhne in der Korporation gezahlt würden. Diejenigen, die davon betroffen werden, können natürlich nicht reden, denn sie würden sonst selbst diesen geringen Lohn verlieren. Der Hilfsarbeiterausschuß müsse für sie eintreten. Er anerkennt dankend die Bestrebungen hinsichtlich des Sommerurlaubes, meint aber, daß eine Regelung der Arbeitszeit gerade für die Hilfsarbeiter dringend notwendig sei. Fortwährend laufen Beschwerden bei ihm ein, er könne sie aber nur im allge meinen, nicht einzeln Vorbringen, da er sonst die Stellung der Betreffenden gefährden würde. Er konstatiert übrigens, daß in allerjüngster Zeit eine Besserung sich bemerkbar gemacht habe, und schreibt dies zumeist der Aktion des Hilfsarbeiter ausschusses zu. Er bittet die Versammlung, den Antrag der Vorstehung anzunehmen, damit den Hilfsarbeitern wenigstens einige Erleichterung geboten werde. Nach einer Bemerkung des Herrn Amonesta ergreift Herr Kammerrat Wilhelm Müller das Wort und beantragt Schluß der Debatte und Annahme des Antrages der Vor stehung. Wenn man auf die vergangenen Jahre zurückblicke, so mache man eine sehr traurige Wahrnehmung. Während früher die Gehilfen gemeinsam mit den Prinzipalen Freud' und Leid geteilt hätten, sehe man, wie sehr jetzt systematisch ein Gegensatz zwischen Gehilfen und Chefs künstlich hervor gerufen werde. Statt daß die Gehilfen dankbar wären für das, was die Prinzipalität ihnen in vielen Punkten bereits bewilligt habe: Sonntags- und Feiertagsruhe, verkürzte Arbeitszeit im Sommer, Bezahlung der Überstunden usw., wollen sie nun, wie ein Führer der Gehilfenschaft klipp und klar erklärt habe, den ?-Uhr - Ladenschluß für den Buchhandel während des ganzen Jahres — auch im Monat Dezember! — durchsetzen. Er frage sich, ob denn der Wiener Buchhandel so günstig gestellt sei, daß er auf einen so großen Teil der bisherigen Arbeitszeit verzichten könne, und ob denn die Gehilfen jegliches Verständnis für die Verhältnisse und Bedürfnisse unseres Berufes verloren hätten. Es müsse doch jedem Gehilfen bekannt sein, daß im Sommer ein großer Teil der Kundschaft auf dem Lande weilt und weniger zu tun sei als im Winter und daß dafür die Weihnachts-, Neujahrs- und Osterzeit erhöhte Anforde rungen an die Gehilfen stelle. Er fragt ferner, ob es gerade der intelligenteste Teil der kaufmännischen Gehilfenschaft sein müsse, der die Erfüllung solcher für unseren Stand unver nünftigen und unerfüllbaren Forderungen durchzuführen sich zum Ziel gesteckt habe. Er habe in den letzten Tagen auf dem Graben, Kohlmarkt und in der Kärntnerstraße nachgesehen, wieviel Geschäfte zwischen r/,8 und 8 Uhr ge schlossen seien, und die Wahrnehmung gemacht, daß nur rund ein Viertel aller Ladengeschäfte geschlossen gewesen sei. Daraus ersieht man, daß das Bedürfnis, bis 8 Uhr offen zu halten, vorhanden sei und daß die Geschäftsleute es dem Publikum schuldig seien, diesem Gelegenheit zu geben, seine Einkäufe bis 8 Uhr abends zu besorgen, zumal das Wiener Publikum insbesondere im Winter mit Vorliebe in den Abendstunden seine Einkäufe besorgt. Statt sich nun nach dem Verkehr zu richten, wolle mau künstlich die 7 Uhr- Ladenspeire das ganze Jahr hindurch einführen, ganz ohne Rücksicht auf das Publikum und seine Bedürfnisse. Er möchte empfehlen, daß die Chefs jene Gehilfen, welche an der Spitze dieser Bewegung stehen, in ihr Kontor riefen, ihnen ihre Bücher zeigen und sie aufklären würden, wie die Lage der Chefs sei, um wieviel sorgloser der Gehilfe sein S43-