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.V 137, 17. Juni 1909 Nichtamtlicher Teil. Bürs-nil-riDtsch». «>>chh-ll»et 7249 1. Die Korporationsoorstehung anerkennt, daß ein Gehalt von 120 Kronen monatlich das mindeste ist, womit ein alleinstehender Gehilfe in Wien sein Auskommen finden kann. Nach tüchtigen Gehilfen ist aber jetzt eine solche Nach frage, daß die Korporation kaum annehmen kann, daß ein wirklich tüchtiger, arbeitswilliger Gehilfe nicht mindestens 120 Kronen monatlich würde verdienen können. Sie ist gern bereit, diese Ansicht im Kreise ihrer Kollegen zu propagieren, mutz aber von der Fixierung eines Mindestlohnes absehen, da ihr kein Zwangsmittel zusteht, einen solchen durchzusetzen. Selbst für den Fall, daß sie ein Mindestgehalt erzwingen könnte, müßte sie davon absehen, da es ihr gefährlich erscheinen würde, Gesetze auszustellen, die mit Rücksicht auf die Verhältnisse nicht eingehalten werden können. Die Fest setzung eines Minimallohnes hat erfahrungsgemäß dazu geführt, daß Leute, die durch ihren Arbeitswert unter dem Minimallohn stehen, überhaupt keine Stellung finden. Würde man also einen Mindestlohn einführen, so würde man es dazu bringen, statt Gehilfen Hilfsarbeiter zu ver wenden. Da in der letzten Korporationsversammlung fest gesetzt worden ist, daß Überstunden extra zu bezahlen sind, kann die Korporation eine Remuneration seither nicht mehr als üblich ansehen. Die bisher gezahlte Remuneration hatte nämlich den Charakter einer Entschädigung für etwa im Laufe des Jahres vorgekommene Mehrleistungen. Wenn diese Mehrleistungen nun besonders bezahlt werden müssen, kann, wenn eine Remuneration überhaupt noch gegeben wird, diese nur als eine ganz besondere freiwillige Zu erkennung, respektive eine Anerkennung und ein Ansporn für besondere Leistungen angesehen werden. Sollte selbst eine solche Remuneration ständig gegeben werden, so ist sie unter keiner Bedingung als ein integrierender Bestandteil des Gehaltes anzusehen. Keinesfalls gebührt daher einem Gehilfen, der im Laufe des Jahres aus seinem Arbeitsoerhältnis aus- tritt, ein aliquoter Teil der letztgezahlten Remuneration. Um jedes Mißverständnis zu vermeiden, wird außerdem aus drücklich feftgelegt, daß jene Zeit, die ein Gehilfe zur Be aufsichtigung der Reinigungsarbeiten nach Schluß der Arbeit oder vor Beginn derselben im Geschäft zubringt, nicht als Überstunden anzusehen ist. ^.ä 2. Die Korporation anerkennt mit Rücksicht auf die Verkehrsverhältnisse der Großstadt die Notwendigkeit, ins besondere weit wohnenden Gehilfen eine zweistündige Mittags pause einzuräumen. Im übrigen muß es hinsichtlich des Ladenschlusses bei den bisherigen erst vor ganz kurzer Zeit getroffenen Vereinbarungen bleiben. Den Teilkonzessionären und den Konzessionären, die nebenbei noch andere Artikel führen, wird künftig aufgetragen werden, von 8, respektive 7 Uhr ab keine Artikel des Buch-, Kunst- und Musikalien handels mehr zu verkaufen und für diesen Zweig des Ge schäftes angestellte Gehilfen zu der angegebenen Stunde zu entlassen oder extra zu honorieren. 3. Hinsichtlich der Feiertagsarbeit schließt sich die Korporation den Wünschen der Gehilfenschaft vollständig an. Sie wird dafür eintreten, daß von Ostern bis Allerseelen die Arbeit an Feiertagen vollständig zu ruhen habe. An den übrigen Feiertagen soll die Arbeitszeit drei Stunden, und zwar von 9 bis 12 Uhr vormittags währen. 4. Die Korporation anerkennt, daß die Arbeits lokalitäten im Winter zu Heizen sind und daß für Reinlichkeit, Licht und Luft zu sorgen sei. Sie empfiehlt auch dort, wo es irgend möglich ist, den Gehilfen Sitzgelegenheit zu bieten. Die Vorstehung ist bereit, gegebenenfalls auf Ansuchen der Gehilfen bei den betreffenden Prinzipalen in diesem Sinne zu intervenieren. 5. Die Korporation ist seit jeher dafür eingetreten, Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 76. Jahrgang. daß den Gehilfen ein Sommerurlaub nach den Verhältnissen des Geschäftes zugestanden werde. Im übrigen versteht es sich von selbst, daß hinsichtlich der Pensionsversicherung und der Krankenversicherung die ge setzlichen Bestimmungen eingehalten werden müssen. Die Hilfsarbeiter haben in deinselben Sinne folgende Wünsche festgesetzt: 1. Zahlung: Für Hilfsarbeiter im ersten Jahre 24 Kronen wöchentlich, im zweiten Jahre 25 Kronen wöchentlich, im dritten Jahre 26 Kronen wöchentlich, im vierten Jahre 27 Kronen wöchentlich, Weihnachts-, beziehungsweise Neu jahrsremuneration in der Höhe eines vierwöchentlichen Lohnes. 2. Arbeitszeit: Die Arbeitszeit soll sich auf höchstens 9 Stunden täglich erstrecken, das ist von 8 Uhr morgens bis 7 Uhr abends mit einer zweistündigen Mittagspause. Überstunden werden in der doppelten Höhe des Stundenlohnes vom Tage vergütet. 3. Feiertagsarbeit: Von Ostern bis Allerseelen hat die Arbeit an Feiertagen zu ruhen; an den übrigen Feiertagen be trägt die Arbeitszeit 3 Stunden, und zwar von 9 Uhr bis 12 Uhr vormittags. 4. Sonstiges: Jedem Hilfsarbeiter, welcher mindestens ein Jahr in einem Geschäfte ununterbrochen tätig ist, gebührt ein Urlaub von 14 Tagen im Jahre. Bereits erworbene Rechte können nack Bewilligung vorstehender Wünsche nicht ab geändert werden. Die Vorstehung hat in ihrer letzten Sitzung diese Forderungen mit folgendem Schreiben beantwortet: An den Hilfsarbeiterausschuß der Korporation der Wiener Buch-, Kunst- und Musikalienhändler! Sehr geehrte Herren! In Beantwortung Ihrer uns übermittelten Wünsche betreffend die Regelung des Arbeitsverhältnisses in unserer Korporation teile ich Ihnen unter Bezugnahme auf unsere letzte Besprechung mit Herrn Rehm mit: In erster Linie ist zu bemerken, daß die Hilfsarbeiter eine viel zu heterogene Gruppe sind, als daß man für sie gleichmäßige und bindende Bestimmungen fixieren könnte. ^.ä. I. Abgesehen davon, daß die Korporation sich prinzipiell zu einer Festsetzung eines Mindestlohnes nicht verstehen kann, hält sie die angegebenen Sätze für den Ver hältnissen entsprechend viel zu hoch, und es ist undenkbar, daß man etwa einem jugendlichen Hilfsarbeiter im ersten Jahr einen Wochenlohn von 24 Kronen und eine Remu neration in der Höhe eines vierwöchentlichen Lohnes be zahlen kann. ^.6. 2. Überstunden, die der Hilfsarbeiter im ausdrück lichen Aufträge der Geschäftsführung vornimmt, sind in der doppelten Höhe des gewöhnlichen Stundenlohnes zu bezahlen. Die regelmäßigen Reinigungsarbeiten vor Beginn der eigent lichen Arbeit oder nach Schluß derselben sind keinesfalls als Überstunden anzusehen. ^ä. 3. Hinsichtlich der Feiertagsarbeit schließt sich die Korporation den Wünschen der Hilfsarbeiter vollständig an. Sie wird dafür eintreten, daß von Ostern bis Allerseelen die Arbeit an Feiertagen vollständig zu ruhen habe. An den übrigen Feiertagen soll die Arbeitszeit 3 Stunden, und zwar von 9 bis 12 Uhr vormittags währen. ^.ck 4. Ein Urlaub von 14 Tagen für einen ein Jahr im Geschäfte angestellten Hilfsarbeiter erscheint ebenfalls undiskutabel. Im übrigen ist die Vorstehung stets auch für die Gewährung eines den Geschäftsverhältnissen entsprechen den Sommerurlaubs für die Hilfsarbeiter eingetreten Die Vorstehung stellt den Antrag, Sie mögen diese beiden Schreiben genehmigend zur Kenntnis nehmen und Ihren Beschluß vom vorigen Jahr betreffend den Laden schluß in folgender Weise ergänzen: 941