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Nr. 273. AbMMdeOmWMllhhllM j mi^lieder 40 >pf., 32 M.. bO^M.. 100 werden « UMMMÄWrftMerWNMLÄWenB'WNMrM^LMA Leipzig, Freilag den 24. November 1816. 83. Jahrgang. Redaktioneller Teil. Die Bestimmungen über Bücherversendung an Kriegsgefangene in Rußland. Die Redaktion des Börsenblattes hat sich an mich gewendet und mich aufgefordert, die wesentlichsten Bestimmungen über das Kapitel »BUcherfendungen nach Rußland« zusammenzustellen. Da ich feit nunmehr 114 Jahren in der Auskunftsstelle vom Roten Kreuz, Dresden, die russische Abteilung leite, erfülle ich diesen Wunsch gern und schicke voraus, daß Sendungen (selbst auf die Gefahr hin, daß ein Teil verloren geht) dringend erwünscht sind und bei den Gefangenen stets dankbarste Aufnahme finden. Es ist dies ganz naturgemäß, da geistige Nahrung auf die Dauer selbstverständlich ebenso notwendig ist wie leibliche, und weil ein gutes Buch die gesündeste Ablenkung und oft auch den besten Trost bildet. Auf Grund der durch meine Hände laufenden Kriegsgefan- genenpost, die sehr zahlreich beim Roten Kreuz eingeht, kann ich denn auch feststellen, daß die Verschiedensten Bücher gewünscht werden. Ich hatte selbst einige Male Gelegenheit, Kriegsgefan gene durch kleine Büchersendungen zu erfreuen, und ihre Dank barkeit ist geradezu rührend. Aus dem Inhalt der meiner Kriegs, sammlung einberleibten Postkarten hebe ich nur hervor, daß einem Empfänger z. B. durch glücklichen Zufall eine lange Liege zeit im Lazarett angenehm verkürzt wurde, daß sich ein anderer gewissermaßen in die Heimat versetzt fühlte (er schreibt: »Heimat ist doch Heimat!«) und daß insbesondere Dorfromane auf das Gemüt der Kriegsgefangenen scheinbar einen sehr wohltäti gen Einfluß ausüben. Um die zur Absendung gelangenden Werke auch wirklich mit einiger Sicherheit in die Hände der Besteller zu bringen, muß man freilich die bestehenden Vorschriften und Ver bote genau kennen. Ganz ausgeschlossen sind z. B. Bücher mit den Jahreszahlen 1914, 1915 und 1916 bez. Publikationen, die während dieser drei Jahre gedruckt wurden. Auch Neudrucke von Klassikern, wissen schaftlichen Werken usw., die vorübergehend gestattet waren, sind nicht mehr erlaubt, — es sei denn, daß die Drucklegung bis Ende 1913 erfolgt war, und daß auch die Exemplare nicht etwa die Jahresziffer 1914 aufweisen. Also jegliche Neuauflagen und Neuerscheinungen, die nach 1913 herausgegeben sind, scheiden von vornherein aus. Wer weitestgehende Vorsicht üben will, zieht die Grenzen noch enger und hält sich' an den 31. Dezember 1912 als letztes Erscheinungsdatum. Der Buchhandel als solcher hat keine Ursache, über diese durchaus verständliche Verfügung zu klagen, zumal sich hier eine weitgehende Möglichkeit eröffnet, ältere gute Werke abzusetzen und ihnen einen Leserkreis zuzuführen, der für wirklich Gedie genes in ungewöhnlichem Maße aufnahmefähig zu sein Pflegt. Gebundene Exemplare können aus naheliegenden Grün den nicht in Frage kommen. Es handelt sich ausschließlich um be schnittene, neugekaufte, mit keinerlei Notizen und Strichen ver sehene Bände. Zu entfernen sind alle Anzeigen, Reklamebeila- gen, vor- oder nachgeklebte Jnseratseiten und etwaige leere, un bedruckte Blätter. Einem Einfuhrverbot unterliegen ferner alle Arten von undurchsichtigem Papier (Pappe) auch dann, wenn sie einschichtig sind. Pappe darf also weder als Umschlag noch als Beilage, aus der Bilder aufgeklebt sind, verwendet werden. Was endlich den Inhalt anbelangt, so scheiden aus: Bücher über neuere Geschichte, ferner alle Erscheinungen aktuell politi schen oder militärischen Inhalts, geographische Bücher, Schriften, die geeignet sind, Rußland oder einen seiner Verbündeten in den Augen des Lesers herabzusetzen, und endlich Schriften, die die orthodoxe Kirche in irgendwie verletzender Weise behandeln. Nunmehr etwas Positives! Alle Bücher, die den bezeich- neten Verboten nicht unterliegen, sind — allerdings mit noch weiteren Ausnahmen (einzelne medizinische, volkswirtschaftliche usw. Veröffentlichungen dürfen ebenfalls nicht versandt werden) — zugelassen, und zwar empfiehlt sich in erster Linie die Wahl aufheiternder Bücher (wie Reuter, Busch usw.), gehaltvoller Unterhaltungsschriften überhaupt (Romane, Erzählungen, Ge dichte), von Büchern zum Selbstunterricht (in Sprachen, Buch führung usw.), bei Wissenschaftern eine Auswahl der Bücher ihres Gebietes, schließlich auch das Beifügen von Erbau- ungsschristen religiösen Inhalts (Bibeln, Bibelteile und Gesang bücher). Die Sendung solcher Bücher kann jeder Privatmann selbst vornehmen, wenn er sich an die Verpackungsvorschriften hält, die ich in meinem Artikel »Einiges vom Postverkehr mit Rußland« in Nr. 237 des Börsenblattes vom vorigen Jahre bereits dar- § legte.*) Zweckmäßiger noch sendet man die Werke aber an die Kriegsgefangenenhilfe der Christlichen Vereine Junger Männer, Abteilung L, Bücherversorgung, Berlin 6. 2, Kleine Museum- j stratze 5 b, ein und bittet diese um Weiterleitung. Diese Kriegs- ! gefangenenhilfe hat einen Sonderausschuß in Kopenhagen und § läßt Postpakete durch dessen Vermittlung nach Rußland gehen. Alle diese Sendungen brauchen indessen ziemlich lange (in der Regel mindestens drei Monate), ehe sie an Ort und Stelle ankommen. Kleinere Postsendungen dagegen von etwa 500 (höchstens 1900 A) werden von Berlin aus unmittelbar mit der Post versandt und erreichen in der Regel ihr Ziel viel schneller. Man wolle von dieser Vermittlung aber nur sparsam Gebrauch machen, um keine über-bürdung herbeizuführen. Wer also auch ohne diese Hilfe gute Erfahrungen machte, handhabe die Versen- düng weiter wie bisher und schütze die Kriegsgefangenenhilfe vor vermeidlicher Mehrbelastung. Nur wer sich sonst nicht zu helfen weiß, oder wer dauernd Mißerfolge hatte, nehme die Stelle in Anspruch und schicke dann, aber nicht häufiger als höchstens monatlich einmal Bücher an denselben Adressaten. Lieber als Bücher selbst erhält die Kriegsgefangenenhilfe allerdings den Auftrag, diese ihrerseits zu beschaffen, weil da durch die Überprüfung erleichtert und etwa Unzulässiges gar nicht erst bestellt wird. Doch ist sie nach wie vor bereit, in maßvollem Umfange eingesandte Bücher zu prüfen und nach Rußland weiter zuschicken. ") Es sei zugleich auch nachdrücklich angeregt, daß man sich betr. der Anschriften zuerst bei zuverlässigen Stellen erkundigen möge. Ganz allgemein herrscht nämlich der ltbelstand vor, daß selbst Gebildete oft die seltsamsten Adressen schreiben. Wer mit der Geographie Ruß lands nicht wirklich vertraut ist, lasse sich deshalb die seitens der Ge fangenen häufig einfach dem Gehör nach niebergeschricbenen Orts bezeichnungen (Gouvernement, Kreis, Bezirk, Stadt, Dorf, Landgut, Schacht usw. usw.) von berufener Seite klarstellen. 1441