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Nichtamtlicher Teil. ^ 172. 28. Juli 1S0S. Hansabund und Buchhandel. <Vgl. Rr. IS8, ISO, IS9 d. Bl.» IV. Ich glaube, daß meine verehrten Freunde Pape und Schöningh in dieser Sache nicht das richtige getroffen haben, und möchte ihnen in aller Kiirze widersprechen, damit nicht nur Gegner des neuen Bundes hier zum Worte ge langen. Körperschaften oder einzelne, die dem Hansabunde bei treten, legen damit kein politisches Glaubensbekenntnis ab, sondern sie geben damit nur dem Gedanken Ausdruck: Es ist Zeit, daß die in Gewerbe und Industrie aller Art tätigen Deutschen dafür sorgen, daß die zur Verwaltung und Gesetz gebung Berufenen sich etwas mehr um die Interessen von Handel und Gewerbe bekümmern. Die Art der Steuer macherei, die vernünftige Steuern aus Klassenintcresse beiseite- schiebt und statt deren die unsinnigsten, den Verkehr be lastenden Steuern vorschlägt und großenteils auch durchsetzt, muß aufhören, und ebenso muß schon beizeiten der Verewigung einer Zoll- und Handelspolitik vorgebeugt werden, die die Verteuerung aller Geschäftsunkosten zum guten Teile verschuldet hat. Um nur zwei beliebige Punkte herauszuheben: Ist es nicht eine wirtschaftliche Tollheit, durch eine schlecht eingerichtete Fahrkartensteuer die Staatseisenbahnen, die Hennen, die goldene Eier legen, zu strangulieren oder durch eine Schecksteuer die eben ge-' lungenen Bestrebungen zu unterbinden, leichtere Zahlungs formen in Deutschland einzufllhren? Ob der Börsenverein korporativ dem Hansabunde beitreten soll, überlasse ich getrost der Entscheidung des Vor standes. Meines Erachtens widerspricht der Beitritt nicht den Satzungen. Der Börsenverein hat die Vertretung des Buchhandels und seiner Angehörigen im weitesten Sinne zu üben und hat pflichtgemäß in zahlreichen Fällen auf die Gesetzgebung eingewirkt oder einzuwirken gesucht, also die gefährliche Politik nicht gemieden. Den einzelnen Buchhändler aber weist alles darauf hin, Mitglied des Hansabundes zu werden, welcher Partei er auch angehöre; denn auf alle Parteien einschließlich der Zentrumspartei muß und wird eingewirkt werden, daß sie Handel und Gewerbe mehr beachten. Und je mehr Buch händler eintreten, um so geringer wird die Gefahr, daß im Hansabunde »großkapitalistische» Interessen den Ausschlag geben, falls dazu überhaupt die Neigung vorhanden sein sollte. Göttingen. vr. W. Ruprecht. V. Die Ausführungen des Herrn Heinrich Schöningh ver anlassen mich, meinen kurzen Protest vom 12. d. M. gegen den Werberuf des Herrn vr. Otto Bielefeld etwas eingehender zu begründen, wozu ich damals, unmittelbar vor der Abreise und in halbkrankem Zustande mich befindend, nicht Zeit und Kraft hatte. Herr l)r. Bielefeld hielt es für selbstverständlich, daß der Börsenvereins - Vorstand schon auf dem Wege zum korporativen Eintritt des Börsenvereins in den Hansabund sei. Ich halte den korporativen Eintritt des Börsenvereins in den Hansabund überhaupt für unmöglich und glaube deshalb auch nicht, daß der Vorstand einen bezüglichen Antrag an die nächste Hauptversammlung bringen wird. Ein Verein dessen Mitglieder zu einem erheblichen Bruchteil fremden Staaten angehören, soll korporativ einem Bunde beitreten, dessen Zweck und Ziele politische Dinge des Deutschen Reichs betreffen? Das scheint mir in der Tat unmöglich zu sein! Ebenso glaube ich nicht, daß der Vorstand irgend eines Kreis oder Ortsvereins den korporativen Beitritt beantragen oder gar aus sich heraus beschließen wird. Es hat sich auch schon als falsch herausgestellt, was Herr I>r. Bielefeld behauptete, daß nämlich der Verein deutscher Zcitungsverleger dem Hansa bund offiziell beigetreten wäre. Aber Herr vr. Bielefeld hat noch mehrere mindestens sehr gewagte Behauptungen ausgestellt. Ich kann hier nicht wortgemäß zitieren, aber sinngemäß hatte Herr vr. Bielefeld behauptet, der Buchhandel brauche auf Junker und Groß grundbesitzer keine Rücksicht zu nehmen, die wären ohnehin keine Bücherkäufer. Ich unterhalte zwar keine Geschäfts oderpersönlichen Beziehungen zu »Agrariern«; trotzdem wüßte ich gern, wodurch Herr vr. Bielefeld seine Behauptung be weisen will. Ein ehemaliger Zögling von mir ist jetzt in dem klassischen Lande des Großgrundbesitzes, in Mecklenburg, selbständig und erzählte mir, er habe lediglich durch Prospekt- Versendung etwa hundert Bestellungen aus seiner Land kundschaft auf »Schillings, Mit Blitzlicht und Büchse» er halten. Von einer Buchhandlung in einer alten Hansestadt weiß ich ferner, daß deren Landkundschaft einen bedeutenden Zweig ihres Geschäfts ausmacht. Ein inzwischen ver storbener hamburgischer Kollege, der vor Jahrzehnten in Königsberg als Gehilfe tätig war, sagte mir, man mache sich kaum einen Begriff davon, was die alten Familien der Dohna, Auerswald usw. an Büchernjbrauchten. Wie will Herr lir. Bielefeld demgegenüber seine Behauptung aufrecht erhalten? Noch ungeheuerlicher war aber die Behauptung, daß die Agrarier uns die Wohnungen in den Städten verteuerten. Die Verteuerung ist nicht nur richtig, sondern auch riesig; aber nicht die Junker sind daran schuld. Spekulantentum, Warenhäuser und andere Kreise, die in Banken und Börsen ihren finanziellen Rückhalt haben, treiben die Mieten zu fast unerschwinglicher Höhe hinauf. Don den Steigerungen hier ein Beispiel: Vor 2S Jahren zahlte ich für einen großen Laden in bester Lage Hamburgs 2IK0 ^ Miete, nach fünf Jahren mußte ich wegen Verkaufs des Hauses wechseln und fand einen kleinen Laden, allerdings in guter Lage, für 4500 Seit Ostern d. I. habe ich wieder einen großen Laden, doch in einer Lage, die einstweilen als tot zu bezeichnen ist, und muß 6500 dafür bezahlen. Das ist in 2b Jahren eine Steigerung um mehr als das Zweifache. Ist daran nun Herr von Hepdebrand oder Herr von Oldenburg schuld? Ich glaube, selbst der heftigste Gegner der Junker kann fiir diese Mietesteigerungen, zu denen die etwaige Steigerung ge schäftlicher Umsätze und Gewinne in gar keinem Verhältnis steht, die angebliche Agrarpolitik nicht verantwortlich machen wollen. Wenn aber zugunsten irgend einer Propaganda mit so handgreiflich unrichtigen Behauptungen operiert wird, dann werde ich gegen die Sache selbst mißtrauisch. Nach Meinung des Herrn vr. Bielefeld soll zwar der Hansabund Politik treiben, doch keine Parteipolitik. Nun gewann ich aus dem Artikel des Herrn vr. Bielefeld den Eindruck ausgesprochenster Parteipolitik, und zwar der Partei, die in der Atmosphäre der Anschauungen Friedrich Naumanns, vr. Breitscheids, Hello von Gerlachs usw. lebt. Natürlich ist es das gute Recht des Herrn vr. Bielefeld, seiner poli tischen Überzeugung Ausdruck zu geben. Ich nehme aber für mich das Recht in Anspruch, ihr zu widersprechen und mich gegen eine Politik zu wenden, die nach meiner Über zeugung schließlich nur der Sozialdemokratie zugute kommt. Das ist es, was ich beim Hansabund befürchte, daß die Frucht seiner Arbeit — natürlich ungewollt — der Sozial demokratie zufällt. Es ist eine bedenkliche Erscheinung, daß die erste Reichstagswahl nach der Begründung des Hansa- bundcs der Sozialdemokratie einen so ungeahnten Zuwachs gebracht hat. Man kann über den Hansabund nicht schreiben, ohne ins Politische zu geraten. Deshalb schließe ich und spreche