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5640 Nichtamtlicher Teil. ^ 182, 8. August 1899. »Die Vorschriften der Absätze 1, 2 finden keine An wendung, soweit die Mitteilung zur Widerlegung einer öffentlich aufgestellten Behauptung oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgt, oder wenn seit dein Tode des Verfassers der Schrift zehn Jahre abgelaufen sind.« Daß die Vorschrift in einem Gesetze über das Urheber recht sich einigermaßen seltsam ausnimmt, geht zunächst schon daraus hervor, daß sie gegen die ungenehmigte Veröffentlichung solcher Privatbriefe Front zu machen bestimmt ist, an denen ein Urheberrecht nicht besteht und mit denen sich deshalb auch die Urheberrechtsgesetzgebung nicht beschäftigen kann, lieber den Schutz der Briefe unter dem urheberrechtlichen Gesichts punkte besteht kein Zweifel. Briefe sind, soweit sie litterarische Werke sind, von nicht in Briefform gefaßten litterarischen Erzeugnissen nicht verschieden und genießen ohne Einschränkung den Schutz dieser. Es bedarf keiner Spezialbestimmung, um dies auszusprechen, da aus dem alten wie aus dem neuen Urheberrechtsgesetz mit Unzweideutigkeit hervorgeht, daß ein Ausschluß der Briefe vom Urheberschutz nicht beabsichtigt worden ist. Im Falle des K 44 handelt es sich aber um solche Briefe, die nicht Gegenstand des Urheberschutzes sind, und an denen daher nur eine Indiskretion durch ungenehmigte Veröffentlichung begangen werden kann. Eine solche Indis kretion kann für den Verfasser des Briefes sehr empfindlich und unangenehm sein, sie kann auf einer Taktlosigkeit be ruhen, die nur bei einem der gesellschaftlichen Bildung ent behrenden Menschen anzutreffen ist, und es läßt sich nicht bezweifeln, daß die heutige Zeit überreich an solchen taktlosen Indiskretionen ist. Anderseits steht aber auch fest, daß durch die ungenehmigte Veröffentlichung eines Privatbriefes unter Umständen dem allgemeinen Wohl ein sehr großer Nutzen bereitet werden kann. Beispiele hierfür ließen sich aus alter, neuer und neuester Zeit in großer Anzahl anführen; es bedarf der Sammlung eines solchen Materials an dieser Stelle nicht, da es genügt, auf die Veröffentlichung von Privatbriefen der in der Affaire Drerffus eine Rolle spielenden Persönlichkeiten zu verweisen. Unzweifelhaft braucht sich nun niemand die Veröffent lichung seiner nur für eine bestimmte Person geschriebenen Korrespondenz gefallen zu lassen, mag auch immerhin hierdurch das allgemeine Interesse gefördert werden; aber eine andere Frage ist es, ob diese Handlung einen straf baren Charakter trägt. Dies muß mit aller Ent schiedenheit verneint werden. Die indiskrete Veröffentlichung eines Briefes ist rechtlich nicht verschieden von der indiskreten Mitteilung einer Aeußerung, die man entweder unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut bekommen hat, oder die man durch Zufall mit nnhörte, wenn nicht gar absichtlich erlauschte; es kann sogar fraglich sein, was vom Stand punkte der Moral und des gesellschaftlichen Taktes mehr zu rügen ist. Wenn der Staat die indiskrete Veröffentlichung eines Privatbriefes für strafbar erachtet, so miißte er auch diese Indiskretionen unter das Strafgesetz stellen, wovon natürlich keine Rede ist und keine Rede sein kann, da man ja sonst den Richter zum Großinquisitor aller möglichen Reden und Aeußerungen machen würde. Eine Strafbestimmung, wie sie K 44 in Vorschlag bringt, findet sich in keiner Gesetzgebung, auch nicht in den jenigen Gesetzgebungen, in denen der Schutz der Rechte der Urheber am meisten entwickelt und ausgebildet ist, und wenn die deutsche Gesetzgebung die Grenzen des Strafrechts in dieser Weise ausdehnen will, so mutet sie dem Strafrecht eine Elastizität zu, die es nicht hat, und stempelt im Wider spruch mit der öffentlichen Rechtsüberzeugung eine Taktlosig keit zu einem Delikt, ohne an die Folgen zu denken, die sich in grundsätzlicher wie praktischer Hinsicht aus einer solchen Ueberschreitung der Grenzen zwischen civilem und krimi nellem Unrecht ergeben können, ja ergeben müssen. Wenn wir soeben den Ausdruck »civiles Unrecht« ge braucht haben, so ist dies insbesondere geschehen in Hinblick darauf, daß die Indiskretion zu einer civilrechtlichen Aktion des durch sie Geschädigten Anlaß geben kann. In Frank reich, wo solche Indiskretionen geradezu au der Tages ordnung sind und sich beinahe schon das Gewohnheitsrecht für ihre Existenzberechtigung erworben haben, ist trotz dem die Pönalisierung dieser Handlung noch nicht gefor dert worden; dagegen hat man unter Umständen auf Grund des Artikels 1382 Ooäs eivil eine civilrechtliche Aktion mit Erfolg dagegen vorgenommen, was dank der Gleich stellung des moralischen Schadens mit dem materiellen, vermögensrechtlichen, allerdings auch in den geeigneten Fällen unschwer möglich ist. In dem neuen bürgerlichen Gesetz buch Deutschlands ist die Berücksichtigung des moralischen Schadens nur innerhalb enger Grenzen erfolgt, nnd daher wird, falls ein materieller Schaden von der Veröffentlichung nicht verursacht morden ist, ein Vorgehen auf Grund der KZ 823 und 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches regelmäßig auf Schwierigkeiten stoßen. Hingegen dürfte der K 226 mit seinem weitgehenden Inhalt oft eine Handhabe zum Ein schreiten bieten. Bekanntlich enthält diese Bestimmung den »Chikaneparagraphen«, wonach die Ausübung eines Rechts unzulässig ist, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem Anderen Schaden zuzufügen. Hierbei kommt es auf die Unterscheidung zwischen moralischem und materiellem Schaden in keiner Weise an, und es muß für ein Vergehen auf Grund dieser Bestimmung als genügend erachtet werde», wenn jemand durch die unbefugte Veröffentlichung eines Briefes den Zweck verfolgt, dessen Verfasser in den weiteren Kreisen an seineni bisher besessenen und genossenen Ansehen zu schädigen. Soweit es sich aber um Fälle handelt, gegen die sich auch nicht civilrechtlich an Hand dieser Bestimmung vorgehen läßt, kommen nur Indiskretionen in Betracht, mit deren Reprobation sich der Staat und das Recht überhaupt nicht zu befassen haben, die vielmehr lediglich der gesellschaft lichen Rüge zu überlassen sind. Zu dem Erlaß einer Vorschrift nach Inhalt des K 44 Absatz 2 ist also ein Bedürfnis keineswegs vorhanden; sie würde nur einen nachteiligen Einfluß ausüben können und sich als ein Mittel erweisen, die Aufklärung und Feststellung der Wahrheit zu verhindern oder doch zu erschweren. Uebrigens würden sich auch Wege finden lassen, ungeachtet des Bestehens der Bestimmung die Mitteilung des Inhaltes eines Privatbriefs zu bewirken, ganz abgesehen davon, d-aß in Fällen, in denen an der Verbreitung des Inhaltes eines Privatbriefes für weite Kreise ein Interesse besteht, sich die Presse hieran durch eine Geldstrafe von höchstens 1500 ^ nicht würde hindern lassen. Insofern ist also auch die Wirk samkeit der Vorschrift im Sinne der Motive des Gesetz entwurfs einigermaßen problematisch. Ein Vorschlag zur Förderung der graphischen Künste.« (Vgl. Börsenblatt No. 119, 187, 169, 175.) Im weiteren Verfolg der Auseinandersetzungen, die hier zwischen Herrn Max Schorß in München und mir statt- gesunden haben, möchte ich den Weg der meist unfruchtbaren Polemik verlassen und versuchen, auf Grund der sich mir darbietenden Thatsachen, einen Vorschlag zur Lösung der an geregten Frage zu machen. Im Hinblick auf die Bedeutung der ganzen Angelegen heit möchte ich, bevor ich auf die ins Auge gefaßte graphische Kunstschule näher eingehe, auf die Wirksamkeit der Kunst-