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574 Börsenblatt f. d Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 11, 15. Januar 1809. Entioicklung wirtschaftlich und geistig erstarkte England, das sich bereits im Jahre 1709 ein Urheberrechtsgesetz bescherte, so darf sich Deutschland rühmen, die Wiege des zwischen staatlichen Urheberrechtsschutzes zu sein. Man weiß ja. wie die unglückselige politische und rechtliche Zersplitterung der deutschen Sprachengemeinschaft, der wir freilich auch unsere unerreicht mannigfaltige Kultur verdanken, neben vielen anderen Nachteilen auch dem Krebsschaden des Nachdrucks und des literarischen und künstlerischen Freibeutertums in gefährlichster Weise Vorschub leistete. So entstand denn auch in Deutschland zugleich mit der Ausbildung des Ur heberrechts in den Einzelstaaten das Bedürfnis nach der Ausbreitung des Schutzes aus die übrigen gleichsprachigen Staatsgebiete; zwischen deutschen Staaten wurden die ersten Verträge abgeschlossen, die dem gegenseitigen Schutz der Werke der beiderseitigen Staatsangehörigen galten. Zwischen zwei Staaten, deren Angehörige sich auf der einen Seite durchaus, aus der andern wenigstens zum Teil der italienischen (der deutschen schicksalsverwandten) Sprache bedienten, zwischen Sardinien und Österreich, kam dann im Jahre 184 t der erste Urheberschutzvertrag zustande, dessen Kontrahenten politisch vollkommen von einander unabhängig waren. Die folgenden Jahre bis zur jüngsten Gegenwart brachten eine Fülle neuer Verträge zwischen Staaten aller Sprachgebiete, aller Rassen und aller Erdteile und führten auch zu dem Kollektivvertrag, der den Gegenstand dieser Betrachtung bildet, zu der noch heute in Kraft befindlichen -Berner Übereinkunft vom 9. September 1886 betr. die Bil dung eines internationalen Verbandes zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst, gemeinhin in Kürze »Berner Konvention, genannt. Die Schriftsteller und Künstler selbst, die Schutzobjekte dieser bedeutsamen Übereinkunft, dürfen für sich den Ruhm ihrer Urheberschaft in Anspruch nehmen. Dre im Jahre 1878 begründete und jetzt noch blühende »Lsboclatioa Utts- rairs et artistigao international«« war es. die auf ihrem Kongreß zu Rom im Jahre 1882 einer Anregung des deutschen Delegierten Or. Paul Schmidt (Leipzig, damaligen Generalsekretärs des Börsenvereins der Deutschen Buch händler) Folge gab und ihre Arbeitskraft. Sachkunde und Autorität für die Ausführung seiner Idee einer internatio nalen Union für den Schutz des Urheberrechts nach dem Muster des Weltpostoertrages cinzusetzen beschloß. Ihr ver danken wir einen Vorenlwurf, der der Schweizer Bundes regierung unterbreitet wurde. Diese griff den Plan mit Tatkraft auf und brachte in den Jahren 1884. 1885 und 1888 drei internationale Konferenzen zustande, die unter der Mit arbeit der Delegierten einer ganzen Reihe europäischer und außereuropäischer Staaten schließlich mit der Einigung von zehn Staaten auf einen bestimmten Vertragstext nebst Zusatz artikel. Schluß und Vollziehungsprotokoll zu einem vollen Erfolge führten. Die ersten Mitglieder der Konvention waren, da zwei Staaten die Ratifikation unterließen, das Deutsche Reich. Frankreich und Großbritannien mit ihren Kolonien, Italien. Belgien. Spanien. Haiti und die Schweiz; bereits im Anfang erstreckte sich nach einem Rundschreiben des schweizerischen Bundesrats die unmittelbare Wirkung des Vertrages aus ein von ungefähr 500 Millionen Menschen bewohntes Gebiet. Den ursprünglichen Kontrahenten schlossen sich im Laufe der Jahre noch weiterhin an: Tunis. Japan. Luxemburg, Monaco. Norwegen. Dänemark. Schweden und neuestens (am 16. Oktober 1908) Liberia, das einst 1886 den Vertrag nicht ratifiziert hatte, sowie das Deutsche Reich für seine Kolonien (am 14. November 1908). Durch Vergröße rung des englischen Kolonialbesitzes trat auch die llraasvaal auä OravAv Rivor Ooloa^ iu die Konoention ein. während gleichfalls durch politische Umwälzungen die früheren spani schen Besitzungen Cuba. Puertorico und die Philippinen in der Zwischenzeit aus dem Verbände ausschicden. Die Berner Konvention erfuhr auf einer bereits 1886 vorgesehenen Konferenz zu Paris im Jahre 1886 eine Veränderung und Ergänzung in einzelnen Punkten, die in der als »Pariser Zusatzakte- bekannten Vereinbarung und in einer zu dieser erlassenen »Deklaration, niedergelegt wurden. Alle diese Materialien — Berner Konvention nebst Schluß- und Vollziehungsprotokoll in der ursprüng lichen Gestalt. Pariser Zusatzakte und Deklaration hierzu — sind nebeneinander zu beobachten. Denn wenn auch die in Paris beschlossenen Änderungen nahezu allgemeine Geltung besitzen, soweit überhaupt die W rkung der Konvention reicht, so bestehen doch insofern Aus nahmen. als Großbritannien die Zusatzakte und Norwegen die Deklaration nicht unterzeichnet haben, so daß im Gebiet des elfteren Staates die Konvention in der alten Form, aber mit der Deklaration, in Norwegen aber in der neuen Form, jedoch ohne die Deklaration in Kraft steht. So weit sich auch der Geltungsbereich der Berner Kon vention ausdehnt, so nehmen doch noch wichtige Kulturländer eine Ausnahmestellung ein. Es fehlen insbesondere unter den Mitgliedern Österreich-Ungarn, Rußland. Holland. Portugal, die Balkanstaaten, die slldamcrikanischen Republiken und — wohl die schmerzlichste Lücke — die Vereinigten Staaten von Amerika. Die Gründe hierfür sind in den einzelnen Fällen sehr verschiedenartig. Während z. B. Österreich-Ungarns Ausstehen weniger aus grund sätzliche Abneigung als auf die innerpolitischeu. mit der Zwei teilung des Reiches zusammenhängenden Verhältnisse zurück- zusllhren sein dürfte, während Rumänien vielleicht bereits Mitglied wäre, wenn das Land nicht durch die Bauern unruhen im Ausbau des Urheberrechts gestört worden wäre, während ferner Rußland dazu neigt, durch den Abschluß von Sonderverlrägen die Anpassung an die Konventionsländer allmählich vorzubereiten, halten sich die Vereinigten Staaten von Amerika, deren Vorbild auch für einen großen Teil Südamerikas maßgebend ist, dem Verbände deshalb fern, weil sie nicht gesonnen sind, die Prinzipien ihres Ur heberrechts aufzugeben, die den freiheitlichen Ideen der Kon oention strikte zuwider lausen. Kann daher bei den ersteren Staaten, denen wohl auch Holland und Bulgarien anzureihen sind, im Laufe der Zeit der Anschluß an den Verband oder die Herbeiführung eines mit der Konvention übereinstimmenden Rechtszustands auf anderem Wege erhofft werden, so darf leider für die Vereinigten Staaten die gleiche Erwartung schwerlich ausgesprochen werden, was auch die verschiedenen Entwürfe zu einer Gesetzesreoision aus den Jahren 1906 und 1907 wiederum erkennen lassen. Widmen wir dem V erhältnis zu den Nichtverbands staaten zunächst einige Worte. Soweit unsere internationalen Beziehungen nicht durch den Berner Vertrag geregelt sind, also im Verkehr mit den Nichlverbandsstaaten. sind die fremden Autoren. Künstler usw. nur dann des Schutzes unserer Urhederrechtsgesetze. bzw. der Konvention teilhaftig, wenn sie das Werk selbst oder eine Übersetzung in Deutsch land oder einem Verbandsland zuerst oder wenigstens gleich zeitig mit dem Erscheinen in einem Nichtverbandsstaat er scheinen lassen (W 55. bzw. 51 der Berner Konvention in der Fassung der Pariser Zusatzakte). Ein russischer Autor, der sein Buch nur in Moskau verlegt hat. darf demnach iu Deutschland nachgedruckt werden. Läßt er jedoch das Werk gleichzeitig z. B. i» Leipzig erscheinen, so wird es als deutsches Werk behandelt. Kommt es aber etwa gleichzeitig in London heraus, so genießt es in Deutschland immer noch den Schutz der Konvention. Viel weniger Schutz hat der Deutsche selbst im Ausland außerhalb des Verbandsgebietes. Wenn ihm