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Nichtamtlicher Teil. Münchener Briefe. VI. Neuordnung der Feiertage. — Kongresse. — Bayerntag. — Studientommission englischer Studenten.—Deutschamerilanischer Lehrerbund. — Kinderlesehalle. — Vollsfestfpiele. — Eine Ge waltkur Ganghosers. — Das billige Buch aus der Dult. — »Sausenster«. — Ein Benediltinermönch Nuditätenmaler? — Gäste vom Sängersest. Der gefeiertste Monat in München war bisher wohl der Juni. Außer den vier Sonntagen trafen in ihm noch Fron leichnam, Johannis und Peter und Paul, ja in manchen Jah ren noch Pfingsten zusammen, so daß also meist mit 6 gesetzlichen und 2 nichtgesetzlichen Feiertagen in diesem Monat zu rechnen war. überrechnen wir, daß an den gesetzlichen Ruhetagen jede Arbeit im Buchhandel untersagt ist, demnach also die Läden vollständig geschlossen sein müssen, an den nicht gesetz lichen aber erst von morgens 10 Uhr ab geöffnet werden dürfen, so können wir leicht die Schädigung des Münchener Sorti-! ments feststellen, ganz besonders derjenigen Geschäfte, deren ^ Läden in den Laufstratzen liegen, die also vom Fremdenstrom ^ durchzogen werden. Nur wenige Artikel sind beim Kauf so! von der Stimmung abhängig wie das Buch. Es ist kein direk-! ter Bedarfsartikel, und so verflüchtigt sich denn die Kauflust gar häufig, wenn sie nicht sofort befriedigt werden kann. Der Tag, an dem der Sortimenter diese Augenblicksstimmung nicht ausnützen kann, ist also unwiederbringlich verloren. Die Klage, daß der Münchener Kalender ein bißchen zu reichlich mit Feiertagen ausgestattet sei, wurde nun schon seit vielen Jahren von allen Geschäftsleuten vorgebracht; sie hat aber Heuer erst zu einem Ergebnis geführt. Von den halben Feiertagen sind ab 1. Juni fünf weggefallen, so daß jetzt Mariä Lichtmeß, Josephi, Mariä Verkündigung, Johanni und Mariä Geburt bänstig als Werktage gelten, und außer den in Deutschland allgemein gültigen Feiertagen, wie Weihnacht, Ostern usw., hier in München noch Heil. Drei Könige, Fron leichnam, Mariä Himmelfahrt und Allerheiligen als ganze Feiertage gellen, während an Peter und Paul und an Mariä Empsängnis als an nichtgesetzlichen Ruhetagen die gewöhnliche Arbeitszeit erlaubt ist, die Verkaufsräume aber erst um 10 Uhr geöffnet werden dürfen. München mit seiner überwiegend katholischen Bevölkerung feiert natürlich den rein protestanti schen Feiertag Karfreitag nicht. Es ist jedoch nicht ausge schlossen, daß die kommenden Jahre auch hierin eine Ände- rung bringen, da entsprechende Vorstellungen aus der Han delswelt bereits einer Erwägung unterzogen werden. Wenn damit auch noch nicht das Ideal einer überall in ganz Deutsch land gültigen Ordnung erreicht ist, so haben wir uns doch der Zeit genähert, wo die Fäden des Handels und Verkehrs gleichmäßig hinüber- und herübergehen. Daß sich die Wichtigkeit des rastlosen, unbeirrten Vor- wärtsstrebens in uns immer mehr befestigt, davon zeugen die verschiedenen Kongresse, die jetzt hier stattfinden. Aus all den Redefluten, die die Vertreter der Stadt und des Staats über sich ergießen lassen müssen, rauscht mächtig der Wille hervor, deutscher Industrie und deutschem Handel den Weltmarkt zu erobern. Da ist es erfreulich, daß auf dem Deutschen Kunst gewerbetag, der am 23. und 24. Juni hier abgehalten wurde, besonders betont worden ist, immer darauf zu sehen, Quali tätsarbeit zu liefern. Wenn wir heute darauf stolz sind, daß die Bezeichnung »Nacks in Osimanz-«, durch die sich England schützen wollte, als Empfehlung gilt, so ist dies nur der Quali tätsarbeit zu verdanken. Wenn deutsche Firmen, wie Bruck- mann-München, Nister-Nürnberg, einen großen Teil der eng lischen Farbdrucke (Postkarten usw.) liefern, so ist dies Wohl neben der hochentwickelten Technik der Lieferung von nur erstklassigen Erzeugnissen zuzuschreiben. Diesem Verlangen nach beständiger Durchgeisligung der Arbeit soll eine Er- ziehung des Publikums zu künstlerischem Geschmack aber auch die notwendige Wertschätzung erringen. Deswegen wurde auch auf diesem Kongreß eine Zentralstelle vorgeschlagen, die das erzieherische Moment für ganz Deutschland zu ver- folgen hätte. Die Anregung, die im Börsenblatt des öfteren schon besprochen worden ist, eine literarische Zentralstelle zu schaffen, um mit deren Hilfe in der Presse das Interesse am Buch zu heben und zu festigen, taucht also hier in ähnlicher Form für die Kunstgewerbler auf. Die 24. Hauptversammlung des Deutschen Buchgewerbe- Vereins fand diesmal, angczogen Von der Gewerbeschau, gleich falls in München statt und brachte eine reiche Teilnehmerzahl nach unserem Isar-Athen. Mit ihr dürfte die Reihe der den Buchhändler besonders interessierenden diesjährigen Kongresse abgeschlossen sein. Die erste große Invasion der Fremden hätten wir bereits siegreich überwunden. Aus allen deutschen Gauen brachte die Bahn Erholungsbedürftige und Wißbegierige herbei, und am 14. und 15. Juli allein trafen nicht weniger als dreizehn Feriensonderzüge aus dem Norden ein, die etwa 4300 Sachsen, 1600 Berliner und 500 Bremenser und Hannoveraner brachten. Wenn auch ein großer Teil gleich nach Salzburg oder Kufstein weiterfuhr, so ist doch sicher damit zu rechnen, daß auch Von ihm die meisten München auf ihrer Rückfahrt besuchen. Im August sind dann also nochmals goldene Erntetage auch für die Buchhandlungen mit Fremdengeschäst zu erwarten. Die Mehrzahl der auswärts wohnenden Bayern hat natürlich ihren Besuch aus den Bayernlag Verlegt, den die Gewerbeschau am 27. und 28. Juli inszeniert hat. Er hat über 3000 Landeskinder aus allen deutschen Staaten wie aus dem Auslande zu einer imposanten Huldigung wieder in der Residenz vereinigt. Die großen Erwartungen Von dem Besuch aus England und Amerika sind bis jetzt ja nicht ganz erfüllt worden; es wird also der August wohl auch dies Versprechen einlösen. Aber wir können auch mit den Durchschnittszahlen, die diese Fremden uns gebracht haben, zufrieden sein, um so mehr, als sie zwei Massenbesuche enthalten, die eine gewisse politische Bedeutung besitzen. Die englischen Studenten, die Vom 26. bis 3l. Juli in München waren, werden sicher keinen schlechten Eindruck mit Hinweggenomnien haben. Vielleicht helfen sie dazu, daß die leidige Spannung zwischen den beiden stammverwandten Nationen etwas gemildert wird, wenn sie berichten, daß das gutmütigste Volk des Deutschen Reiches, die Bajubaren, nicht halb so eroberungslustig ist, als es dargestellt wird, daß es aber doch Von dem gleichen Geist beseelt ist wie alle andern Deutschen: daß es ein Plätzchen an der Sonne will, das es mit aller Kraft behauptet. Einen Einblick in die Notwendig keit dieser Selbstbehauptung konnten sie schon durch den Dor trag, den ihnen der Rektor der hiesigen Handelshochschule, Professor Bonn, hielt, bekommen: »Tbs sxxansion ok Qsrmon)- < Amerika hat uns einen originellen Kongreß bereitet. Der Deutschamerikanische Lehrerbund hat seine 40. Hauptversamm lung am 1. Juli in New Uork eröffnet und setzt sie, echt ameri kanisch, als Wanderversammlung durch ganz Deutschland fort. Die 400 Teilnehmer seiner Studienfahrt werden so manches Gute der neuen Kultur ihrer alten Heimat mit hinüber nehmen und dadurch das Ansehen Deutschlands stärken. Das Schulwesen Münchens zählt zu den bestentwickelten Deutsch lands und kann deshalb als ganz besondere Studienquelle