Volltext Seite (XML)
^ 75, 1. April 1914. Redaktioneller Teil. Sachsens, Badens usw. dabei mindestens nicht geschädigt werden. Unter Hinweis auf diese Tatsachen wird neuerdings proponiert, dach ein mal ohne bestimmte Verpflichtung über die Bedingungen sich auszu sprechen, unter denen Bayern ans das Postrcservat verzichten und die Reichspost bei sich einführcn könnte. Und dem Verkehrsminister ist dann Gelegenheit geboten, seinen Standpunkt zu diesem Vorschlag kund zugeben, zugleich aber auch sich darüber auszusprechen, wie er sich die Verzinsung und Tilgung der in den Telegraphen- und Telephon anlagen steckenden Kapitalien denkt. Rechnet man die hierfür nötigen Summen mit, dann steigt nämlich das Defizit für 1911 auf 6 Millionen und für 1912 auf 5,6 Millionen. So ungefähr hat es ein »kundiger Thebaner« ausgerechnet. Bei solchen Ziffern wird freilich das Post rcservat ein recht zweifelhafter Besitz, und wenn man trotzdem das Reservat nicht anfgeben will, dann wird man eben an eine billigere Organisation des Pvstdienstes denken müssen. Sonntagsruhe im Handelsgewcrbe.— Die Neichstagskommission hat sich in den letzten Wochen vor allem mit der Frage der Ausnahmesonntage und der Lage der Verkaufszeiten beschäftigt. Vorher gelangte noch ein Kompromißantrag der bürgerlichen Parteien zur Annahme, der für Städte unter 75 900 Einwohnern eine dreistündige Verkaufszeit vor sieht, die durch die höhere Verwaltungsbehörde in Städten bis herunter auf 10 000 Einwohner um eine Stunde, in kleineren Gemeinden um zwei Stunden verlängert werden darf. Auch in bezug auf die Aus nahmesonntage weichen die Kommissionsbeschlüsse nicht unwesentlich vom Negierungsentwurf ab. Dieser sah 10 Ausnahmesonntage mit je lOstündiger Verkaufszeit vor; davon waren 6 kraft Gesetzes ohne weiteres zngelassen, während 4 weitere von der höheren Verwaltungs behörde angeordnet werden konnten. Die Kommission hat dieses Verhältnis umgekehrt und außerdem die Beschäftigungsdaner auf 8 Stunden mit der Schlußstnnde um 7 Uhr abends festgesetzt. Ferner soll in Kurorten und Plätzen mit starkem Touristenverkehr mit Geneh migung der höheren Verwaltungsbehörde der Handel mit gering wertigen Andenken usw. allsonntäglich bis 7 Uhr abends gestattet sein, wobei jedoch den Angestellten jeder dritte Sonntag vollständig frei zu geben ist. Bezüglich der Schlußstnnde gelangte ein nationalliberaler Antrag zur Annahme, der sie bei 2stttndiger Verkaufszeit auf 2 Uhr, bei 3stündiger auf 3 Uhr festlegt; bei einer Beschäftigung über 2 Uhr hinaus soll den Angestellten eine Mittagspause von 2 Stunden ge währt werden. Schließlich wurde noch ein Antrag der bürgerlichen Parteien angenommen, wonach das Bedienen der bei Ladenschluß noch anwesenden Kunden bis zur Dauer einer Viertelstunde zngelassen wird. Nachdruck eines Nezeptenbuches. — Im »Neuen Wiener Tagblatt« lesen wir: Der Chemiker Karl Szlaner gab im Jahre 1912 ein Buch »Der Selbstfabrikant« heraus, das, wie sich später herausstellte, ein Nachdruck des Werkes von Dr. Max v. Waldheim »Chemisch-technisches Rezeptenbnch, Hand- und Hilfsbuch für Gewerbetreibende und Indu strielle« war. Szlaner hatte nur den Titel geändert und seinen Namen als Autor angegeben, sonst aber die Rezepte und Anweisungen Wald heims wörtlich benutzt. Als infolge erstatteter Anzeige eine Haus durchsuchung vorgenommen wurde, fanden sich nur noch einige Exem plare des Buches vor, während 3000 gedruckt worden waren. Es wurde aber festgcstellt, daß die Wohnnngsgeberin Szlauers, die Händ lerin Emma Mandl, einen Teil der Auflage verborgen und trotz des erlassenen Verbots verkauft hatte. Szlaner ging dann nach Deutsch land, wo er das Werk wcitervertrieb, bis er auf Requisition der öster reichischen Behörden verhaftet und hierher ausgeliefert wurde. Am 27. März hatten sich vor einem Erkcnntnisscnat Karl Szlaner und Emma Mandl wegen Vergehens gegen das Nrheberrechtsgesetz zu ver antworten. Nach durchgeführtem Bcweisverfahren erkannte der Ge richtshof beide Angeklagten schuldig und verurteilte Karl Szlaner zu sechs Wochen Arrest, die durch die Untersuchungshaft verbüßt sind, Emma Mandl zu 50 Kronen Geldstrafe. Wie uns hierzu aus Wien mitgeteilt wird, hat der Verurteilte auf das Rechtsmittel der Revision verzichtet und die Strafe angenom men. ES ist dies übrigens wohl der erste Fall in der österreichischen Gcrichtspraxis, daß eine Auslieferung von Deutschland nach Österreich wegen Vergehens des Nachdrucks erfolgt ist. Allgemeiner Buchhandlungs-Gchilfentag, Leipzig 1914, 4. bis 6. Juli. — Für die Hauptverhandlungen, die am 5. Juli vormittags 10)4 Uhr im Kongreß-Saale der »Bugra« stattfinden, gibt jetzt der Presseausschnß die Folge der Vorträge bekannt. Bei ihrer Auf stellung ist angesichts der angestrebten Einigung der Buchhandlnngs- gehilscnschaft Wert darauf gelegt worden, durchaus allgemein gehaltene Vorträge zu sichern. , Es werden sprechen: 1. Herr vr. Goldfriedrich, Bibliothekar des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig, »Der Buch- handluugsgehilfe einst und jetzt«, eine geschichtliche Darstellung. — 2. Kollege A. Arnold »Die wirtschaftliche Lage des Buchhandlungsge hilfen«. Ein Rückblick und ein Ausblick. — 3. Herr vr. Curt Frenzel, Direktor der Buchhändler-Lehranstalt zu Leipzig, »Die Fachbildung des Buchhändlers in Vergangenheit und Gegenwart«. Gleichzeitig sei noch darauf hingewieseu, daß das Gesamtprogramm für deu »Allgemeinen Buchhandlungs-Gchilfentag, Leipzig 1914« in einigen Tagen zur Veröffentlichung gelangt; es ist sorgfältig bearbeitet worden und dürfte allgemeinen Beifall finden. Fischer-Dückclmann, »Die Frau als Hausärztin« im Urteile ocs Reichsgerichts. — Herr Julius Müller (Süddeutsches Verlags- Institut Stuttgart — Österreichisches Verlags-Institut Wien) schreibt uns: »Ihr Bericht im Bbl. Nr. 70 über die Neichsgerichtscntscheidung wegen gesetzwidrigen Verkaufs von Schutzmitteln unter Benutzung meines Verlagswerks Fischer-Dttckelmann, Die Frau als Hausärztin veranlaßt mich zu einigen aufklärenden Worten, iveil er die Möglich keit offen läßt, daß der beanstandete Verkauf eines Schutzmittels neben meinem Werke, mir oder meinem Geschäfte bekannt war. Dies ist selbstverständlich nicht der Fall. Die betreffende Firma stand mit meinem Verlage niemals in Verbindung nnd hat von ihm noch kein Exemplar des genannten Werkes bezogen. Sie hatte überhaupt nie die Absicht, mein Werk zu vertreiben, sondern verschaffte sich die von ihr benutzte veraltete Ausgabe nur zu dem Zwecke, um sich derselben als Deckmantel für ihren ungesetzlichen Schutzmittelverkauf zu bedienen. Daß ein solches Treiben die strengste Verurteilung verdient, und daß ich die schärfsten Maßregeln gegen den Unfug getroffen habe, braucht kaum erst gesagt zu werden. Auch die Bemerkung, das Werk enthalte eine Bezugsquelle von Schutzmitteln, ist unzutreffend. Außer wenigen Firmen, die mit Schutzmitteln nicht das geringste zu tun haben, enthält die im Handel befindliche Million-Jubiläumsausgabe des Buches keinerlei Bezugs quelle, geschweige denn eine solche für Schutzmittel, sondern lediglich die kurze rein kritische Besprechung derselben, die sich in jedem derartigen Werke befindet und die selbstredend in jedes populär-medi zinische Gesamtwert gehört, das nicht dem Vorwurf der Unvollständig keit ansgesetzt sein soll. Eins möchte ich aber hinzufllgcn: So notwendig die Konzeptions- Verhütung sein kann, nnd so zweifellos das Recht ihrer Anwendung unter zwingenden Umständen feststeht, so darf und wird andererseits ein gewissenhafter, berufener Verfasser an der ernsten Erscheinung des Geburtenrückgangs im allgemeinen nicht vorübcrgehen. Die Auf nahme eines großen Neuabschnittcs in das Werk über .Die Ursachen des Geburtenrückgangs nnd die Mittel zur Abhilfe* ist daher eine mit Frau Doktor Fischer-Dttckelmann längst beschlossene Sache, deren Verwirklichung in Kürze bevorsteht.« Die Fraktur auf dem Marsche. — In das Verzeichnis der von uns in Nr. 18, 50 n. 67 veröffentlichten Zeitschriften, die von der Antiqua zur Fraktur übcrgegangen sind, sind noch die im Verlage von I. E. G. Wegncr in Stuttgart erscheinenden »Blätter für Aquarien- und T e r r a r i e n k u n d e« aufzunehmen. Bis zu ihrem 12. Jahr gange erschien die Zeitschrift in Fraktur, ging dann zur Antiqua über nnd ist 1914 mit dem 25. Jahrgänge wieder zur Fraktur zurttckgekehrt. Handelshochschulkurse zu Nürnberg. — Der Nürnberger Magistrat hat beschlossen, mit Beginn des kommenden Wintersemesters mit Un terstützung der Handelskammer -Handelshochschnlkurse zu errichten. Der Studienplan umfaßt vier Semester. Verbotene Druckschriften. — Mittel zur Schwanger schaftsverhütung (39 Figuren) von Prof. G. Hardy. Selbst verlag, Paris, 29, Uue Uixeieeourt. Amtsgericht Breslau. Be sch l a g n a h m e. 7 T. 270/14. (Deutsches Fahndungsblatt Stück 4574 vom 30. März 1914.) Personalnachrichten. Fünfzigjähriges Bcrnfsjubiläum. — Einem der markantesten Mit glieder des österreichisch-deutschen Buchhandels, Herrn Kommerzialrat Wilhelm Müller, Inhaber der N. Lechner'schcn Hof- und Uni- vcrsitätsbnchhandlung in Wien, ist es vergönnt, am 1. April auf eine 50jährige Berufstätigkeit zurückblicken zu können. -Herr Müller ist am 29. Januar 1849 in Suhl in Thüringen ge boren und trat am 1. April 1864 bei Louis Mosche in Meißen in die , Lehre, verlebte in Erfurt, Mitan, Riga, Moskau und zuletzt in Wien 479