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3324 Nichtamtlicher Teil. pv 74, 30. März 1908 Entrüstung wider Rom und das deutsche Franzenthum, die Trauer, daß Klopstock nur frostig belohnt sei, quoll in Voßen's Ode mit bittrer Kraft hervor. Die bardische Verzückung äußerte sich in Müller's Lied eines bluttrunkenen Wodanadlers am tollsten. Fritz Stolberg verkündete in dem -Genius- den Durst des jungen Geschlechts nach Unsterblichkeit. -Wie milde Töne aus heiterer Ferne nahmen sich daneben die Gotter'schen, Götze'schcn und Boie'schen Gedichte aus. Boie hatte viel aus fernen Nachahmungen der Franzosen und Engländer mitgetheilt, und auch Herder gab zwei Nachbildungen englischer Gedichte. Pfeffel erschien mit frischen Fabeln und Erzählungen ohne breite Moral.« Der Almanach fand vielseitige Anerkennung und erregte großes Aufsehen, war er doch ein Palladium der jungen Schule geworden. Dieser Almanach für 1774 sollte jedoch der letzte sein, den Boie herausgab; mit einem so durch schlagenden Erfolg schloß er seine Tätigkeit als Herausgeber des Göttinger Musenalmanachs ab. Verschiedene Umstande, vor allem eine in Aussicht genommene längere Abwesenheit von Güttingen, bestimmten ihn, die Besorgung des Almanachs für 177ü Voß zu übertragen. Mancherlei Unannehmlich keiten, die er durch die Übertragung hatte (es waren u. a. Angriffe gegen Wieland in den Almanach gelangt, die er nicht billigen konnte), veranlaßten dann Boie schon sehr bald, die Herausgabe des Almanachs ganz an Voß, seinen künf tigen Schwager, abzutreten, dem er dadurch eine feste Ein nahmequelle schaffte. Voß war jedoch das Honorar von 150 Rthlr., das ihm Dieterich für die Herausgabe des Almanachs bot, zu gering; er hoffte mit dem Selbstverlag bessere Geschäfte zu machen, löste daher das Verhältnis zu dem Göttinger Verleger und zog nach Wandsbek, um dorr fortan den alten Musenalmanach weiter herauszugeben. Es scheinen auch allerlei Streitigkeiten vorgefallen zu sein; beide waren späterhin nie gut auseinander zu sprechen, und daß Voß ein Streilbock war, ist bekannt; auch sein Schwager Boie klagt häufig über seine Streitsucht und seine fort währenden Händel. Der erste Jahrgang des Voßschen Musenalmanachs erschien in Lauenburg, die übrigen in der Buchhandlung von Carl Ernst Bohn in Hamburg. Dieterich wollte seinen Almanach indessen nicht missen und bewog Leopold Friedrich von Göckingk, eine Fortsetzung herauszugeben. Boie bemühte sich ver gebens, den Bruch zwischen Dieterich und Voß, wie er an Bürger schreibt,') wieder gut zu machen, -aber mit dem närrischen Kerl ist nichts anzufangen«, beinerkt er dazu. Voß und Göckingk suchten nun beide nach Kräften die be deutenderen Geister für ihren Almanach als Mitarbeiter zu gewinnen, und von manchem, wie von Bürger, wissen wir auch, daß er für beide Unternehmungen Beiträge lieferte; Bürgers Briefwechsel mit Bote, der natürlich für seinen Schwager eintrat, und mit Göckingk gibt Nachricht darüber. So schreibt Göckingk an Bürger unterm 21. April 1775:") -Herr Dieterich meldet nur zwar, daß Ew. Hochedelgeb. die Güthe gehabt, rhm Beiträge für den Göttingischen Musen-Al- manach zu versprechen. Ich kann aber doch nicht unterlassen, Sie noch besonders darum gehorsainst zu ersuchen, da ich die Besor gung des Almanachs übernommen habe, und wenigstens mir den gegründeten Borwurf vom Publico nicht machen lassen will, daß ich mich um gute Gedichte nicht Mühe genug gegeben. Bey der Menge von Almanachen die künftiges Jahr erscheinen sollen, werd ich nicht der Einzige, auch wohl nicht der Erste seyn, welcher Sie um Beiträge tuitet. Desto mehr Dank werde ich Ihnen schuldig seyn, wenn Sie mich nicht ganz leer aus gehen lassen.« Bürger sandte ihm Beiträge. Göckingk hatte zwar Be denken geäußert, da Voß in seinem Avertissement bekannt gemacht hätte, daß keiner von den an seinem Musenalmanach ") Strodtmann, Bürger's Briefe. I. S. 222. ") Ebendaselbst. I. S. 223. mitarbeitenden Dichtern an irgend einer andern Sammlung Anteil nehmen dürfe, Bürger sei daher wohl moralisch ge zwungen, von der Sendung von Beiträgen an ihn Abstand zu nehmen. Bürger zerstreute diese Bedenken bald, indem er ihm Beiträge sandte und dazu bemerkte:* **) ) -Damit ich Sie so geschwind als möglich überzeuge, daß ich weder an den Herrn Boß noch an irgend einen andern Almanach der Christenheit allein mich gebunden habe, so über- schlck ich eine Kleinigkeit. — Sie sehen also meinen guten Willen und sollen ihn, wenn anders das träge Fletsch ihm keinen Ein halt thut, ferner sehen.« Gleichzeitig war der Dichter aber, wie bisher auch für den alten Boieschen, jetzt Voßschen Almanach tätig und schrieb über diese Mitarbeit vielfach an Boie, so unterm 29. Juni 1775:") -Hier ist das Sptnnliedl Die Melodie bitten Sie sich von Or. Weiß aus. Beydes ist für Voßens Alm. bestimmt. Wenn ich noch 6 Wochen Zelt habe, so soll der wilde Jäger gewiß ausgejagt und Ttmon ausgebrummt haben. Traun! Das sollen ern Paar Stücke werden — doch sage ich nichts. Um die Ohren solls euch sausen, als wenn euch hundert Teufel in Sturm, Donner und Wetter durch die Lüste führten. Den Raubgrasen krieg ich zusammen und feite dran. Auf den Montag sollen Sie ihn haben. — Boß braucht sichs um die Lapalren, die ich G. gegeben, nicht leid seyn zu laßen, indem er hoffentlich doch am besten fahren wird.« Cinige Wochen später, am 10. Juli,***) kann Bürger dann allerdings die Bemerkung nicht unterdrücken: »Wenn doch der gute Boß die Stelle in Neubrandenburg erhielte! Ich zweifle sonst, daß er sich mit dem Almanach hin durch helfen werde. Ich wollte, daß ich ein ganzes Fuder Ge dichte vorräthig hätte; er sollte gewiß die größten und besten haben.- Erklärlich ist, daß beide Herausgeber bei dem Kalender streit keine Seide spannen; rühmend sei jedoch hervorgehoben, daß das persönliche Verhältnis zwischen beiden Herausgebern ein gutes blieb; Göckingk war sogar bereit, Beiträge für den Voßschen Almanach zu senden, damit der Well bekannt werde, wie er von aller Atmanachslreiligkeit und Eifersucht frei seif). Aus einem Brief von Göckingk an Bürger-f-f) erfahren wir auch, daß Voß nicht nur keinen Überschuß vom Almanach gehabt hat, sondern das Hamburger Adreß-Comptoir noch 500 ^ von ihm herausverlange. So war es denn erklärlich, daß Voß auf den Gedanken kam, sich mit Göckingk zu vereinigen; schon unterm 13. Oktober 1776 kann Göckingk an Bürger schreiben:f"ff-) -Boß hat mir seinen Musen-Aim. zugeschlckt. Es ist auch nicht alles Gold, habe hin und wieder Meffing oder eine Composition gefunden, über deren Gehait ich noch nicht einig bin. Botz bittet mich gar sehr, ich soll mich mit ihm ver einigen, damit er eine bessere Sammlung herausgebe, sein Honorarium in Frieden nehmen und Boten Schwester heiraten könne. Ich werde ihm aber antworten, daß ich 1778 schon mit Dieterich von neuem conlrahirt hätte, wie denn auch bereits im Werke ist, und erst dann meine Erklärung abgeben könne. Dieß unter uns.» Jur selben Zeit schreibt auch Voß an Bürger über den Plan:*f) Ich habe HEn. Göckingk gebeten, den O. Almanach auf zugeben, und mit Gründen, die bey ihm gelten müßten. Dann könnte dieser Almanach werden, was er sein soll.« Schießlich kommt auch Boie in einem Schreiben an *) Strodtmann, Bürgers Briefe. I. S. 226. **) Ebendaselbst. I. S. 230. *") Ebendaselbst. I. S. 234. f) Ebendaselbst. I, 286. ffj Ebendaselbst 332. fff) Ebendaselbst 344. *f) Ebendaselbst 347.