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6212 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 117, 25. Mai 1S10. Redakteur und Verleger aber wußten sich zu helfen; sie hefteten dis wertvollsten, für die beseitigten »Psrspeklioen» eingelaufenen Beiträge zusammen und legten sie dem sächsischen Zensor als ein selbständiges Buch vor. »Schriften in bunter Reihe, zur Anregung und Unter haltung herausgegeben von Theodor Mundt« lautete jetzt der Titel, der durch den Zusatz »Erstes Heft» sich als Fragment der unterdrückten Zeitschrift verriet und eine weitere Folge verhieß. In dieser Form durste die Sammlung im Herbst 1834 erscheinen. Sonderlich intelligent kann der Zensor nicht gewesen sein, wenn er nicht merkte, daß sich in dieser zweiten Form die verbotenen -Perspektiven» manifestierten. Das erste Heft der -Schriften in bunter Reihe» hatte besonders durch die darin mitgeteilten Stücke aus dem Knebel- schen Nachlaß Aufsehen gemacht; in seiner Vorrede hatte Mundt angedeutet, daß er seine Zeitschriftenpläne keineswegs fallen lasse, und statt eines zweiten Heftes erschien am 28. November 1834 der Prospekt einer neuen Zeitschrift, dessen ich leider trotz aller Nachforschungen bisher noch nicht habhaft werden konnte. Der Widerstand des sächsischen Zensors war also überwunden, und was als »Perspektiven» hatte im Ei erstickt werden sollen, was sich als »Schriften in bunter Reihe» hatte einspinnen dürfen, kroch jetzt als »Literarischer Zodiakus« aus der Puppe. In dieser dritten Form durchlief Mündts Zeitschriften- nnternehmen ungestört einen vollen Jahrgang, und sowohl Herausgeber wie Verleger waren mit dem Erfolg der überaus iuhaltreich und pikant redigierten Zeitschrift sehr zufrieden, — was man wenigstens damals »Erfolg» nannte. Der Verleger zahlte an Mundt ein Bogenhonorar von zwei Louisdor und außerdem eine Redaklionsentschädigung von 100 Talern für das Jahr. Mundt hatte mit diesem Etat die Honorare für die Mitarbeiter zu bestreiten, eine Form der Verrechnung, die damals vielfach üblich, den Mitarbeitern aber nicht gerade günstig war. Ende des Jahres 1835 hatte die Zeitschrift gegen 40g Abnehmer, und der Preis des Jahrgangs von 12 Heften zu je 5 Bogen war 5 Taler. Bei diesen be scheidenen Zahlen, die unter den heutigen Produktionsverhält nissen ein ehrfürchtiges Staunen erwecken müssen, kamen Verleger und Herausgeber auf ihre Rechnung, und angeseuert durch diesen Erfolg sollte von Neujahr 1836 ab die Zeit schrift noch beweglicher austreten, sie sollte alle vierzehn Tage erscheinen. Es war Anfang November, als man diese Pläne durch Rundschreiben an die Mitarbeiter bekannt machte, und schon im Dezember erschien das Probeheft des neuen Jahr gangs. Zu eben dieser Zeit aber zogen sich düstere Zensur wolken um die Häupter des -Jungen Deutschlands- zu sammen, am 14, November 183S verbot der preußische Polizeiminister die sämtlichen Schriften von Mundt und Laube, Heine, Gutzkow und Wienbarg, und am 10. Dezember folgte der deutsche Bundestag mit einer allgemeinen Ver warnung der Buchhändler gegen diese Schriften. Das preußische Verbot war notorisch ungesetzlich, wie das Polizei- ininisterium nach drei Monaten selbst zugab, und die zwei deutige Verfügung des Bundestags ein Kabinettstück der be kannten Diplomatie dieser Behörde, die durch fein ersonnene vieldeutige Redensarten sich den Anschein energischer Strenge zu geben wußte und schließlich doch jedem Bundesstaat über lassen mußte, zu tun, was er wollte. In dem Verbot Preußens vom 14. November, das sich nicht nur auf Vergangenheit und Gegenwart, sondern un geheuerlicherweise auch aus die Zukunft erstrecken sollte, war Mündts »Zodiakus» namentlich als ein Organ der gefähr lichen jungdeutschen Literatur heroorgchoben, und da die Hälfte des Absatzes der Zeitschrift nach Preußen hin erfolgte, erschien mit dem Verbot das Schicksal des Unternehmens be siegelt. Aber Mundt war nicht so leicht kleinzukriegen, und im Vertrauen auf einflußreiche Gönner, deren er mehrere hatte, wie den schon genannten Kultusminister von Altenstein, dachte er nicht daran, sich bei diesem Verbot, das er gerade bei einem Aufenthalt in Leipzig zuerst erfuhr, zu beruhigen. Der Verleger remonstrierte am 18. bzw. 19. Dezember 1835 gegen die preußische Maßregel, jedoch ohne Erfolg; ein per sönliches Gesuch Mündts vom 27. Dezember aber setzte es wirklich durch, daß schon am 29 Dezember die Zeitschrift in ihrem neuen Jahrgang in Preußen wieder, wenn auch mit Vorbehalt und Einschränkung und natürlich unter Voraus setzung preußischer Zensur, freigegeben wurde. Jetzt aber legte sich die sächsische Zensur ins Mittel und entzog dem Verleger die ihm vorm Jahr erteilte Konzession, die zur Herausgabe einer Zeitschrift damals erforderlich war. Hier setzen nun die Briefe Mündts an Gebrüder Reichenbach ein, und schon der erste dieser Briese vom 1. Januar 1836, der noch unter der Voraussetzung der Fortdauer des preußischen Verbots geschrieben ist und von dessen Rücknahme noch nichts weiß, zeigt sehr hübsch, wie wenig sich der Herausgeber durch diese Drangsalierung ein schüchtern zu lassen gedachte und mit welcher katzenartigen Geschicklichkeit er auch nach diesem Sturz wieder glücklich unten ankam. Die erfolgreiche Praxis des Jahres 1834 sollte aufs neue angewandt und der verbotene »Zodiakus» in ein viertes Stadium übergelcitet werden: Ihr Schreiben vom 30. benachrichtigt mich zu meinem Erstaunen, daß Ihnen durch ein Reskript seitens des hiesigen Ministeriums der Eingang unseres Journals sogar gegen Recensur versagt wird. Man hatte mir hier, von sehr gewich tiger Seite her, ganz andere Hoffnungen gemacht, weshalb ich unterm 27. v. M. das erste Heft an das Ministerium des Innern getrost sandte und daran die dringliche Bitte um Auf hebung des ganzen Verbots knüpfte. Ich sehe täglich einer Bescheidung entgegen. Man kann freilich, in der Lage der jetzigen und hiesigen Verhältnisse, keinen Augenblick wissen, was den andern dazwischen kommen und bereits erössnete Aussichten wieder verderben kann. Unter dem, was Sie mir ansühren, und wonach auch Sachsen sogar in Betreff des einzelnen Zodiacus sich den preußischen Reclamationen sügt, wäre es unbillig, Sie noch länger zur Fortsetzung des Journals anzuhalten. Der Zodiacus war meine Lieblingsidee, und ich glaube, daß der erste Jahrgang einen bleibenden Werth in der Literatur behaupten, Ihnen auch fortwährend noch abgesordert werden wird. Sie haben Ihrerseits das Rühmlichste zur Förderung des Unternehmens gethan, und was mich betrifft, so kann ich mir nicht vorwerfen, daß ich das Verbot verschuldet, da ich stets nach meinem Gewissen gehandelt und den gesetzlichen Vorschriften der Zensur mich durch keine Zweideutigkeit entzogen habe! Bringen wir also das Journal den Zeitverhältnissen zum Opfer! Vielleicht können wir noch eher, als wir denken, mit erneuten Kräften wieder beginnen I Nr. 2 des Zodiacus noch zu drucken, oder eingehen sollte^ bitte ich mir hieher zu senden; sowie den noch in Ihren Händen befindlichen Aufsatz des Herrn Prof. Rosenkranz, um den ich Sie umgehend ersuche. Für den Ausfall des gegenwärtigen Unternehmens denke ich Sie mehrfach und sogleich zu entschädigen. Es soll statt des Zodiacus ein Buch herausgegeben werden, ähnlich zusammen gesetzt wie die »Schriften in bunter Reihe» (die, wenn ich nicht irre, damals sehr gut gingen), nur mit dem Unterschied, daß weder mein Name aus dem Titelblatt genannt, noch ich an fänglich, außer dem Arrangement, daran Teil nehmen werde. Dagegen soll das Buch, das zu 20 Bogen stark angeschlagen, Beiträge von Gans, Varnhagen, dem Fürsten Pückler, Schefer, Stieglitz, Strombeck, dem Verf. des Erwin von Steinbach u. a. enthalten, die sich großenteils schon in meinen Händen befinden. Die Namen dieser Herren würden aus dem Titel blatt genannt werden und dies würde als anziehungs kräftige Firma schon hinreichen. Auch hätte ein solches Buch überall freie» und ungehinderten Debit, da mein Name in keiner Weise damit in Verbindung gesetzt ist, und