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9788 «ör>-nb>°tt f. d. Dtschn. Buchhandel Nichtamtlicher Teil. 215, 15. September 190V. schienen sii,d??'Ta von jenem Zeitpunkte an die beiden Landes gesetze Deutschlands und Belgiens keinen Aufführungsvorbehalt mehr verlangten, da beide Länder sich die Meistbegünstigung unter der Bedingung der Gegenseitigkeit zusicherten und da die Amerikaner die meistbegünstigte, alle den Deutschen eingeräum- tenMechte genießende Nation war, bestand denn nicht schon vor dem 12. Juli 1908 gegenseitige Befreiung vom Bermerkszwang und damit Schutz gegen Aufführung auch solcher Werke, die keinen Vermerk besaßen, und involviert dies nicht nunmehr auch Schutz gegen Weiterbenutzung der Partituren und Notenblätter von Werken, die schon sechs Jahre früher keinen Vorbehalt trugen? Die Schlußsätze in dieser Beweisführung sind folgende: Nur vor dein 1. Januar 1902 hätten die Tonwerke zum Schutze des Auf führungsrechts in den vertraglichen Beziehungen eineil Vermerk tragen sollen, nachher bedurften sie dieses Vorbehaltes nicht mehr; war der Mangel eines Verbots von jenen: Datum an irrelevant, dann waren auch diejenigen Werke geschützt, die kein solches Verbot trugen, somit war das betreffende Notenmaterial schon von 1902 an intangibel, und es darf nun nicht, wenn es keinen Vorbehalts trägt, zur nachträglichen freien Aufführung benutzt werden. 5 ^ Wir^ müssen diese Ansicht noch^eingehender (siehe deutsch italienischen Vertrag) bekämpfen, da nach Herrn Darras auch der Berichterstatter Herr Wauwermans sie verficht und mit dem früheren Vertrag von 1883 operiert*). Wir haben schon gesehen, daß in WirklichkeiOdie belgischen Gerichte hinsichtlich des Schutzes des verwandten^ Ubersetzungs rechts sich durchaus nicht an'irgend eine derartige Interpretation der gegenseitigen Vertragslage hielten und daß Belgien nichts ge tan hat, um^die weiteren Rechte zu beanspruchen oder durch das Gewähren der Gegenseitigkeit, d. h. durch Aufklärung der sehr zweifelhaften Frage seine Gerichte zu zwingen,s anders zu urteilen. Also fehlt jener Behauptung die tatsächliche Unterlage gerichtlicher Sanktionierung. Fürs zweite haben auch die beiden Vertragsmächte neuerdings nicht angenommen, daß von 1902 bis 1908 in dieser Beziehung schon ein anderer, günstigerer Zustand vorhanden war, denn in Artikel 3 des Vertrages heißt es ausdrücklich: »Von dem Inkraft treten der gegenwärtigen Übereinkunft an genießt ein bereits veröffentlichtes musikalisches Werk den Schutz, auch wenn es bis dahin mangels einesIausdrücklichen Verbotes gegen öffentliche Aufführung nicht^geschützti wch r (si msms jusgu' g, I 0 r s eile n' s t g, i b pas protsgss usw.). Drittens haben die Vertragsstaaten mit aller Bestimmtheit abgemacht, diesen vom Vorbehalt befreiten Schutz »von: Inkraft treten der gegenwärtigen Übereinkunft« an beginnen zu lassen, also vom 12. Juli 1908 an. Hätten sie den früheren Zustand als im Sinne der gegenseitigen Befreiung vom Vermerkszwang und des vollen llbersetzungsschutzes schon vom 1. Januar 1902 an ge ordnet angesehen, dann würden sie eben dieses Datum angenom men haben, denn auf ein Vorschieben des neuen Regimes vom 12. Juli 1908 auf den 1. Januar 1902 läuft diese Auslegung hinaus. Aber weder für das Ubersetzungs-, noch für das Auf führungsrecht wurde dieses letztere Datum festgesetzt. Im Gegen teil, in allen Berichten vor den Parlamenten ist nur davon die Rede, daß die Veränderungen zugunsten eines wirksameren Autorschutzes künftighin eintreten sollen, und ist für den Wortlaut der daherigen Bestimmungen das Futurum gewählt. So wird in bezug auf das Ubersetzungsrecht im Bericht an den belgischen Senat betont, daß die neue Bestimmung die bis jetzt durch Artikel 5 der Berner Konvention geforderte Benutzungsfrist von *) Irrtümlich spricht Herr Wauwermans in seinem Berichte (S. 15 u. 16) vom 6. Mai 1892, also vom Tage des Inkraft tretens des deutsch-amerikanischen Vertrages, als vom Ausgangs punkt dieser Schutzperiode, während diese erst mit dem 1. Januar 1902 beginnen konnte, als Deutschland den Aussührungsvor- behalt abgeschafst und den Übersetzungsschutz erweitert hatte. zehn Jahren wegräume (abrogs), und hinsichtlich des Aufführungs rechts wird gesagt, daß sie den Aufsührungsvermerk beseitige (gupprime)*). Endlich aber ist^es nach unserm Dafürhalten unmöglich, einen nunmehr direkt aufgehobenen Vertrag überhaupt noch in die Aus legung des neuen Vertrages hineinzuverwickeln. Der alte Vertrag von 1883, auf dessen Meistbegünstigungsklausel allein ein solches Vorschieben aufgebaut werden könnte, ist begraben und darf nicht wieder angerufen werden. Man dürfte unseres Erachtens nur in einem einzigen Falle einen toten Vertrag wieder aufleben lassen, wenil nämlich ein Eingriff in die Rechte von Komponisten vor dem 12. Juli 1908, also in der noch durch jenen Vertrag bestimmten Rechtslage stattgefunden hätte und die Verjährungsfrist für die Klagestellung gegen einen solchen Eingriff im Lande, wo der Schutz nachgesucht wird, noch nicht abgelaufen ist (Frist sowohl in Belgien wie in Deutschland: drei Jahre). In allen übrigen Fällen aber wird man sich, wenn Urheberrechtsverletzungen unter der jetzigen Ordnung Vorkommen, an den Wortlaut des neuen Ver trages halten müssen, der die bisherigen erlaubten Übersetzungen weiter toleriert und diejenigen Aufführenden — allerdings auch nur diese — gewähren läßt, welche Material ohne Verbotsver merk vor dem 12. Juli 1908 in ihrem Besitz hatten und dasselbe, mag es auch aus den Jahren 1902 bis 1908Aerrühren, nun zu öffentlicher Aufführung benutzen. * * Der Abschluß der drei Sonderverträge zeigt nur zu deutlich, wie verwickelt der gegenseitige Urheberschutz unter den Verbands ländern der Berner Union noch ist. Jeder Schritt, den künftig einer der durch diese Sonderabkommen mit Deutschlands ver bundenen Staaten auf diesem Gebiete tun wird, findet sofort seinen Widerhall in den Beziehungen zu derü Mitkontrahenten, wie wir dies hinsichtlich der Wirkungen des neuen französisch- ecuadorianischen Vertrages auf die^, deutsch-französischen Be ziehungen ausgeführt haben. Man wird deshalb jedes weitere daherige Vorgehen sorgfältig überwachen. Das^ eigentliches Fazit der nunmehr eingeräumten Konzes sionen wird sich erst nach der Berliner Konferenz und nach der eventuellen Ratifikation der dort gefaßten Beschlüsse ziehen lassen. Dann wird sich zeigen, ob diese neuen Verträge in ihren materiell rechtlichen Schutzbestimmungen überflüssig geworden sind und bis auf die Meistbegünstigungsklausel und die Regelung des Über gangsrechts verschwinden können oder nicht. Die Sonderver träge sind wichtige Vorläufer zur Berliner Konferenz. Es ist aber wohl denkbar, ja höchst wahrscheinlich, daß ihre Wirkungen diese Konferenz noch lange überdauern werden. Prof. Ernst Röthlisberger. Kleine Mitteilungen. * 4. deutsches Wachsest. (Vgl. Nr. 196, 206 d. Bl.) — Die Neue Bachgesellschaft hat es sich bekanntlich zur Aufgabe gemacht, durch die Einrichtung wandernder Bachfeste die Bachsche Musik zu beleben, die Werke des großen Meisters im deutschen Volke durch Aufführungen etnzubürgern und weiteren Kreisen un bekannt gebliebene Werke Bachs und seiner Zeit ans Licht zu ziehen. Das vom 3.—5. Oktober d.J. stattfindende 4. deutsche Bach fest in Chemnitz wird dazu beitragen, dieser Aufgabe gerecht zu werden. Das erste Kirchenkonzert in der St. Lukaskirche am 3. Oktober bringt unter der Leitung des Kantors Georg Stolz eine Aufführung der llraoll-Messe für Soli, Chor, Orgel und Orchester. Das am 4. Oktober folgende Kammermusik konzert bietet u. a. Bachs Hochzeitskantate »O holder Tag, er wünschte Zeit- für Sopran, sowie eine Reihe bisher unver- öffentlicher Solostücke für Klavier: Matthias Weckmann, Variationen *) Diese Zitate ließen sich aus den Berichten des Herrn Wauwermans noch vermehren, der aus Seite 16 und 17 des Berichtes die gegenteiligen Ausführungen des Oroit ä'llutsur ab druckt, wonach die neue Einrichtung vom Tage des Inkrafttretens der neuen Verträge an beginnt (s. v. ä'^. 1907, S. 126).