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Börsenblatt f. d. deutschen Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 4183 (vr. Oertel.) Urhebern wesentlichen Schaden zuzufügen. Am wenigsten weit geht von allen gestellten Anträgen der Antrag des Herrn Ab geordneten Wcllstein, dem wir auch in zweiter Lesung bereits unsere Zustimmung gegeben haben. Nach dem Antrag des Herrn Abgeordneten Wellstein würden nur die Anthologien freigelassen sein, die zu Gesangszwecken Verwendung finden können; natür lich nicht nur solche, die absolut nur für Gesangszwccke bestimmt sind, sondern wie ich schon sagte, diejenigen, welche zu diesem Zweck hauptsächlich Verwendung zu finden bestimmt sind. Nun gehe ich aber in der Auffassung und Interpretation des Antrags nicht so weit, wie der Herr Antragsteller selbst. Er ist so weit gegangen, daß er eigentlich keinen wesentlichen Unterschied zwischen seinem Antrag und dem Antrag des Herrn Abgeordneten Fischer, bezw. deni des Herrn Abgeordneten vr. Hasse sah. Das ist meines Erachtens doch nicht der Fall; eine Sammlung nach seinem An trag muß nach ihrer ganzen Art doch so beschaffen sein, daß ihre eigentliche Zweckbestimmung in der Benutzung bei Gesangs aufführungen liegt. In diesem Sinne bin ich für den Antrag, und ich würde mich, und ich glaube, auch die Mehrheit meiner politischen Freunde, damit begnügen können. Der Antrag Fischer geht nun einen Schritt weiter. Ec will eine Sammlung von Gedichten gestatten, frei lassen, wenn sie überhaupt zu einem eigentümlichen Literarischen Zweck veranstaltet ist. Ich muß dem Herrn Abgeordneten Eickhoff zugebcn, daß es innerlich nicht be gründet ist, hier eine Scheidung zu machen zwischen Gedichten und prosaischen Schriftwerken geringeren Umfangs. Es ist ebenso ein Bedürfnis, Gedichte in einer Anthologie aufzunehmcn und zu sammeln, wie es Bedürfnis sein kann, prosaische Schriftwerke kleineren Umfangs in eine solche Anthologie aufzunehmen. Des halb halte ich die Hinzufügung des Herrn Abgeordneten Eickhoff, wenn ich mich auf den Standpunkt des Herrn Abgeordneten Fischer vorläufig stelle, für gerechtfertigt und geboten. Beide wollen aber — und das ist für mich die Hauptsache —, daß die Zustimmung zu der Aufnahme in eine derartige Sammlung abhängig gemacht wird von der Zustimmung des Urhebers, so lange er lebt, — also nicht von der Zustimmung des Verlegers, nicht von der Zustimmung dessen, dem das Urheberrecht übertragen worden ist, sondern nur von der Zustimmung des Autors so lange er persönlich seine Einwilligung geben kann, d. h., so lange er noch lebend ist. Das ist für mich die unbedingt notwendige Voraus setzung, wenn ich mich auf den Boden des Antrags der Herren Abgeordneten Fischer-Eickhoff stellen soll. Ich meine, wenn wir dem Antologieherausgeber schon die Ermächtigung erteilen, mit dem geistigen Eigentum, das noch nicht gemeinfrei ist, nach Be lieben schalten und walten zu können, so ist es eine Pflicht der Billigkeit, daß wir dem Autor bei seinen Lebzeiten die Möglichkeit gewähren, die Aufnahme seiner Werke in einer Anthologie zu verhindern, beziehentlich zu gestatten. Das ist für mich das Allerwesentlichste. Sollte dieser Zusatz nicht angenommen werden, so würde für mich die Annahme des Antrags Fischer unmöglich sein. Dasselbe gilt von dem Antrag des Herrn Abgeordneten vr. Hasse, der nun noch einen Schritt weitergeht als der Antrag des Herrn Abgeordneten Fischer allein. Kombiniert man aber die Anträge der Herren Abgeordneten Fischer und Eickhoff, so kommt der Antrag des Herrn Abgeordneten Hasse in seinem ersten Absätze heraus. Durch Hinzufügung des Antrags der Herren Abgeord neten vr. Müller (Meiningen) und vr. Esche wird dann auch der zweite Satz des Fischerschen Antrags ergänzt; und es ergiebt sich, daß der Antrag Fischer-Eickhoff in seinem ganzen Wesen, in seiner ganzen Auffassung vollkommen identisch ist mit dem Antrag Hasse- Esche-Müller. Was ich also von dem Anträge des Herrn Ab geordneten Fischer gesagt habe, gilt auch von dem des Herrn vr. Hasse. Er würde für mich unannehmbar sein, wenn nicht der Zusatz der Herren Abgeordneten vr. Esche und vr. Müller an genommen würde. Wir müssen die Aufnahme von Werken in Anthologien, wenn wir sie gestatten wollen, wenigstens von der Zustimmung des lebenden Urhebers abhängig machen. Wir geben den Herausgebern der Anthologien ohnehin einen weiten Spiel raum. So lange der Urheber lebt, hat er ein Interesse und ein Recht, selbst zu gestatten, ob eines seiner Werke ausgenommen werden darf. Er wird es gestatten, wenn er sich für sich und die Allgemein heit davon Nutzen verspricht. Er wird die Aufnahme verhindern, wenn in der Persönlichkeit des Herausgebers keine Gewähr geboten wird, daß die Anthologie ihm selbst und der Literarischen Gesamt heit nützt; und das muß doch unser Zweck sein. Es sind in den letzten Jahrzehnten Anthologien fabriziert worden — ich brauche den Ausdruck: -fabriziert, absichtlich —, die weiter keinen Zweck und auch weiter keinen Erfolg hatten, als dem Herausgeber uud dem Verleger eine gute Menge klingenden Lohnes einzubringen. Sie hatten weder einen eigentümlichen, be sonderen Zweck, noch hatten sie eine hervorragende Literarische Be deutung; sie erreichten weiter nichts, als daß sie den Absatz der einzelnen Werke der einzelnen Autoren wesentlich beschränkten. Das wird bis zu einem gewissen Grade verhindert, wenn wir zu dem Antrag vr. Hasse den Antrag Müller-Esche annehmen. Ich werde also in erster Linie für den Antrag des Herrn Ab geordneten Wellstein stimmen. Da aber sicher' der Antrag des Herrn Abgeordneten Hasse beziehentlich der des Herrn Fischer vorher zur Abstimmung kommt, so würde ich zunächst für den Eventual antrag Müller-Esche stimmen und nur in diesem Falle mich bereit erklären können, für den Antrag Hasse zu stimmen. Sollte der Zusatzantrag Müller-Esche abgclehnt werden, so würde ich zu meinem Bedauern nicht in der Lage sein, für den Antrag Hasse stimmen zu können, weil er meines Erachtens sowohl die Rechte des Urhebers wesentlich verletzt, als einem dringenden Bedürfnis der Litteratur und der Gesamtheit nicht entspricht. Um nun aber die Anthologieherausgeber nicht unnötig zu be lästigen, habe ich mich entschlossen, im Verein mit Herrn vr. Müller (Meiningen) und meinem politischen Freunde Herrn Schrempf dem Antrag Müller (Meiningen) eine kurze Bestimmung derart hinzu zufügen, wie wir sie bereits in Z 24 in zweiter Lesung angenomnien haben, daß nämlich die Genehmigung des Urhebers für erteilt gilt, wenn der Herausgeber innerhalb einer bestimmten Frist, etwa 4 Wochen, eine Antwort nicht erhalten hat. Ich glaube, damit wird allen berechtigten Interessen Genüge gethan, sowohl der Autoren, die freilich nicht damit zufrieden sein werden — wir werden auch mit dieser Beschlußfassung in Teufels Küche kommen, das kann ich Ihnen schon heute in Aussicht stellen —. als auch den Interessen der Gesamtheit und der Literarischen Entwickelung. (Bravo! rechts.) Präsident: Der Antrag der Herren Abgeordneten Schrempf, vr. Oertel und vr. Müller (Meiningen) Legt nunmehr vor. Der selbe lautet: Der Reichstag wolle beschließen: dem Anträge vr. Müller (Meiningen) Nr. 289 der Druck sachen noch weiter zuzusetzen: Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Urheber nicht innerhalb eines Monats, nachdem ihm von der Absicht des Verfassers Mitteilung gemacht ist, Wider spruch erhebt. Dieser Antrag bedarf noch der Unterstützung. Ich bitte diejenigen Herren, welche den Antrag unterstützen wollen, sich von ihren Plätzen zu erheben. — (Geschieht.) — Die Unterstützung genügt. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bcckh (Coburg). Beckh (Coburg), Abgeordneter: Wie Ihnen schon bei der zweiten Lesung bekannt gegeben worden ist, hat unsere Kommission sich mit Z 19 eingehend wiederholt beschäftigt, und nach meinem Geschmacks wäre es auch das Richtigste, wenn wir bei den Kommissionsbeschlüssen einfach stehen blieben. Der -eigen tümliche Literarische Zweck-, das ist ein Begriff, mit dem der Richter schwer sich abfinden kann. (Sehr richtig!) Was ist -eigen tümlich»? Wir haben ja schon in der Judikatur verschiedene Widersprüche deshalb erleben müssen, und auch in Zukunft wird die Judikatur in Verlegenheit geraten, was sie unter einem -eigentümlichen Literarischen Zweck» verstehen soll. Das ist bisher meistens der gewesen, daß irgend ein Schriftsteller oder Schriftstellereiverständiger sich daran gemacht hat, eine Auslese aus den besten Gedichten und Aufsätzen verschiedener Autoren zusammenzustoppeln und mit Hilfe des Verlegers sich ein hübsches Geld zu Händen zu stellen, und wenn heute Wackernogel und andere Namen genannt sind, so werden diese hier ja über haupt nicht getroffen, weil dieselben ja nur für Unterrichtszwecke Anthologien herausgegeben haben. Für Unterrichtszwecke hat aber die Regierungsvorlage, wie die Kommission bereits die Aus nahme gegeben, und deshalb erachte ich es in der That nicht für nötig und angebracht, auf solche Anthologien sich zu beziehen. Mein verehrter Freund Eickhoff, welcher insbesondere darauf hingewiesen, hat zur Rechtfertigung seines Antrags betont, daß »pädagogische Zwecke- insbesondere bei solchen Anthologien ver folgt werden, hat aber dieses ausgedehnt auf das ganze deutsche Volk. Nun, meine Herren, es mag ja sein, daß ein Teil unseres deutschen Volkes immer noch pädagogisch geführt werden muß, aber im allgemeinen hört doch die Pädagogie in einem ge wissen Alter auf. Es giebt aber Anthologien, die mit der Pädagogie absolut gar nichts zu thun haben, sondern in ganz anderer Richtung die Zusammenstellungen" bringen, und das ist dann eben auch noch ein -eigentümlicher Literarischer Zweck». Es ist also in der That meines Erachtens sehr gefährlich, wenn wir eine solche Bestimmung in unser Gesetz hereinbringcn. Das läßt sich denn doch nicht leugnen, daß es an sich — mag man es Raub oder Diebstahl heißen — eine Entwendung von geistigem Eigentum, von geistigen Produkten ist, wenn mau in eine Anthologie gerade natürlich hervorragende Gedichte, Aufsätze u. s. w. 546'