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auch gar nicht orientiert waren? — Mir erscheint — selbst redend abgesehen von meiner Person — der Weg, den der Börsenvereinsausschuß eingeschlagen hat, als der allein mög liche und allein richtige; so auch wurden meine Aus führungen auf Herrn Stahls Eiuwurf allgemein aufgefaßt. Ein weiterer Punkt, der notwendig hier einer Betrach tung unterzogen werden muß, ist die Ausführung, daß sich ältere Gehilfen, die im Vereinsleben stehen, deshalb nicht zur Rückkehr zum »alten Zopf des Prüfungswesens« ent schließen können, weil das Angebot tüchtiger Gehilfen nicht mehr die Nachfrage decke! Wenn nun in der Thal ältere Gehilfen, die Interesse und Begeisterung am Berufe haben, derartige Erscheinungen betrachten und nach deren Ursachen forschen, um Mittel zur Abhilfe zu finden, so können sie doch nicht ihre ernsten Erwägungen dadurch dokumentieren, daß sie sich von einer Körperschaft fernhalten, die sich die Behandlung und Heilung solcher Krankheitserscheinungen ernstlich als Zweck vorhält. Ich meine, die Anschauung des Herrn ?. sei darum doch zu optimistisch! Haben die bewährten Gehilfenveieine thasächlich solche Schäden erkannt, waren ihre älteren Mitglieder durch ihre Erfahrungen zur Erkenntnis des Sinkens des zum Betriebe des Buchhandels durchaus nötigen tüchtigen Gehilfenstandes gekommen, so war es längst ihre heilige Pflicht, diese Thatsachen — diese Erkenntnis — der Oeffentlichkeit zu übergeben und mitzuarbeiten beim Auf finden von Heilmitteln! Sie haben das nicht gethan — warum sollten sie im Ausschüsse des Börsenvereins eine Vertretung haben? — Ein öffentliches Interesse an solchen Fragen haben sie bisher nicht gezeigt — wie hätte man überhaupt zu Vertretern gelangen können? Ich will schließen! Eine Bitte aber möchte ich noch aus sprechen: möchten doch recht viele Handlungsbesitzer und Gehilfen (auch Lehrlinge) gründlich und eingehend die Ver handlungen des Lehrlingsausschusses lesen — dieses Lesen wird doch vielleicht manchen aufrütteln — schon das wäre ein Vorteil. Tübingen. H. Hermes. Kleine Mitteilungen. Vom Reichstag. Postgesetznovelle. — Der deutsche Reichstag nahm am 21. d. M. in dritter Lesung den Gesetz entwurf, betreffend einige Aenderungen der Bestimmungen über das Postwesen, an, und zwar Artikel 1 und 2 unverändert nach den Beschlüssen zweiter Lesung, Artikel 3, 4, 5 mit verschiedenen Aenderungen. Die Gesamt-Abstimmung wurde der Aende- rungcn wegen einstweilen ausgesetzt und auf den 23. November anbcraumt. Zur Auslegung von 8 11 des Preßgesetzes. — Der Vos- sischen Zeitung entnehmen wir folgenden Bericht über eine wichtige Gerichtsentscheidung: Die grundsätzliche Frage, ob und in wieweit der Redakteur einer Zeitung verpflichtet ist, die Berichtigung einer Berichtigung aufzunchmen, beschäftigte am 18. d. M. die 8. Strafkammer des Landgerichts I in Berlin. Die-Vossische Ztg.» brachte in ihrer Nr. 261 vom 9. Juni einen Bericht über eine in den Germaniasälen ab- ehaltene Versammlung, in der es zu heftigen Auftritten zwischen em Vortragenden, Naturheilkundigen Max Canitz, und dem prak tischen Arzt vr. Echtcrmeyer gekommen war. Der Bericht rührte von vr. Echtermeyer her. Herr Canitz sandte darauf auf Grund des § 1l des Preßgesetzes eine Berichtigung ein, die auch Auf nahme fand. Als darauf vr. Echtermeyer eine Berichtigung dieser Berichtigung verlangte, lehnte der verantwortliche Redakteur Herr Stephany dies aus formalen und prinzipiellen Gründen ab. Die Folge war eine Anklage wegen Ucbertretung des ß 11 des Preßgesetzes. Das Schöffengericht sprach den Beschuldigten frei, weil er in gutem Glauben gehandelt habe, ordnete aber die nachträgliche Aufnahme der Berichtigung des vr. Echtermeyer an. Wegen dieses Teiles des Urteils hatte Herr Stephany Berufung eingelegt. Er erklärte, daß er aus formalen wie aus materiellen Gründen die Berichtigung abgelehnt habe. Aus formalem Grunde, weil der Kläger in seinem Bericht schon genugsam zu Worte gekommen sei und die Berichtigung überflüssige Dinge enthalten habe. Be sonders halte sich der Angeklagte aber aus materiellen Gründen zur Aufnahme der Berichtigung einer Berichtigung nicht für ver suchtet. Er sei verantwortlich für den Inhalt der Zeitung, aber sei er auch verpflichtet, Berichtigungen falscher Nach richten aufzunehmen. Ganz anders stehe er einer Berichtigung gegenüber. Nach bisheriger Spruchpraxis der Gerichte habe er kein Recht, eine Berichtigung aus ihren Inhalt zu prüfen; genüge sie nur in formaler Beziehung den gesetzlichen An forderungen einer Berichtigung, so müsse er sie aufnehmen, selbst wenn es zweifellos sei und er urkundlich Nachweisen könne, daß die Berichtigung unrichtig sei. Angeklagter setze den Fall, er würde heute fretgesprochen und teile dies morgen in der -Vossischen Zeitung, mit. Wenn es dann dem Kläger einfalle, der »Vossischen Zeitung, eine Berichtigung einzusenden, er, der Angeklagte, sei nicht freigesprochen, sondern im Gegenteil verurteilt worden, so sei derselbe Gerichtshof, der das freisprechende Urteil gefällt habe, wenn diese Sache wieder vor sein Forum komme, nach bisheriger Spruchpraxis genötigt, den Angeklagten zur Aufnahme der falschen Berichtigung zu verurteilen. Dadurch werde der K 11 des Preß- gesctzes geradezu auf den Kopf gestellt und vereitelt. Zwinge ihn aber so das Gesetz oder die bisherige Spruchpraxis dazu, gegen seinen Willen ein Unrecht zu begehen, so könne man ihn für dies Unrecht, für das er keine Verantwortung trage, nicht haftbar machen und zur Verantwortung ziehen. Für die Berichtigung einer Berichtigung sei nur der Einsender verantwortlich, nicht der Redakteur, der sie nur gezwungen aufnehme. Möge der Einsender einer Gegenberichtigung sein Recht suchen, wo er wolle, dem ver antwortlichen Redakteur könne dafür keine Buße auferlegt werden. Mit der Aufnahme der ersten Berichtigung sei der 8 11 erfüllt; über diese Berichtigung hinaus könne ein weiterer Anspruch gegen den verantwortlichen Redakteur nicht erhoben werden. Rechtsanwalt I)r. Marwitz war gleichfalls der Ansicht, daß 8 11 nur den Sinn des .audiatur st altsra pars" haben könne, denn sonst könnte die Berichtigung bis in alle Ewigkeit fortgesetzt werden. Aber auch in formaler Beziehung sei der Beschuldigte zur Aufnahme der Berichtigung des vr. Echtermeyer nicht ver pflichtet gewesen, denn sie habe keine neue Thatsache enthalten, wohl aber eine Beleidigung. Staatsanwalt Krebs erkannte an, daß das ewige Berichtigungs wesen für den Redakteur einer Zeitung eine ungeheure Belästigung darstelle, meinte aber, daß die sehr überzeugenden Ausführungen des Beschuldigten am Platze wären, wenn es sich äs IsZs ksrsnäa handelte. Das Gesetz liege nun aber einmal in festem Wortlaute vor, und deshalb müsse er Verwerfung der Berufung beantragen. Das Gericht erkannte unter Aufhebung des ersten Urteils und Freisprechung des Beschuldigten an, daß der Angekagte auch zur nachträglichen Aufnahme der Berichtigung nicht ver pflichtet sei. Der Grundgedanke des 8 11 sei der: cs solle das rein formale Recht eines Angegriffenen, sich zu verteidigen, gewahrt werden. Da hier Herr vr. Echtermeyer den ersten Artikel verfaßt hatte, so stand das formale Recht einer Berichtigung Herrn Canitz zu, und die Sache war damit erledigt, da beide Teile gehört worden waren. Anders würde die Sache liegen, wenn etwa der Redakteur, über die Berichtigung hinausgehend, noch weitere Bemerkungen daran geknüpft hätte. Der Angeklagte war daher zur Aufnahme eines neuen Artikels des vr. Echtermeyer nicht verpflichtet. Ab gesehen hiervon war er aber zur Ablehnung der Aufnahme der Berichtigung unter allen Umständen auch aus dem Grunde be rechtigt, weil sie einen strafbaren Inhalt hatte. Die Kosten des Verfahrens wurden der Staatskasse auferlegt. Aufhebung des Zeitungs- und Kalenderstempels in Oesterreich. — Der von der österreichischen Regierung beim Reichsrat eingebrachte Gesetzentwurf, betreffend die Aufhebung des Zeitungs- und Kalenderstempels, ist vom Abgeordnetcn- hause am 17. d. M. in zweiterund dritter Lesung angenommen worden. Berichterstatter war der Abgeordnete Vr. Sokolowski, der im Namen des Ausschusses unter dem Beifall des Hauses den Gesetzentwurf mit folgenden Worten zur Annahme empfahl: »Hohes Haus! Es herrscht in diesem Hause eine solche Ein mütigkeit bezüglich der Aufhebung des-Zeitungs- und Kalender stempels, daß ich es für überflüssig halte, mit vielen Worten den Antrag des Preßausschusses zur Annahme zu empfehlen. Die dringliche Behandlung des in Rede stehenden Gegenstandes hier im hohen Hause, die Diskussion im Preßausschusfe und der dort fast einstimmig gefaßte Beschluß, die Regierungsvorlage sofort ohne jede Aenderung zum Gesetze zu erheben, beweisen, daß so ziemlich alle Parteien dieses Hauses darin einig sind, den Zeitungs und Kalenderstempel, der im Mai des laufenden Jahres sein llOjähriges Jubiläum gefeiert hat, in den wohlverdienten Ruhe stand zu versetzen und die gesamte Presse von der lästigen Abgabe zu befreien. -Im Vergleiche mit der mühseligen Arbeit des Preßausschusses