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ISS, 4. Juli 1912. Nichtamtlicher Teil. virimdlau s. d. rtschn. «nqr-ndü. 8077 führung seiner Studien, der Verleger mehr auf das Ge meinsame als wichtig für den »Konkurrenz«begriff. Nach 8 2 des VG. hat sich der Verfasser jeder Vervielfältigung und Verbreitung »des Werkes« zu enthalten. Aber was ist Werk? Ist Müllers Lehrbuch der Chemie dasselbe Werk, ob es größer oder kleiner ist? Das VG. sagt nichts darüber. Nehmen wir an, es handle sich um eine eigentümliche Schöpfung bei dem Konkurrenzwerk, so verletzt, wie die Wissenschaft nun aus Selbsthilfe schon festgestellt hat, der Verfasser zwar nicht das Verlags recht, soweit er eben urheberrechtlich für sein neues Werk eigenen Schutz genießt, Wohl aber verletzt er den Ver lags Vertrag, und zwar aus allgemein vertragsrechtlichen Gründen, da er des Verlegers vertragliche Pflicht zur Ver breitung beeinträchtigt und die Grundsätze von Treu und Glauben verletzt. Aber man sieht schon, wie wenig aussichts reich gerade diese Hilfsmittel sein müssen. Das VG. läßt da völlig im Stich: es kennt das Problem, das hier auftaucht, gar nicht, hat den schwankenden Charakter des Begriffes »Werk« gar nicht erfaßt und ist in seiner völligen Dienerschaft unter dem Urheberrecht an diesen Fragen achtlos vorbeigegangen. Der Verfasser veröffentlicht also das neue Werk, das seinem eigenen Konkurrenz bereitet, und der geschädigte Verleger kann gar nichts dagegen tun. Gerade infolge seiner Abhängigkeit von urheberrechtlichen Grundsätzen sind in die verlagsrechtlichen Verhältnisse Schwie rigkeiten gekommen, die oft recht bedeutend sind. Ein krasses Beispiel ist ja jüngst praktisch geworden bei der Auffindung des Ur-Meister. An welchem »Werke« war denn da ein Ver lagsrecht zu erwerben? Die Streitfrage der Lüitio xrlneeps hängt gerade mit dieser Zweifelhaftigkeit des Begriffs »Werk« zusammen, und die Vermutung des A 29 UG., daß das Ur heberrecht dem Eigentümer des Werkes zustehe, ändert sich, je nachdem man das Eigentum an dem Werk als Manuskript oder als Geistesprodukt darunter versteht. Eigentümer des Werkes als Geistesprodukt waren die Goetheschen Erben, Eigentümer des Werkes als Manuskript die Barbara Schultheß und ihre Erben —, und der Herausgeber hatte gar kein Recht, obwohl er vielleicht der Entdecker, derjenige war, der den Schatz geistig gehoben hat. Das VG. bemüht sich nun wenigstens, »Werk« und »Bei trag« scharf voneinander zu scheiden; nicht immer, aber doch im allgemeinen mit Erfolg. Die Grundsätze (K 1 usw.) gelten für selbständige Werke und für Beiträge. Aus der Tatsache, daß 8 18 ausdrücklich seine Vorschrift, die er für Werke gibt, auf Beiträge ausdehnt, ist natürlich nicht zu schließen, daß alle anderen Bestimmungen nicht für Beiträge gelten sollen. Aber man sieht doch, wie das alles recht sehr durchein andergewürfelt ist, und so kommt es schließlich zu einer Streit frage über den Z 47, der mit seinen verschiedenen Auslegungen eine Crux für die Praxis werden — müßte, wenn die Verlags- Praxis nicht längst, um die Klippen des VG. zu umschiffen, möglichst für jedes Geschäft besondere Verlagsverträge ab schlösse und Autonomie an die Stelle der dispositiben Gesetzes bestimmungen gesetzt hätte. Aus dem 8 47 hat man bisher stets herausgelesen, daß Beiträge zu enzyklopädischen Sammel werken vom Verleger nicht vervielfältigt und verbreitet wer den müßten, daß seine im Z 1 VG. als essentiell festgesetzte Pflicht hier aussällt und — mithin! — man es in solchen Fällen gar nicht mit Verlagsverträgen und dem Entstehen eines Verlagsverhältnisses zu tun hat. Dieses Ergebnis ist mit der Praxis schlechthin nicht zu vereinigen, wie ich versucht habe in einem Aufsatz in Gew.Rsch. u. UrhR. 1911, Heft 4 ausführlich darzulegen. Ich führte dort aus, daß die Aus legung des Z 47 als einer deutlichen Ausnahmevorschrift ganz eng sein müßte und daß, wenn man das Ganze des Gesetzes, nicht den Buchstaben des Paragraphen allein entscheiden lasse, die Bestimmung des Z 47 auf diejenigen Fälle zu beschränken sei, in denen der Verfasser nach genauem Plane eine Art niede rer Arbeit verrichtete, die sich aber ihrerseits ebenso gut auf selbständige Bücher wie auf Beiträge zu Sammelwerken be ziehen kann. Das läßt sich auch aus dem Wortlaut des Para graphen, wenn man sich nur bemüht, das bisher durch die communis opinio genährte Vorurteil beiseite zu setzen, sehr gut herauslesen, und es trifft vor allen Dingen den Zweck und Sinn des ganzen Verlagsrechtes alsdann weit besser. Der K 47 VG. schafft eben gar nicht Sonderrecht für bestimmte Kategorien von Arbeiten (Beiträge zu Sammelwerken), son dern er stellt ein für alle Kategorien (Werke und Beiträge) gültiges vernünftiges Prinzip aus. Der Verfasser gibt ein geistiges Gut in einer Form (^), der Verleger übernimmt es, um es in einer zweiten Form (L) erscheinen zu lassen; an der Form ^ erhält er Nießbrauch, an der Form L Eigen tum; nur wo an der Form ein geistiges Recht besteht, ist es möglich, ein Verlagsrecht zu geben. Bei niederer Arbeit — und nur bei solcher — fehlt jenes Verfasserrecht an der Form und das Gesetz überantwortet dann solche Fälle dem Werkvertragsrecht. Durch diese m. E. richtige Auslegung läßt sich der 8 47 für die Praxis retten, aber er ist bisher durch die herrschende Auslegung schon so desavouiert worden, daß weder der Verleger noch die Verfasser sich bei ihrer Mit arbeit an enzyklopädischen Werken den Klippen des VG. aus setzen wollen, sondern daß es eben stehende Gewohnheit ge worden ist, besondere Verlagsverträge abzuschließen, die da einsetzen, wo das Gesetz im Stiche läßt. Ein ähnliches Konstruktionsspiel mit dem Lsssntinlo noZotii hat das Gesetz auch im 8 45 nahegelegt und auch diesen dadurch zu einem Rätsel für die Praxis gemacht. Nach Z 45 steht dem Verfasser eines Beitrags für ein perio disches Unternehmen (Zeitung, Zeitschrift usw.) ein Anspruch auf Veröffentlichung und Verbreitung nur zu, wenn der Bei trag unter Angabe eines Erscheinungstermins akzeptiert wor den ist. Der Verleger soll also, falls er nicht für einen be stimmten Zeitpunkt die Veröffentlichung der Arbeit zugesagt hat, von seiner Verpflichtung zur Veröffentlichung und Ver- breitung los und ledig sein. Aus dieser Vorschrift des Ge setzes hat man herleiten wollen, daß ein solcher Vertrag über Beiträge für Periodica gar kein Verlagsvertrag sei, weil ja ein Lsssntials negotii (Veröffentlichungspflicht) wegfalle. Ich habe an anderer Stelle bereits näher ausgeführt (Hand wörterbuch d. Staatswiss., Art. Verlagsrecht), daß ich — über einstimmend mit Röthlisberger — diese Ansicht für falsch halte, und daß es sich hier nur um eine spezielle und streng auszu legende Ausnahmevorschrift handeln kann, die zwar dem Ver fasser einen Anspruch auf Veröffentlichung versagt, aber die Qualität des Vertrages im übrigen nicht berührt. Denn niemand wird sagen, daß der dann doch veröffentlichte Beitrag nicht auch verbreitet werden müßte u. dgl. m. Aber man sieht wieder, zu welchen praktischen Schwierigkeiten das Spiel mit dem »Ls86ntiir1s nsgotii«, überhaupt mit der Konstruktions jurisprudenz führt. Die Praxis geht den einzig gangbaren Weg, indem sie sich der Zwickmühle, die das Gesetz hier gibt, überhaupt entzieht. Denn hat der Redakteur geantwortet: ich akzeptiere Ihren Beitrag und werde ihn bringen, sobald ich Platz habe — oder hat er geantwortet: ich akzeptiere Ihren Beitrag und werde ihn in zwei Monaten bringen — so soll nach der herrschenden Meinung in dem einen Falle ein Werk vertrag, in dem anderen ein Verlagsvertrag geschlossen wor den sein; in dem einen Falle soll die Zeitung die Pflicht, den Beitrag zu veröffentlichen, übernommen haben und im Nicht- deröffentlichungsfalle auch Schadenersatz zahlen, im anderen Falle nur das Honorar zu zahlen verpflichtet sein. Die Folge ist, daß die Redaktionen überhaupt nicht mehr Zusicherungen über Zeitpunkte der Veröffentlichung geben, ja noch mehr: daß 1052