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153, 4. Jult 1912. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Lych«. vuchhanoe^. 8081 Ablauf der Frist erteilte sie ihrem Anwalt den Auftrag, gegen L Klage zu erheben. Der Anwalt erhob nicht Klage, sondern forderte L. nur zur Zahlung auf. Sofort nach Empfang des Ausforderungsschreibens übersandte L. den Betrag dem I. Letz terer verlangte nunmehr die Erstattung der Mahnkosten des Anwalts im Betrage von 1.55 und erhob Klage, als die Er stattung verweigert wurde. Das Amtsgericht wies kostenfällig die Klage ab, mit folgender Begründung: »Der Klageanspruch ist unbegründet, die Beklagte ist nicht zum Ersatz der für die Mahnung entstandenen Portoauslagen verpflichtet. Da der Gläubiger das Recht hat, bei Verzug sofort zu klagen, so sind Mahnkosten ein Schaden, den nicht der Schuldner, sondern der Gläubiger selbst verschuldet hat. Hierzu kommt, daß nach den eigenen Angaben der Klägerin, sie die Beklagte schon mehrfach vergeblich gemahnt, auch ihrem Anwalt nicht den Auftrag zur Mahnung, sondern nur zur Klageerhebung gegeben hatte. In vorliegendem Falle kommt noch inbetracht, daß die Klä gerin der Beklagten Stundung und event. Einziehung durch Nachnahme nach Ablauf des 17. Juni 1911 bewilligt hat. zur Klageerhebung also kein Anlaß gegeben war. Nach H 91 C.P.O. trägt die Klägerin die Kosten des Verfahrens.« Hierbei beruhigte sich Klägerin nicht, sondern legte Berufung ein. Das Landgericht verwarf diese mit folgender, kurzer Be gründung: »Das Berufungsgericht tritt überall dem ersten Richter, auf dessen zutreffende Entscheidungsgründe deshalb einfach verwiesen werden kann, bei. Eine Mahnung durch den Anwalt der Klägerin am 16. Juni war weder nach den früheren Mahnungen erforderlich, noch entsprach sie den bindenden Er klärungen, die die Klägerin in ihrer Postkarte vom 14. Juni abgegeben hatte. Demnach war die Berufung unter der Kosten- solge des § 97 C.P.O. zurückzuweisen.« Das Ergebnis für I. war demnach, daß er über 30 ^ Prozeßkosten zu zahlen hatte. Dieser Ausgang wäre selbst dann nicht anders gewesen, wenn die Postkarte mit der Inaussicht stellung einer Postnachnahme nicht dazwischengekommen wäre, denn die Gerichte vertreten, wie eingangs bemerkt, in ihrer über wiegenden Mehrheit den Standpunkt, daß der Gläubiger, der sich eines Anwalts zur Erlassung eines Mahnschreibens bedient, die hierdurch entstehenden Kosten selbst zu tragen hat. Das Gegenteil ist der Fall, wenn der Gläubiger einen Anwalt mit Klageerhebung beauftragt und die Klage auch wirklich erhoben wird. Rechtsanwalt vr. Königsberger in Frankfurt a. M. Bücherdiebftahl. — Wie uns die Kriminalabteilung des Polizeiamts der Stadt Leipzig mitteilt, hat sich die Notiz in Nr. 147, den Diebstahl eines alten Buches mit 12 Silhouetten aus dem Goethekreis betreffend, das angeblich aus der Samm- lung Lanna-Prag stammt, durch Wiederherbeischaffung des Buches erledigt. Nicht erledigt hat sich aber dadurch die Mitteilung der Firma Gilhofer L Ranschburg, Wien (vgl. Nr. 151), in der die Echtheit des Buches und seine Herkunft bestritten werden. Sine Neuerung an der Hallescheu Universität. — An der Halleschen Universität wird, zum erstenmal an einer deutschen Universität, im kommenden Wintersemester ein Repetitionskursus eingerichtet. Die Professoren Fehr, Pagenstecher, Raape und Privatdozent Polenske halten einen Repetitionskursus in Frage und Antwort über römisches Recht, deutsche Rechtsgeschichte, deutsches Privatrecht, Bürgerliches Gesetzbuch und Handelsgesetz. Das Ministerium sichert tatkräftige Unterstützung zu und wird voraussichtlich offizielle Repetitionskurse auch an anderen Uni versitäten zur Einführung bringen. Von der Bngra. — Die Internationale Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik wird, wie nunmehr endgültig beschlossen ist, auch eine Historische Abteilung enthalten. Während die buchgewerblich-graphischen Sondergruppen mit ihren technisch belehrenden Ausstellungen größtenteils retrospektive Ausstellungen ihres Spezialstoffes enthalten werden, z. B. Entwicklung der Schrift,der Schreibstoffe,derFarbenbereitung, der Photographie, der Photomechanik, des Schriftschnittes, des Druckes, der Buchbinderei, handelt es sich hier um die Errichtung einer Halle der Kultur, in der in einheitlich-geschlossenem, chronologisch-universalgeschichtlichem Zusammenhang die Entwicklung der Kultur dargestellt werden Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 79. Jahrgang. wird, wie sie sich in Entstehung, Entwicklung und Wandlung buchgewerblich-graphischer Betätigung im weitesten Sinne nieder geschlagen hat, angefangen bei den Resten vorgeschichtlicher Zeit und der Veranschaulichung der einschlägigen Verhältnisse bei den primitiven Völkern über die Kulturvölker des alten Orients und der griechisch-römischen Welt hinweg durch das Mittelalter hindurch di- in unsere Gegenwart, ja in zukünftige Bildungen hinein, vor deren Keimen unsere Gegenwart steht. Die geschichtliche Ab teilung wird also keine Bücher-, Handschriften- oder Bilder ausstellung sein. Es handelt sich vielmehr einmal um die Ent wicklung der Mittel und Werkzeuge, mit denen geistige Werte über Raum und Zeit hin vermittelt werden, und sodann darum, wie die Herstellung und das Erzeugnis, der Vertrieb und die Lektüre in den verschiedenen Zeiten gestaltet war, und um die Veranschaulichung dessen in einheitlichen Kulturbildern. Die Organisation der geschichtlichen Abteilung ist in die Hand eines Ausschusses gelegt, dem bisher folgende Herren angehören: Geheimrat Professor vr. Lamprecht (Vorsitzender), Professor vr. Witkowski (stellvertretender Vorsitzender), Geheimrat Professor vr. Sudhoff, Professor vr. Weule, Direktor des Museums für Völkerkunde in Leipzig, und I)r. I. Goldfriedrich. Rousseaufest iu Genf. — Der 200. Geburtstag des »größten Bürgers von Genf« wurde von der Genfer Bürgerschaft in einem dreitägigen Fest gefeiert. Die ersten beiden Tage waren dem wissenschaftlichen Teil gewidmet. Sie bestanden in Gedenkfeiern, Vorträgen und Reden, wobei Prof. Schultz-Gora von der Universität Straßburg Deutschland vertrat. Rousseaus »Dorfwahrsager« und »Pygmalion« wurden auf einem eigens dazu errichteten Natur theater mit verdecktem Orchester ohne irgendeine Kürzung mit allen Tanzeinlagen nach der Originalpartitur aufgeführt. Der 29. Juni war hoher Staatsfeiertag. Glockenklang und Artilleriesalven leiteten ihn ein. Die Stadt war aufs prächtigste geschmückt. Auf der im Geschmack des 18. Jabrhunderts dekorierten Rousseauinsel fand der offizielle Festaktus statt. Einen eigentümlichen Anblick boten die »danguetg ck63 guartiere«, die unter freiem Himmel auf hölzernen Tischen abgehalten wurden. Ein großartiger Festzug mit (über 15 000 Teilnehmern war der Glanzpunkt de- Tages. Auf der Ebene im Plain-Palais fanden Reigen und Gesänge im Kostüm des 18. Jahrhunderts statt. Aber ein plötzliches Gewitter machte allen Lustbarkeiten ein Ende. Wiukel-AnSstellnrig. — Von fragwürdiger Seite wird zurzeit von Brüssel aus für eine Spezialausstellung für Erfindungen aus allen Branchen Propaganda gemacht, die angeblich im Anschluß an eine internationale belgische Ausstellung des nächsten Jahres stattfinden soll. Die ständige Ausstellungskommission für die deutsche Industrie warnt dringend vor einer Beteiligung an dieser Spezialausstellung. Neue Bücher, Antnloge »sin. für vNchhSudier: lA. ^16 8.^o^ ^ ^ Das literarische Echo. Halbmonatsschrift für Literaturfreunde. Begründet von vr. Josef Ettlinger. Herausgegeben von vr. Ernst Heilborn. Verlag von Egon Fleischel L Co. in Berlin. 14. Jahr, Heft 19, 1. Juli 1912. Lex.-8°. Sp. 1323—1394 mit 1 Porträt. Inhalt: Martin Brusot, Der Epiker Brasiliens. — Oskar Walzel, Der Charakteristiker Erich Schmidt. — Julius Bab, Strindbergs Dramaturgie. — Hans Dünnebier, Zu den »Mißbrauchten Liebesbriefen« Gottfried Kellers. — Her mann Kienzl, Ein italienisches Buch über Friedrich Marx. — Walter Nithack-Stahn, Geschichten von und an der See. Pers onalnachrichteu. Angust Döring -j-. — Der Dozent der Philosophie an der Uni versität Berlin Professor vr. August Döring ist in Oporto, wo er sich bei seiner ältesten, dort verheirateten Tochter zur Erholung aufhielt, im 79. Lebensjahre an den Folgen eines Schlaganfalls 1053