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Nr. 14S. sMblattMdeOmtRellVuchhlmdel i t w kt" lich. ^! inner-^ilb ^dos^Deutjchen fesches. «Ri^tmitgNeder^iro ^ Aeil^berechaet. — 2n dem illustrierten Teil. ,u^ ^ ^r36^M?re" j?hrttch?Äach ^dem^Dus^and'^olgt Lieferung N DaUm15^^/^S.13!50M.^^!2S M^.V.^50M.-für Nicht" Z ^Z über L^pzig oder durchs Kreuzband. an^Nichtmit^lieder in Zj Mitglieder 40 -Pf.. 32 M.. 60 M.. 100 M. — Deilagen werden » Mitg?^der^ür"?ie^eÜe0^^^sär3ö M." 8 ^ für'/. 6.1? M. statt 18 M. Stellengesuche werden mit 10 Ps. pro MAeMinöMWnMeMö'MMWnBWUMr^ Leipzig, Sonnabend den 26. Juni 1915 82. Jahrgang. Redaktioneller Teil. Auf feldgrauer Straße. Erlebnisse eines Armierungssoldaten. Von Otto Riebickc. Motto: Glaubt, graben ist ein adelig Ge schäft. Hier ist der Spaten, tragt ihn wie ein Schwert. (Grillparzer: »Weh' dem, der lügt«. 8. Auszug, 1. Szene.) Eben schlägt die Uhr im Doppelklang aus der nahen Stadt- lirche die vierte Morgenstunde. Es ist noch still im Lazarettgarten; nur die Vögel singen im blühenden Busch, die Bienen summen in der Frühsonne, und der Wind rekelt sich behutsam in den Duft dolden des Flieders. Sonntag will es werden. Ein Sonntag, — der wievielte doch in Feindesland —, der nur den Namen trägt und kein Feier tagswesen kennt, der dahinrinnen wird wie Tag um Tag, Woche um Woche, Monat um Monat. Auch durch ihn wird viel junges Blut fließen, auch über ihn werden die Berichte des Abends kom men und von Gefechten und Schlachten sprechen, wie am Tage zu vor und am Tage nach ihm. Und wenn Ihr in der Heimat — man cher, der sorglos in den Mvntagmorgeu hineingähnt —vielleicht von der »unveränderten Lage« des Sonntags lest und die Zeitung mit dem Bedauern »Nichts Neues!« hinter das Montagsschild Eures Wandhalters steckt dann ist es doch manchmal nütze, dar über nachzudenken, daß wir hier draußen nicht feiern, daß die Granaten heulen, die Maschinengewehre hämmern, die Gewehre klopfen wie Wochentags und wie in »veränderter Lage« des Ge samtberichtes. Manche stumme Tragödie hat am stillsten Sonn tage ausgespielt und die Veränderung alles Denkens und Han delns in diese und jene, in viele Familien getragen! Sonntag will es werden. Im Lazarett schläft noch alles, träumt vielleicht von Schlacht und Heimat... Um mich herum atmet der Frühling. Ein Kätzchen kommt aus stillem Versteck, blinzelt ein Weilchen in die Sonne und beginnt mit dem langen Gurt meines blauweißcn Lazarettanzuges zu spielen. Ich helfe ein bißchen: so rum... und so rum... und nun aus den Rücken... und die Pfötchen vierelang gegen den Himmel gestreckt.... Rrrrr mein Kätzchen setzt die Beine russisch") und faucht aus sicherem Winkel gegen das Ungetüm, das sich eben schräg über die Häuser hinweg zum Himmel erhebt — eine deutsche Taube fliegt zur Front. Also Krieg! Doch Krieg, trotz Sonntag und Frühling! Bumbum... die ersten Schrapnells Platzen gegen den Flieger. Weitab. Aber der Schall kommt, und man sieht die Weißen Wölk- chen; eine steigt über die andere, aber keine findet das Flugzeug, das jetzt schon wie eine Libelle in den Strahlen der Morgen sonne verschwindet. Ich bin früh ausgeslanden, denn ich sollte meine stille Freude finden. Ich sollte ja wieder schreiben können, richtig schreiben können mit der rechten Hand, die mir damals die Granate zer schlagen hatte. Gestern ist mir die Schiene abgenommen worden und abends der Verband. Und nun spüre ich es in Heller Selig keit: es geht!, wenn auch noch langsam, aber es geht, und ich kann meine Gedanken wieder zu Papier bringen, und ich kann endlich "> Rückt aus. der Redaktion danken, daß sie mir durch Zusendung des redaktio nellen Börsenblattes die Brücke zur buchhändlerischen Heimat schlug. So lebe ich gedanklich in meinem schönen Berufe, wenn ich auch jetzt nur als »laienhafter Fachmann« zu gelten habe: denn die Schwungkraft des deutschen Verlagsbuchhaudels schleu dert uns schnell aus unserem beruflichen Wissen, wenn uns die tägliche Ergänzung der Praxis fehlt. Wie ich aber aus der Hei mat wissen will, so wollen die Zurückgebliebenen aus dem Felde wissen. Und darum spare ich es mir für später auf, berufliche Fragen zu erörtern, und will nur sagen, daß Georg Müllers Aufsatz »Das Ausland und wir« (warum aber nicht: Wir und das Ausland«) bei mir und meinen Lazarettlameraden, soweit ich mit ihnen literarisch disputiere, über die Anerlennung hinaus das Gelöbnis auslöste: Wir kämpfen nicht um »die« Kul tur, sondern wir kämpfen um die deutsche Kultur. Denn »die Kultur« — nämlich die Weltkultur — ist Schein gewesen; sie ist, getrieben durch Lug und Trug, jämmerlich an der Menschlichkeit zer schellt, die ihr Fundament hätte sein sollen. Wir bluten nicht um dieFataMorgana einer Weltkultur, deren Utopie uns bewiesen ist, wir bieten unsere Herzen nicht, damit uns Englän der, Russen, Franzosen, Italiener und Ameri ka n e r v i e l l e i ch t s p ä t e r d o ch c i n m a l (etwa durch Oden des Harlekins d'Annunzio) als ein, oder gar das Kul turvolk notgedrungen anerkennen — nein, wir bluten für unser geliebtes deutsches Vater land, das die Kultur trägt, die wir brauchen, die wir anerkennen, die uns an diesen gewaltigen Platz in der Welt gestellt hat, dessen Fundament die Wahrheit ist und dessen Schanzmauern wir Treue nennen! Kein Tropfen Blut, kein Finger Arbeit für »die Welt« — alles für uns! Sie mö gen betteln kommen, später, diese Geldgierigen und Hatzbetörten, diese Bestochenen und Treu losen. Aber keine Missionsarbeit mit deutscher Kultur unter diesen Kultur st aaten mehr! Nie mals mehr anbieten, was durch tränkt vom O p f e r b l u t e h e i l i g i n u n s e r e r M i t t c st e h t: die K ul- t u r, d i e deutsche Kultur! Ich bin Armicrungssoldat; ausgehobcn zur Waffe, kam ich zur »Schippe«. »— lind an der Front?« Jawohl, mitunter sogar davor! »— Und verwundet?« Auch das! »— Oha! hatte mir die Schipper doch anders vorgestellt, glaubte sie weit vom Schuß«. Sollten wir Kartoffeln buddeln oder Reklameschützengräbcn aus- wcrfen, wie in Bcrlin-Wcstend? »—Hm!« Dieses »Hm« ist die Ratlosigkeit in diesem kombinierten Gespräch — das allerorts geführt wird, wo man vom »Schippen« hört. Es gibt ja allerdings Armierungsbataillone, die weit frontab stehen, wieviel das aber sind, weiß ich nicht; man liest mitunter von ihnen recht gemütliche Briefe in den Tageszeitungen. Wir draußen an der Front haben weder das gemütliche Thema, noch die nötige Zeit. Und wenn wir sie uns mal von den übermüden Augen abstehlen, dann setzen wir nur kurze Lebenszeichen an die Lieben in der Heimat auf, das genügt uns. 921