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Nr. 287. tinnsr^i^d A«sche»^ rn^twttg^d^^lw ^ LeN^bscschaet. — In dem Nlustriect^i Teil: für Mitglisdee i^heMh.^e^ s; Ndum»-pj^N^S.».^M^Ee"M".q°S^öW.: jürMan" ^ UlAMumbMör1enmrUiL'öeMutWenBWMMler)uBM o-iozig. Montag den 11. Dezember >016. 83. Jahrgang. HkeDÄttisrielLer TetL Auf feldgrauer Straße. Aufzeichnungen von Otto Riebicke. Neue Folge (Westfront) Nr. XI. (X stehe Nr. 272.) Das Luxusauto. »Klärchen« ist noch nicht aufgestanden. Nein, Klärchen schläft noch im weichen, molligen Wolken bett und steckt nur ein paar rosige Finger hinterm Horizont vor. Die Luft ist auch noch frisch. Aber Lorenz, der Mond, erbleicht, wie es ein wohlgesinnter Liebhaber tun soll, der seine Geliebte im Schlaf überrascht. Eine schüchterne Blässe zieht sich über den markanten Nasenbogen in das verbummelte Viertelgesicht hinein. Da kommt ER, groß, mächtig, lärmend. Stotternd wie ein Kind, das Ungewohntes spricht, rattert er über das Holperpflaster des kleinen französischen Städtchens, das noch gar nicht seine Augen aufgemacht hat und die grünen Lider der Fensterchen bis auf die Wimpern der Simsblumen ge schlossen hält. Wir erkennen ihn gleich, wenn er auch nicht mehr kanarien gelb und mesfingblank ist . . . wie damals immer am Kurfürsten damm. Nein, unser sanfter »Luxus« war weder D.U., noch rekla miert, er wurde gleich ausgehoben und feldgrau eingekleidet, und nun haben 26 Kriegsmonate schon ihre Runen mit tiefen Schmarren in die Politur gekratzt, und die eine Seite zeigt das ausgcheilte Sieb einer bösen Schrapnellverwundung. Er hat tüchtig mitgeholfen, ein Teil vom Siege, erst in Rußland, dann im Westen, wieder in Rußland und wieder im Westen. Stolz wie ein Gefreiter trägt diese Berliner Kurfllrstenrange nun das Wappenschild der Bayern . . . .... aber das tut nichts! Die Seele ift's, woran man das! Wesen erkennt. Und also erkannten wir unseren Luxusomnibus ^ Linie Zeughaus—Kursürstendamm—Halensee an den ledernen! Sesseln. Vor sich und hinter sich einen Käse («Rundreisewagen), so! kommt er daher, hält und ladet uns auf. O du Berliner Schutzmann, was würdest du zu dieser Ver packung sagen!! Du würdest mit dem langen Zeigefinger deiner weißbehandschuhten Rechten Halt gebieten, indes die Linke schon nach Bleistift und Notizbuch sucht... du würdest Gottweitz- was tun. Ja, so fahren wir dahin, stehen wie die Heringe im Innern, liegen auf dem schaukelnden Verdeck, hängen am Trittbrett, nur damit wir von der Süd-Somme zur Nord-Somme kommen, von der wütenden Schlacht in die rasende. Unsere Gewehre klappern an der Außenwand, die Stahl helme läuten, die Tornister ächzen, vorn singen Drei das Lied vom Wiedersehn. Singen es immerzu . . . . . . und immmer wieder. Bis eine Granate schräg in den Straßenrand fährt .... . . . undwirhabenihnnichterkannt! Wir marschierten singend. Ich habe niemals Soldaten so schön mit dem Herzen singen hören wie damals — damals, als unsere Pionier-Kompagnie von der Somme fortmarschierte. Erst waren es schwermütige Lieder, gesungen im Gedächtnis der gefallenen Kameraden; dann wurden es leichte, lustige, von der Heimat, vom Wiedersehn und vom Mädel. Ein Tritt und eine Lust steckte in der Kompagnie, als ginge es durch das Brandenburger Tor! Und war doch nur die große Heerstraße von Bapaume! Und die Gewehre waren noch geladen . . . und die Stahlhelme klapperten . . . und die Tornister waren schwer, so schwer! Aber gesungen wurde, wie ich es niemals habe singen hören! Dazu spielte der Spätsommerwind im Telephonnetz dem munterwirbelnden Staub die Äolsharfe zum Tanz. Und einmal setzte sich, ja wahrhaftig! setzte sich ein ganz kecker Spatz auf den Gewehrlauf des rechten Flügelmanns und ließ was — ja also wirklich: der sang auch mit! Nachher flog er aber schnell weiter. Dann kamen wir durch ein sehr langes Dorf mit lauter Soldaten darin, oder vielmehr mit Leuten, die erst Soldaten werden wollen. Und diese Rekruten guckten sehr neugierig in unsere lehmfarbenen Gesichter, und jeder dachte dabei wohl nur: wenn ich mit solch einer dreckigen Uniform zum Appell käme!?! Da schnarrte plötzlich der Lerchentriller eines Stabsauto mobils hinter uns, und mitten in unfern vollen Gesang hinein schrie die linke Rottenreihe »Rrrechts rrran ü« durch, so daß wir singend abbiegen mußten. Das war gerade beim Lied vom Deutschland in Ehren der Refrain: »Haltet aus! »Haltet aus! »Haltet aus im Sturmgebraus«, den uns das ratternde Stabsauto fast vom Munde weg ver schlungen hätte. Im Auto saß ein hoher General und noch so etwas Hohes. Beide trugen mächtige Schutzbrillen — aber dann waren sie schon vorbei, und wir sahen nur noch, daß der General Weiße Haare hatte und einen Bismarckrücken .... Eigentlich wollten wir ja überhaupt nicht mehr anhalten, sondern gleich singend ins Ruhequartier marschieren. Das ging jedoch nicht, weil wir ein paar Leichtverwundete zwischen uns hatten. Und hier sei auch ein so schöner Platz zum Ruhen. Der Feldwebel kommandierte: »Abteilung Halt!« — »Nicht Euch!« — »Setzt die Gewehre — zusammen!« — »Ge päck abhängen! Abschnallen I« »Wegtreten!« Das ging alles so am Schnürchen, als kämen wir eben vom Exerzierplatz und nicht von der Somme. Da staunten die Rekruten noch mehr. Aber dann faßten sie Vertrauen, kamen zu.uns und fragten flüsternd, als hätten sie am liebsten den Finger vor den Mund gelegt: 1501