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dieser Stelle zu weit führen, eine ausführliche Schilderung der Beziehungen zu geben, die eine Reihe von Schriftstellern zum Buchgewerbe gehabt hat, jedoch seien aus der neueren Lite ratur zwei sehr hübsche und bemerkenswerte Beispiele an geführt. Das eine ist eine Sammlung von Gedichten von Karl Matthies, die unter dem Namen »Sterne, ein Leben in Lie dern«, von der Schriftgießerei D. Stempel in Frankfurt a. M. als Privatdruck herausgegeben wurde. Der ganze Buchschmuck und auch die Schrift ist vom Dichter gezeichnet. In den Orna menten, den Initialen, sogar in den Ausläufern der Versalien der Matthies-Kursiv, wie die Schrift genannt ist, waltet das Stern-Motiv vor, und es ist in immer neuer und geistreicher Weise variiert. Sehr hübsch ist es zum Beispiel angewendet bei der stilisierten Blüte einer Komposite, deren mit einem Haarschopf gekrönte Früchtchen sternartig ausgebildet sind. Dann wieder sehen wir Sterne glänzen durch Mistelzweige, die, wie sonst noch manche Vignetten, an japanische Vorbilder erinnern. Die Schrift, die Matthies dazu gezeichnet hat, ist eine deutsche Kursiv, wie wir sie in manchenschönenCharakteren aus dem 15. und 16. Jahrhundert kennen. Wenn uns heute derartige Frakturschriften in Kursiv ungewohnt erscheinen, während wir die Kursiv-Antiqua mit Vorliebe Pflegen, so ist das zu bedauern, weil wirklich in diesen Kursiv-Frakturen oder gotischen Schriften ein eigener Reiz liegt. Daß man sich in der neueren Buchkunst wieder mehr damit befreundet, be weisen verschiedene Schriften dieses Charakters, die neuerdings herausgekommen sind. Es sei z. B. erinnert an die »SeZrs- turlo« von Heinz König, geschnitten von Genzsch L Heyse in Hamburg, die »Lyrisch« von Georg Schiller, geschnitten von Ludwig L Mayer in Frankfurt a. M. Allerdings sind die beiden zuletzt genannten Typen nicht Kursiv, aber doch gehen sie alle auf die sogenannten Oivilitö-Schrislen zurück, die zu erst Nicolaus Cranjon in Lyon für Schulbücher verwendete und die fast ein Jahrhundert lang von hervorragenden Buch druckern, wie Plantin u. a., für diese Zwecke beibehalten wurden. Einen besonderen Reiz erhält die Matthies-Kursiv durch die als Initialen ausgebildeten hübschen Versalien. Die Schrift eignet sich für derartige intime und zierliche Gebilde, wie es die lyrischen Verse des Dichter-Zeichners sind, ganz be sonders gut, und man findet Wohl selten einen solchen Zusammenklang von äußerer Form und Inhalt wie in diesem reizenden Buch, das offenbar einer glücklichen Stunde sein Entstehen verdankt. Es ist jedenfalls für das deutsche Buch gewerbe außerordentlich erfreulich, daß solche Bücher wie das Matthiessche gedruckt werden, denn sie zeigen, daß der Sinn für in sich geschlossene und nur von einer Willensmeinung beseelte typographische Erzeugnisse in wachsendem Maße vor handen ist Noch von einem anderen Dichter, dessen Natur gleichfalls das Intime, Versonnene nahe lag, erfahren wir durch die Feder seines Sohnes interessante Äußerungen über sein Ver hältnis zur modernen Buchkunst (Erinnerungen an Heinrich Seidel, I. G. Cotta Nchflg., Stuttgart 19l2>. Der Dichter des Leberecht Hühnchen, der im Jahre 1906 in Gr.-Lichterfelde starb, war ein sehr feinsinniger, gewiegter Bücher sammler, der allerdings nie ein Bibliomane war, sondern selbst große Seltenheiten seiner Sammlung verschenkte, wenn er einem Freund eine Freude damit machen konnte. So schätzte er auch das typographisch gut ausgestattete Buch, — jedoch ver trat er immer die Ansicht, daß auch die schönsten Ausgaben nichts nützen, wenn der Buchkllnstler durch seinen Schmuck den Poeten zurllckdränge oder sich einbilde, gegenüber der Arbeit des letzteren einen selbständigen Wert geschaffen zu haben. . . . Man braucht dieser Ansicht, die nicht ohne weiteres als richtig hingenommcn werden kann, nicht beizuslimmen, um doch das, was wir sonst über Seidels Verhältnis zur modernen Buch kunst erfahren, mit Interesse zu vernehmen: »Häufig sprach Seidel über die heute so verbreitete Büchernarrheit, die sich einzig freut am geschmackvollen Einband, an einem Vorsatz papier, auf dem Weiße Hirsche durch grünen Spinat springen, an der Type, »die ein Meister geschnitten hat«, am Ornament, das Seite für Seite den Text verschlingt, an jener Kabbala, die die Seitenzahlen überall dahin setzt, wo sie der gewöhn liche Sterbliche nicht vermutet, am Papier, dessen Lumpen stammbaum auf der ersten Seite feierlich genannt wird; für diese kindliche Lust, die vor lauter »Ausdruckskultur« gar nicht dazu kommt, das angebetete Buch auch zu lesen, hegte er nur schweigende Verachtung. Er hatte mancherlei wackere Werke zusammengebracht, die edlen Inhalt in würdiger Ausstattung darboten, aber wenn er eines von ihnen seiner Sammlung hinzufügte, so tat er es aus dem veralteten Bestreben, dies Buch auch zu lesen. Er sammelte Originalausgaben, weil es gut sei, einen firnen Kometenwein auch aus einem alten Römer zu trinken, und weil der Geist der Vergangenheit nicht nur aus den fremdartigen Sätzen und Gedankenspielen eines Buches, sondern auch aus seinem lavendelfarbenen Kleide, seinen als Vignetten dargestellten Fruchtkörben, Urnenhügeln und springenden Löwen dem Leser entgegenkomme. Auch über Bücherillustrationen hatte er seine besonderen Gedanken und ließ auf diesem Gebiet nicht allzu viel gelten; besonders häufig beklagte er, daß allzu oft die Zeichner über die Grenzen ihres Vermögens hinausgingen und darzustellen versuchten, was der Poet mit seinen Mitteln zehnmal besser veranschaulichen könne. »Der Illustrator«, pflegte er zu sagen, »soll unsere Phantasie nicht vergewaltigen; seine Kunst ist die Andeutung, die Ara beske; aber das merken die wenigsten, malen hin, was höch stens der Dichter wagen darf, und kaum hat sich der Leser in seiner Phantasie ein göttliches Bild gemacht, dann kommt der Illustrator angejagt und schlägt ihm das Wunderwerk zusam men; es ist gerade so wie in Schillers Turandot, wenn die Worte gesprochen werden: .Schau her und bleibe deiner Sinne Meister!' Alles ist aufs höchste gespannt, und was sich ent schleiert, ist Fräulein Piefke aus Schmalleninken!« Übersetzungen aus dem Deutschen in die dänische, englische, französische, holländische, italienische, norwegische, schwedische und spanische ^Sprache. Mitgeteilt von Hermann Mühlbrecht in Berlin. 1911, 1. Halbjahr. (Fortsetzung zu Nr. 180 d. Bl.) sTerprrA, L ) Osb. 6 .X. Lrer'tLop/L Oeb. 6 üi. KLi>nr>. Lkcla. Oed. 4 .k. Xplt. in 10 äln. ä fl. 1.25; xeb. kl. 1.50. ker cll. »1.50; xeb. kl. 2.—. 2e clrulc. (46, 62 bl?.). (351.) 8". CLre/e/eU ^er/.-//anÄk/. ci. Le/Ke/.) Lr. 4.20 akL; Aed. 4.80 .1L.