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^ 181. 6. August 1912. Nichtamtlicher Teil. «irs-nblatt ». »- Dqchn- Buchhanö«. 9093 Nichtamtlicher Teil. Dichter als Bibliophilen. Von Otto Schlotke-Gr.-Lichterselde. Das Verhältnis der Künstler zur Buchdruckerkunst hat im Laufe der Jahrhunderte merkwürdige Wandlungen -er fahren. Die Erfindung der Buchdruckerkunst traf zusammen mit der Blütezeit deutscher Malerei und deutschen Kunstge werbes. Die junge Kunst empfing daher schon früh die nach haltigste Beeinflussung. Zu jener Zeit war das Verhältnis der Künstler zur Graphik ein außerordentlich inniges. Dürer, dieser universelle und tiefgründige Künstler, zeichnete für das Buchgewerbe seine schönsten Werke, die uns auch heute in dem Zusammenklang von Kunst und Handwerk wie aus einem Guß und unerreichbar erscheinen. Schon im Alter von 23 Jahren zeichnete er für Basler Buchdrucker Illustrationen. Der Holzschnitt, dieses echteste Buchdruck-Jllustrationsverfah- ren, stand auf der Höhe seiner Entwicklung, die, auch wenn sie nachher Wege ging, die eine mehr malerische Wirkung an strebten und erreichten, doch eigentlich niemals übertroffen worden ist. Mit dem Niedergang der Buchdruckerkunst ent fremdete sie sich auch die hohe Kunst, und beide gingen ge- trennteZ.,Wege. Der Holzschnitt mußte dem Stahlstich, dem Kupferstich und später der Lithographie Weichen. Zu jener Zeit hielten es die Künstler unter ihrer Würde, sich mit der Graphik zu beschäftigen, und so hatte im l9. Jahrhundert eigentlich jegliche Beeinflussung aufgehört. Es war verhält nismäßig selten, daß sich ein Maler um die typographische Ausstattung eines Buches kümmerte oder gar ein Dichter um die Drucklegung seines Werkes, was die äußere Gestaltung an betrifft. Es war höchstens die Fraktur- und Antiquafrage, die gelegentlich bei den Erörterungen zwischen Verleger, Drucker und Autor eine Rolle spielte. Allerdings findet man wohl auch bei einigen Künstlern eine Ausnahme.So enthält der Briefwechsel zwischen Goethe und Schiller, namentlich von Goethe, mitunter Stellen, in denen von der Ausstattung ihrer Werke, ja sogarvon einemneuenBuchbinder-Versahren dieRede ist. So schrieb Goethe 1798 an Schiller: »Unger hat mir bei liegende neue Schriftprobe geschickt und verlangt, daß ich ihm et was in diesem kleinen Format zu drucken geben soll. Ich weiß jetzt garnichts, und das dringendste Bedürfnis wird immer der Almanach bleiben.« Darauf erwiderte Schiller: »Die Ungerische Schriftprobe deucht mir viel zu scharf. Aus diesem Wege könnte man das Publikum bald blind machen«. . . . Diese Sätze beziehen sich aus die damals von I. F. Unger, dem berühmten Holzschneider und Buchdrucker in Berlin, ge schnittene Schrift, die den Charakter der Schwabacher hatte. Sie ist neuerdings von Poeschel L Trepte in Leipzig und dem Verlag Hans von Weber in München wieder als Buchschrift verwendet worden.*) An einer anderen Stelle handelt es sich um die sogenannten anaglyphischen Versuche, die Goethe mit dem Weimarer Medailleur und Stempel schneider Facius anstellte, und die er für die Ausschmückung seines Almanachs verwenden wollte. Goethe schreibt 1798: »Aus der Beilage sehen Sie, daß unser erster anaglyphischer Versuch gut genug geraten ist; der Abdruck ist nur aus freier Hand gemacht; wo das Kreuzchen steht, ist er am besten ge raten, und Sie werden leicht sehen, daß sich diese Arbeit sehr hoch treiben läßt. Der Einsall macht mir sehr viel Spaß. . . . Wir wollen zum Almanach eine ähnliche, jedoch sehr reiche Decke besorgen, sie soll alsdann auf farbig Papier abgedruckt und mit harmonierenden Farben illuminiert werden. Das «1 Franz Blei brachte in dem „Zwiebelfisch" (Verlag Hans v. Weber, München) sehr instruktive Proben der Entwick lung der llngerschen Fraktur. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 79- Jahrgang alles zusammen wird nicht teurer zu stehen kommen, als eine Kupferdecke mit Stich und schwarzem Abdruck. Ich bin über zeugt, wenn es einmal im Gange ist, so muß es, besonders da nun viele Bücher geheftet ausgegeben werden, sich als Decken zierat sehr weit verbreiten.« Mit dem Wiedererwachen des künstlerischen Gewissens in der Buchillustration ging Hand in Hand erfreulicherweise auch ein erneutes Zusammenwirken der bildenden Künste mit dem Buchdruck. Von großem Einfluß ist hier Menzel gewesen, der in seinem berühmten Werk über Friedrich den Großen nach langer Zeit wieder ein hervorragendes Beispiel solcher gemein samen Arbeit schuf. Und doch ist dieser Menzelsche Einfluß nicht zu vergleichen mit dem, der heute in bezug aus die ganze Ausstattung eines Buches verlangt wird, wenn ein Maler die Verantwortung dafür übernimmt. Für Menzel war doch schließlich die Illustration des Buches die Hauptsache, wäh rend die eigentliche typographische Ausstattung mehr in den Händen des Buchdruckers lag. Wenigstens finden wir kaum in den damaligen Werken Menzels nachweisbare Einflüsse, die die typographischen Gewohnheiten und Regeln des Satzes verändern oder umgestalten. . . Nicht Morrison, wie immer behauptet wird, ist der erste gewesen, der wieder die künstle rische Neugestaltung des Buchdrucks anstrebte, sondern lange vor ihm Or. Huttler und vr. Hirth in München, und ihnen müssen die Namen Genzsch L Heyse in Hamburg und Heinz König in Lüneburg beigesellt werden. Die Münchener schufen in ihren Druckereien eine Fülle ausgezeichneter Druckarbeiten, die auf die alten Meister der Jnkunabelnzeit zurückgingen. Sie erfüllten zum ersten Male wieder die Buchdruckerkunst mit echtem künstlerischen Leben und bemühten sich, das viele Falsche, Unechte und Ungesunde, das der Kunst Gutenbergs zu jener Zeit anhastete, über Bord zu werfen. Der erste Ver such, auch die Schrift, die zu jener Zeit zu einer unleidlichen Zartheit und Süßlichkeit gelangt war, umzugestalten, wurde dann im Anschluß an diese Bestrebungen der Münchener von Genzsch L Heyse gemacht, indem sie ihre nach klassischen Vor bildern geschnittenen Römischen Versalien Herausgaben. Heinz König zeichnete zu diesen wundervollen Schriftformen die Ge meinen mit genialem Anpassungsvermögen, und es entstand so in der Römischen Antiqua eine Schrift, die heute noch nichts von ihrem Reiz verloren hat und die für eine ganze Reihe anderer vorbildlich geworden ist. Der Einfluß der bildenden Künste aus die Bnchdrucker- kunst liegt ja nun der Natur der Sache nach eigentlich sehr nahe, und man mutz sich höchstens Wundern, daß er mitunter gänzlich ausgeschaltet werden konnte. Nicht so unerklärlich erscheint es, wenn der Dichter sich im allgemeinen weniger für die buchgewerbliche Ausstattung seiner Werke interessierte. Auch hier ist aber neuerdings manches anders geworden, und es gibt eine Reihe von Schriftstellern, die mit großem Eifer an der typographischen Ausgestaltung ihrer dichterischen Er zeugnisse interessiert waren. Mitunter ging sogar das Inter esse so weil, daß es für Drucker und Verleger nicht gerade eine Erleichterung war. Wir brauchen dabei nur an die lyrischen Äußerungen gewisser moderner Dichter zu denken, die schließ lich das Satzbild als solches in den äußeren Formen schon dem Gedicht anpassen wollten, d. h. wenn in der Dichtung von einem Kelch die Rede war, so mutzte auch das Satzbild möglichst die Form eines Kelches zeigen. Das sind natürlich Extreme, die für die gute Sache selbst nicht in Frage kommen. Vielfache Anregung verdankt das Buchgewerbe nament lich Otto Julius Bierbaum, der durch die Herausgabe des »Pan« ungemein fördernd gewirkt hat und auch selbst ein sehr feinsinniger Bibliophile war, der auf die typographische Aus gestaltung seiner Werke großes Gewicht legte. Es würde an II8S