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249, 24. Oktober 1912. Nichtamtlicher Teil. vörsenblatt f. b. Dtschrr. BuchhandeL. 13041 st'inc letzte Bearbeitung mit 2630 geflügelten Worten ab, Kourad Weidling die neunzehnte mit 2680; Eduard Jppel sammelte für die nächsten vier Auflagen weitere tausend Zitate, die vorliegende süns- nndzwanzigste bietet auf 688 Seiten deren etwa 3800. So mußte das Format des Buches wiederholt vergrößert, der Satz ein immer gedrängterer werden; jede Auslage machte einen vollständigen Neu satz notwendig. Wie alle voraufgehenden Auflagen ist auch diese Jubiläums ausgabe ein glänzendes Zeugnis deutschen Gelehrtenfleißes, deut scher Gründlichkeit. Die quellenkritischen Untersuchungen, die den meisten geflügelten Worten angehängt sind, die zahlreichen Parallel- srcllen aus den Literaturen aller Kulturvölker heben das Buch turm hoch über ähnliche, meist nachgeahmte bloße Zitatensammlungen, ulachen es geradezu zu einem Handbuch historischer, literarhisto rischer, sprachgeschichtlicher Forschung. Sollte der eine oder der andere dies oder jenes Zitat vermissen, dem er selbst den Charakter des geflügelten Wortes zuerkennt, so mag er sich immer die von Robert-tornow geprägte Definition vor Augen halten, die Büch manns Begriff fest umgrenzt hat und für die Aufnahme eines Zi tats in die Sammlung noch jetzt maßgebend ist: »E i n g e f l ü g e l - des Wort ist ein in weiteren Kreisen des Vater landes dauernd angeführter Ausspruch, Aus druck oder Name, gleichviel welcher Sprache, dessen historischer Urheber oder dessen lite- rari s ch e r U r s prung nachweisbar i st«. Mit diesem be grenzten Stoff hat es das Buch zu tun, es ist keine Sammlung von Sinnsprüchen, gebräuchlichen Redensarten, Fremdwörtern, Sprich wörtern oder Mottos. Dem vielbelesenen, redegewandten und zitatenfrohen vierten Kanzler wird mit Unrecht eine eifrige Benutzung des Bttchmann angedichtet, denn dieser allseitig gebildete Staatsmann braucht sicher nicht, um seine Rede zu schmücken, »mit fremdem Kalbe zu pflügen«, klm so eifriger mag der Gymnasiast, der seinem deutschen Aufsatz einige Lichter aufsetzen will, nach dem »Zitatenschatz« greisen. Zwischen diesen beiden Polen geistiger Regsamkeit aber erfreuen sich die breiten Schichten des gebildeten Bürgertums des trefflichen Buches: vielen mag es nur ein Nachschlagebuch sein, anderen, die es besser zu benutzen wissen, ist es ein gewichtiger Baustein zur Er kenntnis des Seelenlebens der Völker, ein Spiegel des Geschmackes unseres Volkes, ein zuverlässiger Führer, den Umwandlungen und Abwandlungen von Worten und Begriffen durch die Jahrtausende, durch die Kulturen der verschiedenen Völker zu folgen. Man er innere sich nur an die »schöne Seele« bei Plato, bei den spanischen Mystikern, in der englischen Philosophie, im englischen Roman, bei Rousseau, bei Wieland, Schiller und Goethe, in dem bekannten Stu- dentenlied. lind so kann sich auch der Buchhändler auf einem Spaziergang durch das lustig blühende Gefilde der geflügelten Worte einen kleinen Strauß binden. Schon der Name »Büchmann« wird ihm sympa thisch sein. Zwar wird er mit Bedauern feststellen, daß der edle »Balhorn« ein Buchdrucker zu Lübeck im 16. Jahrhundert war; aber für keine der Sünden des »Verballhornens«, mit denen sein Andenken belastet worden ist, läßt sich ein Beweis erbringen, das sei Zur Rettung der Standesehre nicht verschwiegen. Einen vorzüg lichen Cicerone nennen wir einen »Baedeker«. Mancher Verleger wird seine buchhändlerischen Erfahrungen bestätigt sehen, wenn er liest: »^ullum esk iam dictum, quod non 8it dictum prius, es gibt kein Wort mehr, das nicht schon früher gesagt ist«, und dem drän genden Autor vielleicht unmutig zurufen: »Hui8 logst llaec? Wer wird das Zeug lesen?« Doch das »Oeuu8 irritabile vatum, das reizbare Geschlecht der Dichter« läßt nicht locker, die Mahnung: »llo- numque prematur in annum, bis ins neunteJahrsoll die Schrift (im Pulte) zurückgehaltcu werden«, um unter Umständen noch vor der Veröffentlichung vernichtet werden zu können, verklingt ungehört, ebenso das »8aepe 8tilum vertag feile den Ausdruck«. »bll 8emel emi88um volat irrevocabile verbum, und einmal entsandt, fliegt un widerruflich das Wort hin«. Der Sortimenter, das »A nnd O« des Buchhandels, seufzt über diesen »Ozean von Druckerschwärze und Papier« und denkt: »sie haben schrecklich viel gelesen«, doch ruft er schließlich ein neues »8apere aude! Wage es, weise zu sein«, dem »Publikum, das alles weiß« zu; denn noch immer erscheint ein neues »Buch mit sieben Siegeln«. Also »Arbeiten und nicht Verzweifeln«! — Daß einer »lügt wie gedruckt«, hat Bismarck selbst 1869 schon als antiquiert bezeichnet; jetzt heiße es: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 79. Jahrgang. »er lügt wie telegraphiert«. Und die Telegramme vom Balkan- Kriegsschauplatz werden uns diese Weisheit noch ausgiebig be stätigen, denn »das Papier ist« immer noch »geduldig«. Die Mah nung des klugen Predigers Salomonis (12,12): »Hüte dich, mein Sohn, vor anderen mehr; denn viel Büchermachens ist kein Ende; und viel Predigen machet den Leib müde!« können wir auch als eine Prophezeiung des ewigen Blühens und Gedeihens des Buchhandels deuten. Und die Hauptsache bleibt doch, daß wir im »Buch des Lebens« »gut angeschrieben sind«. »ba critigue 68t awse, et I'art 68t dlkkicile«. Es soll kein »Bessermachenwollen« bedeuten, sondern nur das Interesse be zeugen, das wir am weiteren Ausbau des »Büchmann« nehmen, wenn wir hier einige Vorschläge machen. S. 231: »So hat mich nicht getäuscht Die Stimme der Natur«. geht wörtlich zurück auf Kotzebues: »So hat die Stimme der Natur mich nicht getäuscht!« in der zwölften Szene des dritten Aufzugs des »Nehbocks«, deu der Komponist bekanntlich seiner Oper zugrunde legte. — Der Ausdruck »Sprachdummheiten« ist durch Wustmanns Büchlein sicher Allgemeingut der Nation geworden. »Einen Kotau machen« finden wir auch nicht in Ladendorfs Schlagwörterbuch (1. Ausl. 1906), obgleich dieser Ausdruck seit der Zeit des chinesischen Sühncprinzen in deutschen Landen geläufig ist, geläufiger wohl als das hessische: »rin in de Kartoffeln usw.«. Quellennachweise wür den da allerdings in die weiten Gebiete des Journalismus führen. Im. Kleine Mitteilungen. Aus dem Kunsthandel. — Im Kunstsalon Paul Casstrel in Berlin wird am 24. Oktober eine neue Ausstellung, die erste nach dem Umbau des Hauses und der Vergrößerung der Räume, eröffnet. Die Ausstellung enthält Gemälde von Delacroix und Gdricault, Corot, Daumier und Courbet, von Manet und Cezanne, ferner von den Impressionisten Monet, Pissarro, Sisley und Renoir. Vertreten sind mit mehreren Bildern weiterhin van Gogh, Toulouse-Lautrec, Hodler und Munch. Von deutschen Künstlern sind u. a. Wilhelm Leibl, Adolf Menzel, Max Liebermaun, Slevogt, Beckmann und Nösler beteiligt. Die Plastik ist durch Werke von Nodin, Tuaillon, Gaul, Klinisch, Kolbe und Lehmbruck vertreten. Briefumschläge mit durchscheinender Adresse. Die Handels kammer zu München übermittelte am 12. Oktober dem Deutschen Handelstag Abschrift des folgenden Bescheides des Bayerischen Staatsministeriums für Verkehrsaugelegenheiten vom 26. Sep tember: Anträge auf Zulassung von Fensterbriefen, bei denen die Aufschrift nicht parallel zu den Langseiten des Umschlags verläuft, sind wiederholt gestellt, mit ^Rücksicht auf die daraus für den Dienstbetrieb entstehenden Erschwerungen je doch abgelehnt worden. An diesem Standpunkt wird in Überein stimmung mit der Ansicht des Neichspostamts in Berlin hier vor erst festgehalten, bis der nächste Weltkongreß zu der angeregten Frage Stellung genommen hat. Im übrigen möchten wir darauf Hinweisen, daß der Ausschuß des Deutschen Handelstags in seiner Sitzung vom 12.—13. Dezember 1911 unter Würdigung der dem Postbetrieb erwachsenden Schwierigkeiten beschlossen hat, den An trag auf Zulassung von Fensterbriefen mit parallel zur Schmal seite des Umschlags verlaufender Aufschrift nicht weiter zu ver folgen.« Die Kammer bat gleichzeitig den Deutschen Haudelstag, die vorliegende Angelegenheit nochmals der Beratung zu unterstelle». (Handel und Gewerbe.) Die Ortsgruppe Frankfurt a. Main der Allgemeinen Ver einigung Deutscher Buchhandlnngsgehilfen plant für Sonntag, den 27. Oktober, eine Besichtigung der graphischen Kunstanstalt nnd Klischeefabrik F. Guhl L Co., Ludwigstraße 31, wo Gelegen heit gegeben wird, die Anfertigung von Autotypien, Farbenätzungen, Holzschnitten, Galvanos u. dgl. durch eigene Anschauung näher kennen zu lernen. Alle Angehörigen des Frankfurter Buchhandels seien auf diese interessante Veranstaltung aufmerksam gemacht und werden gebeten, den Besuch ,ehr zahlreichzu gestalte». Treff punkt vorm. '/glO Uhr Ludwigstraße 31 am Eingang. 1697